K3 No. 6 - September 2019

Dachzeile 38 das kommt | 06 | 2019 Gedenkarbeit und Frieden Schwerpunk Die Ausbildung der Jugendlichen wurde zum Kampf mit dem Berg verklärt, aus dem die Bergsteiger gestählt zurückkehren würden. Soldatisch geprägte Männlichkeitsvorstellungen, insbesondere im Kontext der Niederlage im Ersten Weltkrieg, galten als Bergsteiger­ ideal. Ernst Enzensperger, bis 1928 Jugendreferent im Verband, schrieb in seinem Artikel „Aus alpiner Jugendarbeit“ bereits 1925: „[Die Jugendgruppen] stellen [...] in derber Lodenkleidung mit schweren Nagelschuhen, im zielbewussten Einführen in den zähen Kampf mit der Natur, in Gewöhnung an spartanische Einfachheit, in der Erfüllung herbster Pflichten gegen den Gefährten auf Leben und Tod eine Pflanzstätte der Männlichkeit dar, wie sie unser Vaterland augenblicklich braucht.“ Der DAV und die JDAV haben sich in den letzten Jahren ihrer Ge- schichte gestellt. Eigene Publikationen und Ausstellungen zur Rolle des DAV in der Zeit der Nationalismus zeugen davon. Der DAV hat sich zudem in der Gegenwart positioniert: „Im Bewusstsein seiner Verantwortung vor der Geschichte bekundet der DAV seinen Willen, alles zu tun, dass der Ungeist von Intoleranz in jeglicher Form in seinen Reihen keinen Platz mehr finden kann.“ Und: „Wir treten ein für Freiheit, Respekt und Verantwortung, für ein offenes und tolerantes Miteinander aller Menschen – heute, morgen, hier und überall.“ Die JDAV formuliert noch konkreter: „Wir betrachten es als eine wichtige Aufgabe der JDAV als Jugendverband, gegen demokratiefeindliche und rassistische Tendenzen in unserer Gesellschaft anzukämpfen und dem spürbaren Rechtsruck in unserer Gesellschaft entgegenzutreten.“ Im Angesicht unserer Geschichte und der aktuellen gesellschaftlichen Situation eine richtige und wichtige Position. Gerhard Wagner, Abt. Junges Engagement, KJR Aus der Geschichte gelernt: Der Alpenverein hatte während der Nazidiktatur oft in vorauseilendem Gehorsam den rassischen Ge- danken in seinen Reihen umgesetzt – und stellt sich heute dieser Vergangenheit. Bergsteigergedanken Ich sitze in der Spätsommersonne auf meinem Hausberg dem Ris- serkogel. Warmer Wind zieht vom Riedereck herauf. Viele glückliche Bergtage habe ich hier verbracht. Der Berg hat nichts Heroisches. Trotzdem und vielleicht gerade deshalb jetzt im Herbst ein wun- derbarer Ort für Leib und Seele. Der Blick ist traumhaft und reicht vom Hauptkamm bis zum Tegernsee. Ein aufsteigender Bergsteiger grüßt mich mit den Worten „Berg Heil“. „Berg Heil“ als Antwort? Gefällt mir nicht. Zu schwer lastet unsere Geschichte auf einem Gruß mit dem Begriff „Heil“. Gut, dass sich die JDAV ihrer Rolle in der Zeit des Nationalso- zialismus gestellt hat und als eines ihrer Ziele die Vermittlung demokratischen Denkens und Handelns sowie die Ermutigung zu sozialer und politischer Aktivität bestimmt hat. Auf dieser Basis ist die JDAV bereits 1948 Mitglied im Kreisjugendring München-Stadt geworden. Die Jugendarbeit freut sich daher schon lange über zahlreiche Impulse der demokratischen und politischen Jugend des Alpenvereins. So zum Beispiel zuletzt mit ihrer Kampagne zur Rettung des Riedberger Horns. Und so antworte ich dem Bergsteiger: „Grüß Gott! Peace! Scha- lom! Ahoi! Salve! Merhaba! Schee, dass‘d do bist!“ und freue mich mit ihm zusammen über unsere Bergheimat. Es ist grad wurscht, wo wir herkommen. Frieden ist für mich … ... keinen Menschen zu irgendwas zwingen und auch mal ein „Nein“ akzeptieren können. Marcel, 19 Sich der eigenen Geschichte stellen Lernort Alpen(verein) Was für ein Jubiläumsjahr für die Bergsteiger! Vor 150 Jahren wurde der Deutscher Alpenverein (DAV) mit der Sektion München gegründet. Die Sektion Oberland wird auch schon 120 Jahre alt und die Jugend des Deutschen Alpenvereins (JDAV) feiert ihren Hundertsten. Viele Gründe zum Feiern und stolz auf die Geschichte des Alpenvereins zu blicken. Zu keinem Zeitpunkt haben aber dabei die Verantwortlichen der JDAV und des DAV vergessen, auch die dunklen Seiten in der Ge- schichte zu beleuchten. Der DAV hat bereits lange vor der Machtübernahme der Nationalso- zialisten in weiten Teilen deutlich antisemitisch agiert. So fand die antisemitische Sektion Austria bald nach dem Ersten Weltkrieg die Unterstützung vieler österreichischer und 13 Münchner Sektionen. Die Folge: Ausschluss von jüdischen Mitgliedern, Ablehnung des jüdisch geprägten Vereins Donauland. An den Hütten wurden Plakate angebracht, die die Aufschrift „Juden und Mitglieder des Vereines Donauland sind hier nicht erwünscht“ trugen. An einigen Hütten wurden Hakenkreuz-Fahnen gehisst. 1922 schlossen sich 63 Sektionen zum Deutschvölkischen Block im DAV zusammen. In der Folge beschloss am 14. Dezember 1924 die außerordentliche Hauptversammlung des DAV in München den Ausschluss der Sektion Donauland. Damit beugte sich die Mehrheit der DAV-Sektionen den antisemitischen Forderungen des Deutschvölkischen Blocks. Aus der Geschichte gelernt Und auch in der Jugendarbeit zeigte diese Geisteshaltung früh Wirkung. Von Anfang an wurde die Jugendarbeit im DAV nationa- listisch begründet. 1927 wurde als weiteres Erziehungsziel der JDAV satzungsmäßig die „Liebe zur deutschen Heimat“ verankert. Bild: Wikimedia Commons

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