K3 No. 6 - September 2019
| 06 | 2019 35 Gedenkarbeit und Frieden Schwerpunkt „Es ist geschehen, und folglich kann es wieder geschehen“ Es geht nicht nur um das Erinnern an die Opfer des Nationalsozialis- mus, sondern auch um das Aufklären über die faschistische Herrschaft und ihre Verbrechen sowie die Sensibilisierung für neue Gefahren in der Gegenwart. „Ihr seid nicht verantwortlich für das, was geschah. Aber dass es nicht wieder geschieht, dafür schon“, so Max Mannheimer, Überlebender des Holocaust, der bis zu seinem Tod aktiv gegen das Ver- gessen kämpfte. Es ist unsere moralische und politische Verpflichtung als Antifaschistinnen und Antifaschisten, diesen Kampf weiterzuführen, allen Versuchen einer Verharmlosung des Nationalsozialismus als „Vo- gelschiss der deutschen Geschichte“ entschieden zu widersprechen und konsequent gegen rassistische und antisemitische Hetze, Ausgrenzung und alle Formen rechter Gewalt einzutreten. Wir müssen die Akteurinnen und Akteure menschenverachtender Ideologien entlarven. In seiner Gedenkrede spricht Georg Restle von den „Faschistischen Wölfen in demokratischen Schaftspelzen“, die Demokratieverdrossenheit schüren und unsere Gesellschaft spalten wollen. „Wer ‚nie wieder Faschismus‘ ernst meint, muss heute alles dafür tun, dass den neuen Wegbereitern der Weg verstellt wird.“ So ist unsere Erinnerungsarbeit heute wichtiger denn je, um gemeinsam gegen das Vergessen und für eine friedliche Zukunft zu kämpfen. Judith Greil, DGB-Jugend, KJR-Vorsitzende Gedenkarbeit in der Jugendarbeit: Evangelische Jugend München Die politische DNA der Jugendarbeit Am 27. Oktober 2019 feierte der Deutsche Bundesjugendring (DBJR) seinen 70. Geburtstag. Sogar Bundeskanzlerin Angela Merkel gratulierte mit den Worten: „… der Bundesjugendring lebt und belebt die Demokratie.“ Noch vor dem DBJR hatten sich unmittelbar nach Kriegsende die lokalen Kreisjugendringe gebildet. Bereits im Dezember 1945 wurde der Kreisjugendring München-Stadt (KJR) – zunächst als sogenanntes Jugendkomitee – gegründet. Als Teil ihres Re-Education-Programms wollten die Alliierten selbstorganisierte Räume für Jugendliche eta- blieren. Von Beginn an war der demokratische Organisationsaufbau grundlegend für diese Arbeitsgemeinschaft der verschiedenen Ju- gendverbände. Ziel war es, Kinder und Jugendliche vor ideologischer Instrumentalisierung zu schützen, wie sie in der Hitlerjugend oder dem Bund Deutscher Mädel in schrecklichster Weise stattgefunden hatte. Die DNA aller Jugendverbände ist von Grund auf politisch geprägt und mit einem demokratischen Auftrag versehen – unabhängig vom inhaltlichen Schwerpunkt und den Grundinteressen des jeweiligen Jugendverbandes. An diesen Kern der Jugendverbandsarbeit knüpft die Erinnerungs- und Gedenkkultur an. Sie erfüllt damit einen gesellschafts- politischen bzw. demokratie- und menschenrechtspädagogischen Auftrag. Für die Evangelische Jugend München (EJM) und den Bund der Deutschen Katholischen Jugend in der Region München (BDKJ) hat beispielsweise das Erinnern an die Vergangenheit zur Folge, dass sich die beiden Jugendverbände unter dem Leitspruch „München ist bunt – Gott sei Dank“ entschieden gegen Rechtsextremismus und -populismus positionieren. Hinter dieser Erklärung steht die Auseinan- dersetzung mit der (eigenen) Geschichte. Seit den Anfangsjahren der EJM finden sich immer wieder Jugendliche zusammen, die das Thema beschäftigt, die sich dafür engagieren wollen, zum Beispiel mit der internationalen Jugendbegegnung in Dachau oder dem Jahresempfang #ErinnerungLebt! In diesem Zusammenhang hat sich die EJM zum Ziel gesetzt, immer wieder an den Terror des Nationalsozialismus zu erin- nern und dessen Opfer zu gedenken. Die Auseinandersetzung mit der Vergangenheit soll mit der demokratischen Gegenwart sowie künftigen gesellschaftlichen Entwicklungen verbunden werden. Konkret bedeutet das, dass Netzwerke und Kooperationen zu diesem Thema entstehen, unter anderem mit dem BDKJ, der DGB-Jugend oder dem KJR, mit dem die jährlich stattfindende Sommer.dok-Jugendgeschichtswerkstatt auf dem Königsplatz organisiert wird. Eigene Erinnerungskultur schaffen Seminare und Workshops zu Nationalsozialismus, Rechtsextre- mismus und Rechtspopulismus sind feste Bestandteile im Programm des Jugendverbands. Für Konfirmanden- und Firmungskurse wird der Weiße-Rose-Workshop unter dem Motto „Widerstehen lernen“ ver- anstaltet. Die Erinnerungsarbeit in Jugendverbänden ist nicht von einer allgemeinen Demokratiebildung zu trennen und geht weit über regelmäßige Gedenk-Ritualen hinaus. Es ist die Aufgabe der pädago- gisch betreuten Gedenkarbeit, Jugendlichen zu ermöglichen, eigene Form der Erinnerungsarbeit zu finden und zu gestalten: Was bewegt Jugendliche? Was hat das mit ihnen selbst zu tun? Und wie wollen sie das zum Ausdruck bringen? Anna Lisa Spitzauer, Evangelische Jugend München Ein Bild, das sich in das kollektive Gedächtnis der Menschen einge- prägt hat: Symbole für die Flugblätter, die die Widerstandsgruppe der Weißen Rose verteilt hatte. Frieden ist für mich … ... Freundschaft. Viki, 12 Frieden ist für mich … ... wenn mir nicht das Handy weggenommen wird. Bushra, 15 Foto: Evangelische Jugend München
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