K3 No. 6 - September 2019
| 06 | 2019 33 Gedenkarbeit und Frieden Schwerpunkt Armin (Jahrgang 1973) Benedikt (Jahrgang 1983) Entschluss fest? Als Schüler am Gymnasium setzte ich mich intensiv mit dem Zweiten Golf- krieg auseinander und beteiligte mich an Demonstrationen, die unter dem Motto „Kein Blut für Öl“ standen. Damals war ich 18 Jahre alt und meine Musterung stand bevor. „Moderne Kriegsführung“ war damals medial greifbar und machte mir deutlich, dass ich darin nicht verwickelt sein möchte, wenn ich eine Alternative habe. Meine Entscheidung zum „Zivi“ war keine bewusste Abwägung zwi- schen zwei Optionen. Es stand für mich nie zur Debatte, in einer Kaserne zu wohnen und von jemand „Höhergestelltem“ herumkom- mandiert zu werden. Ich denke, dass meine eher linksgerichtete jugendkulturelle Sozialisation diese Option schon frühzeitig als indiskutabel erscheinen ließ. gilt für viele junge Menschen als Dienst am Frieden. Wie siehst du das? Auch wenn ich als 18-Jähriger in meinem Erörterungsschreiben zur „Ver- weigerung zum Dienst an der Waffe“ erläutert hatte, dass ich es nicht mit meinem Gewissen vereinbaren könne, eine Waffe auf einen Menschen zu richten, bin ich mir heute nicht sicher, ob es vielleicht doch Umstände und emotionale Empfindungen gibt, die mich genau dazu veranlassen könnten. Eine Waffe in die Hand zu nehmen, um den Frieden zu bewahren. Klar macht das im ersten Moment Sinn, wenn man an ein Recht des Stärkeren glaubt und dessen positive Motivation, Frieden in die Welt zu bringen. Meiner Meinung nach geht es dabei nicht um Frieden, sondern um den Erhalt der eigenen Machtposition. Man schiebt nationale oder gar völkische Interessen vor, um Menschen für „die eigene Sache“ zu mobilisieren, und verlagert die Probleme an eine andere Stelle – und das im Namen des „Guten“ und „Richtigen“. Krieg ist die Bekämpfung von Symptomen, keine Auseinandersetzung mit Ursachen und somit niemals die Lösung eines Konflikts. gesellschaftliche Stimmung wahrgenommen? Was hat sich verändert? Mit dem Ende des „Kalten Kriegs“ Anfang der 1990er Jahre herrschte einer- seits große Hoffnung auf einen Weltfrieden. Andererseits stellte sich die Frage, inwieweit die BRD sich im Bündnispakt der Nato in Krisengebieten militärisch engagieren soll. Seit Anfang der 1990er Jahre sind deutsche Soldaten an sogenannten friedenssichernden und friedenserhaltenden Missionen beteiligt. Für mich wurde klar, dass der Wehrdienst, der all die Jahre zuvor eine „reine Übung“ für den Verteidigungsfall war, nun auch Militäreinsätze in anderen Ländern mit echten Kampfhandlungen bedeuten kann. 2019 wird darüber diskutiert, wie weit die militärische Unterstützung im Ausland gehen soll, aber nicht mehr, ob es das überhaupt geben soll. In der schon damals anhaltenden Diskussion über die Sinnhaftigkeit der Wehrpflicht war oft der Abbau der Stellen im sozialen Bereich ein Gegenargument. Die durchaus angespannte Lage nach den Ereignissen am 9. November 2001 in New York führten dazu, eine spezialisierte Armee aufbauen zu wollen, die international unter- stützen kann. Heute ist die Diskussion über die Wiedereinführung der Wehrpflicht in vollem Gange. Das Image einer schlecht ausge- rüsteten Berufsarmee, viele Konflikte weltweit und das Erstarken nationaler Interessen in der Politik heizen die Debatten um eine allgemeine Wehrpflicht erneut an. Wir vollziehen meiner Meinung nach durch derartige Debatten Rückschritte in den Bemühungen um eine friedliche Welt. wieder ist die Rede von einem verpflichtenden Sozialen Jahr. Wäre das ein Beitrag zu mehr Frieden und Gerechtigkeit? Damals wie heute war klar, dass viele Leistungen im Sozialwesen nur unter Mithilfe der Zivildienstleistenden erbracht werden können. Ergo war der junge Deutsche, der damals Zivildienst leistete, kein „Drückeberger“ mehr, sondern auch jemand, der sich für die Gesellschaft engagierte. Bei mir waren es 15 Monate, die ich in meinem Lebenslauf nicht missen möchte. Ich habe als Hausmeistergehilfe in einem Heim für Kinder und Teenies mit angegliedertem Kindergarten und einem Wohnheim für ausländische Studentinnen viel gelernt. Außerdem war das der Grundstein für meinen Entschluss, Soziale Arbeit zu studieren. Und ein sinnvoller Dienst für die Allgemeinheit und ein erster Eindruck vom „Full-Time-Arbeitsleben“ war es auch. Sechs bis zwölf Monate in einem sozialen Engagement erachte ich für die persönliche Entwicklung von jungen Menschen als sehr sinnvoll. Ob es tatsächlich verpflichtend sein muss, bleibt für mich eine offene Frage. Ich denke, dass junge Menschen durch ein verpflichtendes Soziales Jahr ein besseres Verständnis von unserer Gesellschaft bekommen und wertvolle Erfahrungen sammeln können. Unabdingbar dabei ist, dass die ihnen übertragenen Aufgaben einen gesellschaftlichen Nutzen erfüllen und sie als Personen wertgeschätzt werden. Wenn man in Frieden hineingeboren wird, fällt es schwerer, dieses hohe Gut zu begreifen. Die Bedeutung von Frieden lässt sich am besten in der Auseinandersetzung mit Krieg, Gewalt und Zerstörung erfahren. Ich emp- fehle allen, sich mit der Geschichte gerade in diesen Punkten intensiv auseinanderzusetzen, zum Beispiel bei Besuchen von Gedenkstätten oder durch Dokumentarfilme. Außerdem tut man gut daran, sich mit anderen Menschen und unterschiedlichen Lebensentwürfen zu beschäftigen, damit Verschiedenheit erlebbar, geschätzt und geachtet wird. Friede kann nur miteinander gewahrt werden. Es bedeutet Arbeit, eine kontinuierliche Auseinandersetzung miteinander und Wert- schätzung auch gegenüber den Themen und Meinungen, die einem persönlich nicht so nahe liegen. Gleichzeitig muss man für seine eigenen Werte einstehen – eine Dialektik von Individualität und Pluralität. Frieden ist kein feststehender Wert. Er ist der Ausdruck der fortdauernden Bemühung, sich mit seiner Umwelt auseinander- zusetzen, für das eigene sowie das Wohl anderer.
Made with FlippingBook
RkJQdWJsaXNoZXIy Mjk2NDUy