K3 No. 6 - September 2019

Dachzeile 28 das kommt | 06 | 2019 Gedenkarbeit und Frieden Schwerpunk und ehemaligen Tätern, die nach dem Zweiten Weltkrieg sofort wieder Ämter übernahmen, nicht. Hinzu kommen diejenigen, die nicht müde werden, einen Schluss- strich unter das Erinnern und Gedenken einzufordern. Ihrer Meinung nach handele es sich bei 12 Jahren Naziterror um einen „Vogelschiss in der deutschen Geschichte“. Das Unangenehme streichen, leugnen, umdeuten, damit sich die deutsche Nation unbelastet entwickeln kann? Die braune Vergangenheit ist Teil der deutschen Geschichte. Ge- schichte ist Teil von Gegenwart und wirkt in unserem gesellschaftlichen Zusammenleben, ob es uns passt oder nicht. Dabei geht es nicht nur um Hitler und Konsorten. Es geht um die Mechanismen und Strukturen, um die Ängste und Nöte, um die Sehnsucht nach Überschaubarkeit in einer immer komplexeren Welt. Diese reale oder nur als solche empfundene Komplexität kann Menschen empfänglich machen für einfache Bot- schaften: die Zustände in der Gesellschaft seien generell unzumutbar, es sei gefährlich, nicht endlich „Alternativen“ zu suchen, wir müssen „unter uns“ bleiben – die Anderen gehören nicht dazu, usw. Es geht um Gleichgültigkeit, um das Wegsehen gegenüber Unrecht und Gewalt, die anderen Menschen und Menschengruppen zugefügt werden, und um Vorurteile und Feindbilder, die in unserer Gesellschaft immer vorhanden waren, aber lange übersehen wurden. Kollektive Erinnerung als Kultur muss komplex sein. Das bedeutet vor allem, dass wir uns ehrlich mit unserer Geschichte auseinandersetzen. Noch haben wir die Chance, mit einigen wenigen Zeitzeuginnen und An den Nationalsozialismus und seine Opfer erinnern „Erinnern kann auch cool sein“* Vieles zum Thema Erinnern ist gesagt, verfasst oder wurde in Ansprachen beteuert. Das Erinnern an das Geschehene ist uner- lässlich, wenn wir es mit „Nie wieder“ ernst meinen. Nur, was genau bedeutet erinnern? Was wollen und müssen wir der jungen Generation vermitteln? Das menschliche Erinnerungsvermögen ist leider löchrig. Vor allem unangenehme und belastende Ereignisse streichen wir so gut es geht aus unseren Gedanken. Wir verdrängen sie, nach Sigmund Freud, ins Unbewusste. Diese Reaktionen sind insofern wichtig, da sie uns in ge- wisser Weise lebensfähig halten – zumindest kurzfristig. Das Verdrängte bleibt gespeichert und wird nicht gelöscht, es bleibt ein Teil von uns und wirkt in unser Leben hinein. Gegen das Vergessen und Verdrängen Erinnerung im gesellschaftlichen Kontext funktioniert ähnlich: Bräu- che und Traditionen bilden eine gemeinsame und als positiv empfundene kulturelle Basis. Sie repräsentieren verlässliche Werte und formen eine gemeinsame Identität. Gleichzeitig begründet und tradiert diese Erin- nerung eine kollektive Verantwortung für die nächsten Generationen. Mit der Erinnerung an den Nationalsozialismus und seine Verbrechen tat man sich in der Bundesrepublik über Jahrzehnte hinweg sehr schwer. Aus Verdrängung wurde dabei zuweilen Leugnung, denn nach 1945 war zu jedem Zeitpunkt das Bewusstsein für das Geschehene präsent. Eine „Stunde Null“ gab es angesichts der Kontinuität aus Alt-Nazis Frieden bedeutet für mich … ... dass man zu seinen Fehlern steht und sich auch entschuldigen kann. Jamal, 17 Erinnern hat viele Formen. Wichtig ist, dass Jugendliche einen Bezug zu ihrem Leben herstellen können. Gespräche mit Zeitzeugen sind besonders wertvoll. Bild: Tandem/Filip Singer

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