K3 No. 6 - September 2019

10 das kommt | 06 | 2019 das war Spannender Fachtag Rap-Musik wird nicht nur in der Jugend- kultur gehört und gefeiert, sondern ist mittlerweile auch im Mainstream angekom- men. Häufig wird dem Genre vorgeworfen, diskriminierend zu sein. Und ja: Oft finden sich in den Texten und Videos Sexismus, Homophobie und frauenfeindliche Aussagen. Eine Tatsache, die insbesondere pädagogische Fachkräfte in der Offenen Kinder- und Ju- gendarbeit immer wieder vor eine Heraus- forderung im Umgang damit stellt. Rap aber nur auf diskriminierende Aspekte zu reduzieren, wäre zu einfach. Das Phänomen erfordert vielmehr eine kritische Auseinan- dersetzung und einen differenzierten Blick auf die Rap-Szene. Rap kann auch anders Um dieser Auseinandersetzung eine Platt- form zu schaffen, konzipierten Bettina von Hoyningen-Huene (Fachstelle Mädchen*/ LGBTIQ) und Bernhard Rutzmoser (Fachstelle Jungen*/LGBTIQ) einen Fachtag zum Thema „Sexismus im Rap“. Rund 100 Interessierte folgten der Einladung ins Pathos-Theater im Kreativquartier. Auf der Agenda des Tages standen eine Reihe von Fragen: Wie sexistisch ist deutscher Rap? Wie steht es um Themen wie Diversity, Feminismus und Queerness in der deutschen HipHop-Kultur? Und wie können pädagogische Fachkräfte mit kontroversen Aussagen umgehen? Zur Annäherung an die Antworten waren zwei Fachreferentinnen eingeladen. Heidi Süß promoviert aktuell an der Uni- versität Hildesheim zum Thema Machtver- hältnisse im Rap und setzt sich intensiv mit Entwürfen von Männlichkeit und Weiblich- keit im Rap auseinander. In ihrem Vortrag spannte sie einen historischen Bogen von den Ursprüngen des Rap in der afro-ameri- kanischen Kultur hin zu seinen Spielformen in Deutschland und zeichnete damit den Weg einer männlich dominierten Kultur- praxis nach. Besonders das kommerziell erfolgreiche Genre des Gangsta-Rap wird nach wie vor hauptsächlich von Männern regiert. Heidi Süß beobachtete aber auch, dass sich dieser Tage gesellschaftliche Libe- ralisierungstendenzen in der Rap-Szene niederschlagen. Sowohl thematisch als auch visuell stehen hypermasku- line Performances nicht mehr unbedingt im Vordergrund. Bilder und Texte sind diverser geworden. Neue Bewegungen und Ausdifferenzierungen wie Queer Rap oder Afro Trap entwerfen alternative Identi- fikationsfiguren und brechen mit konservativen Rollenmu- stern. Auch die zweite Referentin, Anna Groß vom Berliner Label Springstoff, verwies auf die Komplexität der Szene und zeigte, dass deutscher Rap mehr ist als große Jungs, dicke Autos und nackte Frauen. Da ist zum Beispiel Edgar Wasser, der in seinem Song „Bad Boy“ mit drastischen Worten darstellt, wie schwer es ist, sich als weiblicher MC in der Szene zu behaupten. Und da ist eine Künstlerin wie Ebow, ursprünglich aus München, die mittlerweile zu einer der politischsten Rapperinnen Deutschlands zählt und in ihren Texten der Gesellschaft den Spiegel vorhält: „Ihr hasst mich so rich- tig, denn diese Kanakin hier macht sich zu wichtig, ist zu gebildet, sieht zu gut aus, zer- sprengt eure Kästen muslimischer Frauen.“ Weg mit den Etiketten Zu der anschließenden Fishbowl-Diskus- sion mit den beiden Referentinnen und dem Publikum gesellten sich noch zwei weitere Experten: David P. von der Münchner HipHop-Formation Main Concept und die Musikjournalistin Ana Ryue, die u.a. für die Battle-Rap-Plattform „Don‘t Let The Label Label You“ arbeitet. In der lebhaften Diskus- sion wurde klar: Das Genre polarisiert und ist so vielseitig wie seine Protagonisten und Protagonistinnen. Eine wichtige Erkenntnis nahmen aber alle Teilnehmenden von diesem Fachtag mit: Die Szene hat einiges mehr zu bieten, als vielleicht bisher angenommen. Ge- rade deshalb ist das Thema prädestiniert, um – z.B. anhand von Texten oder Videos – mit Jugendlichen und jungen Erwachsenen über Werte, Geschlechterrollen und Klischees ins Gespräch zu gehen. Mit einem Spontanauf- tritt des Münchner Spoken-Word-Artists Waseem Radwan endete der Fachtag. Und seine improvisierte Line „Peace, love und unity – auch im HipHop“ blieb einem auf dem Heimweg im Ohr. Bernhard Rutzmoser, Fachstelle Jungen*/LGBTIQ, KJR Rap ohne Label Beim Fachtag „Sexismus im Rap“ am 23. Oktober diskutierten mitten im Kreativquartier Fachreferentinnen, Künstlerinnen und Künstler und das Publikum über den Zusammenhang von Rap und Geschlecht Bernhard Rutzmoser und Bettina von Hoyningen-Huene begrüßten zum spannenden Fachtag Rege Teilnahme an der Fishbowl-Diskussion

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