K3 No. 5 - September 2019

| 05 | 2019 37 Entwicklungsaufgaben Schwerpunkt Zwischen Anklage und pädagogischer Ahndung: Die Jugendgerichtshilfe agiert im Sinne der Jugendlichen und eines erfolgreichen Erwachsen- werdens. Dass Diversionsverfahren in München so erfolgreich sind, hängt auch mit den vielfältigen Angeboten der Träger zusammen … Judith Krauss: Wir haben einen neunseitigen Maßnahmenkatalog an Weisungen nach § 10 JGG**, die in erster Linie die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der klassischen JGH verwenden und weitestgehend selbst entwickelt haben. Ein Teil dieser Angebote steht auch dem Di- versionsteam zur Verfügung. Auch das ist in Bayern einzigartig. Ohne unseren Ahndungsvorschlag, ohne entsprechendes Angebot könnte das Jugendgericht beispielsweise den sozialen Trainingskurs nicht anweisen. Hier müsste dann die Justizkasse entsprechende Angebote theoretisch selbst bezahlen. Deswegen brauchen sie uns als Partner. Der Stadtrat hat in den vergangenen zehn Jahren drei Beschlüsse verabschiedet, mit denen die JGG-Träger ausgestattet wurden. Wir haben eine Auswahl an sieben verschiedenen Trägern und damit sehr differenzierte und passgenaue Angebote. In anderen Kommunen gibt es vielleicht zwei. Zum Vergleich: Wenn beispielsweise eine Kollegin in Landsberg eine Weisungsbetreuung vorschlägt, dann muss sie es selber machen, weil es keine Träger vor Ort gibt. Diversionsverfahren gelten für den Bereich der Vergehen. Sie haben es in München aber auch mit Verbrechen zu tun … Monika Betz: 75 Prozent unserer Fälle sind im Bereich der Vergehen angesiedelt. Von den 25 Prozent Verbrechen gelten zwei bis fünf Prozent der Fälle als nicht resozialisierbar. Wir haben es mit schwe- ren Sexual- oder Totschlagsdelikten zu tun. Solche Fälle bearbeiten häufig die Kolleginnen des proFit-Teams der JGH. proFit steht für Proper-Sachbearbeitung. Das sind die sogenannten Intensivtäter und Intensivtäterinnen auf der Proper-Liste der Polizei. Die Proper-Liste umfasst aktuell etwa 90 junge Menschen in München. Kammerfälle, das sind Verfahren vor dem Landgericht, bei denen eine Jugendstrafe über zwei Jahre im Raum steht, bekommen die Kolleginnen und Kol- legen erst nach einem Jahr Berufserfahrung und auch höchstens ein bis zwei Fälle jährlich. Wir werden hier mit schwierigsten Biografien konfrontiert. Die Intensivtäter haben häufig keinerlei familiäre Be- ziehungen oder Bezugspersonen mehr. Das sind wirkliche Notlagen. Ich hatte den Fall eines jungen Mannes, der auf der Straße lebte, weil beide Eltern in Haft waren. Der sagte zu mir, dass es ihm in der Haft so gut wie nie zuvor ginge und er fragte mich, was er denn anstellen müsse, um keine Bewährungsstrafe zu bekommen. Da kommt man als Fachkraft an seine Grenzen. Interview: Frank Boos Was gehört für dich zum Erwachsensein? Erwachsensein heißt, Hausaufgaben zu kontrollieren. Mädchen, 9 Foto: R ainer Sturm, pixelio.de

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