K3 No. 5 - September 2019
| 05 | 2019 35 Entwicklungsaufgaben Schwerpunkt Entwicklungsaufgaben aus der Sicht einer jungen pädagogischen Fachkraft Vertrauen und Verantwortung Spielt das Alter pädagogischer Fachkräfte in der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen eine Rolle? Wachsen Vertrauen und Verantwor- tung im pädagogischen Alltag mit dem Lebensalter und den beruf- lichen Erfahrungen? Oder zählen ganz andere Dinge? Das Alter des pädagogischen Teams spielt bei den Aktivitäten kaum eine Rolle – eher Eigenschaften wie Verständnis und Vertrauen. Tamara, Du bist 22 Jahre alt und studierst Soziale Arbeit. Welche beruflichen Ziele verfolgst Du? Ich bin gerade im zweiten Studienjahr und absolviere ein Praxissemester im Tchaka – der erlebnispädagogischen Einrichtung des Kreisjugendring München-Stadt. Zuvor habe ich eine Ausbildung zur Kinderpflegerin gemacht. Ganz genau weiß ich noch nicht, in welche Richtung ich gehen will. Die Arbeit mit Kindern ist insofern sehr spannend, weil man dort Entwicklungsprozesse begleiten und gestalten kann. Was glaubst Du, benötigt man für diese Aufgabe? Vor allem muss man die Problemlagen der Kinder verstehen. Gleichzeitig arbeitet man in einem Team und muss sich mit den Kolleginnen und Kollegen abstimmen. In Kindertagesstätten oder anderen Einrichtungen für Kinder ist kein Platz für Einzelkämpfer. Mir hat bislang geholfen, dass ich sowohl als Ehrenamtliche in der Jugendarbeit als auch in meiner Berufsausbildung praktische Erfah- rungen sammeln konnte, wie man beispielsweise Kinder und Jugendliche anspricht. Ich würde sagen, dass die Zugewandtheit zu den Heranwach- senden sehr wichtig ist. Verstehst Du Dich als Pädagogin oder Freundin der Kinder? Es ist wohl ein Zwischending. Viele ältere Kolleginnen und Kollegen, die mehr Berufserfahrung haben, sind eher Aufsichtspersonen mit einer gewissen Autorität. Ich selbst habe das Gefühl, dass ich mit meinen 22 Jahren näher an der Lebenswirklichkeit der Kinder dran bin. Ich kann deshalb im Umgang mit ihnen viele Dinge ausprobieren, auch wenn nicht immer ein pädagogischer Nutzen dahintersteht. Das Alter der Fachkraft spielt also durchaus eine Rolle in der pä- dagogischen Arbeit … Meiner Erfahrung nach hängt das auch ein wenig von der konkreten Einrichtung ab, in der man tätig ist. Beim Thema Sicherheit gibt es beispielsweise Häuser, die das sehr ernst nehmen. Andere gehen läs- siger damit um. Erstaunlicherweise gibt es auch Fälle, in denen ältere Kolleginnen und Kollegen entspannter bei dieser Frage sind als jüngere. Das habe ich in meiner Tätigkeit im Kindergarten gespürt, wo ich es mit 3- bis 6-Jährigen zu tun hatte. Jetzt im Tchaka ist es ähnlich – dort arbeiten wir hauptsächlich mit 6- bis 14-Jährigen. Stichwort Entwicklungsaufgaben. Als pädagogische Fachkraft muss man auch selbst seine Persönlichkeit ausbilden. Unter Umständen dauert dieser Prozess bis Mitte oder Ende 20. Gleichzeitig bear- beitest Du mit den Kindern deren Entwicklungsaufgaben. Wie geht das zusammen? Ich finde, dass es darauf eine einfache Antwort gibt. Die Kinder und Jugendlichen brauchen von den pädagogischen Fachkräften ein an- gemessenes Maß an Sicherheit. Sie wollen erleben, dass sie autonom handeln können – dabei aber immer eine Art Rückversicherung in uns finden. Wir sind da, wenn wir gebraucht werden. Und das geht auch mit 22 Lebensjahren. Wie erwirbt man dieses Vertrauen bei Kindern und Jugendlichen? Kinder machen hinsichtlich des Vertrauens weniger einen Unterschied danach, wie alt die pädagogische Fachkraft ist. Ihnen ist wichtiger, wie lange man schon in der Einrichtung arbeitet und in welchem Umfang man sich mit den Kindern beschäftigt. Bei den „Neuen“ versuchen sie, die Grenzen des Möglichen zu verschieben, spielen das Team gegeneinander aus. Vertrauen entsteht dann, wenn man Kinder und Jugendliche ver- stehen kann. Das meine ich auch ganz praktisch, beispielsweise bei der Mediennutzung. Wenn ältere Kolleginnen und Kollegen nicht wissen, was „WhatsApp“ ist, finden die Kinder das merkwürdig. Bei Mädchen funktioniert der Vertrauensaufbau auch über Beziehungsfragen, die in diesem Alter entstehen. Da hilft mir mein junges Alter durchaus weiter. Verstehst Du Dich als Vorbild? Eigentlich schon, auch wenn man sich dessen nicht immer bewusst ist. Im Tchaka wird das deutlich, wenn ich auch als Pädagogin Schutzklei- dung bei Aktionen anziehe. Tue ich das nicht, nörgeln unter Umständen auch die Teilnehmenden und wollen die Sachen nicht anziehen. Vermittelt Dir Dein Studium, welche Verantwortung man als Pä- dagogin bzw. Pädagoge im Hinblick auf das Erwachsenwerden der Kinder und Jugendlichen hat? An der Hochschule sagen sie uns, dass man Macht hat in seiner Funktion. Man gibt jungen Menschen Dinge vor. Bewusst oder unbewusst wird man so zu einer Person, die Entwicklungen beeinflusst. Die Frage, die ich mir stellen muss, ist die, ob ich diese Dinge vorgebe, weil sie pädagogisch sinnvoll sind, oder nur, weil es mir aufgrund meiner Position möglich ist. Ich denke übrigens, dass man diese Situation immer im Team und mit den Eltern bzw. der Schule reflektieren sollte. Worin siehst Du den größten Vorteil als junge Pädagogin? Das betrifft unter anderem das Thema sexuelle Orientierung bzw. Vielfalt der Lebensentwürfe. Ältere Kolleginnen und Kollegen sind dabei mitunter verunsichert, was Kinder wissen sollten und verstehen können. Ich denke, dass ich damit offener und unkomplizierter umgehe. Interview: Marko Junghänel Foto: Tchaka Was gehört für dich zum Erwachsensein? Erwachsene sollen nicht arbeitslos sein. Mädchen, 8
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