K3 No. 5 - September 2019
| 05 | 2019 31 Entwicklungsaufgaben Schwerpunkt Tom Droste, Jahrgang 1963: Woodstock in München Was sollte nach dem Willen Deiner Eltern aus Dir werden? Ich bin mit der Erwartung meiner Eltern großgeworden, das Bauun- ternehmen der Familie weiterzuführen. Im Sinne der damaligen Wirt- schaftswachstums-Gläubigkeit war das quasi alternativlos. Wie ging es weiter? Ich habe mich in diesem System nicht wiedergefunden. Die Art Un- ternehmertum war mir fremd, da blieb nur die innere Migration bzw. Rebellion gegen diese vorgefertigten Pläne. Ich stamme aus einem sehr konservativen und patriarchalisch geprägten Haushalt. Der Wandel der Frauenrolle in der Gesellschaft der 1970er Jahre hatte sicher auch zu einem veränderten Selbstbewusstsein bei meiner Mutter geführt, sodass es zur Trennung kam. Es gab viel Unruhe in der Familie. Bist Du durch diesen Konflikt früher erwachsen geworden? 1979 bin ich mit meiner Mutter und der jüngeren Schwester nach München gekommen. Der Ausbruch aus dem Kleinstadtmilieu war eine Befreiung. Mit der ersten Ausbildung mit 17 Jahren bin ich von zu Hause ausgezogen und habe damit ein relativ eigenständiges Leben geführt. Wer oder was hat Dir geholfen, Deinen Weg zu finden? Das Kleinkindalter habe ich gut versorgt und behütet verlebt. In den unruhigen Teenie-Jahren habe ich eher die innere Migration vorgezo- gen. Ganz sicher haben mir auch Jugendverbände wie der CVJM und die Pfadfinder Orientierung gegeben. Meine Jugend in München: Freunde, Musik, Bücher – allen voran Siddhartha –, Friedensdemos, Wackers- Jana Wulf, Jahrgang 1994: Um die Welt mit vielen Fragen Gab es einen Plan, den Deine Eltern mit Deinem Erwachsenwerden verfolgt hätten? Ich hatte sehr viel Freiraum in meiner Kindheit. Bei uns galt darüber hinaus die Devise, dass sich immer eine andere Tür öffnet, wenn sich eine schließt. Ich habe zum Beispiel zunächst Geschichte und Politik- wissenschaften studiert. Nach einem Freiwilligen Sozialen Jahr habe ich gemerkt, dass mich Soziale Arbeit noch mehr reizt und ein zweites Studium begonnen. Was gehört für dich zum Erwachsensein? … dass man sich immer noch kindlich verhält, da man immer noch das Kind ist von seinen Eltern, und diese sind auch noch Kinder! Junge, 16 dorf, Englischer Garten, Theatron – gewissermaßen mein verspätetes Woodstock. Ich fand es großartig. Du bist in den 1970er und 1980er Jahren großgeworden. Eine prägende Zeit? In den 1960er Jahren hatte die Jugend gegen die Alten aufbegehrt. Das wurde bei uns zu Hause beispielsweise nicht thematisiert bzw. abge- lehnt. Ich musste für mich allein rausbekommen, wo ich herkomme und wohin ich will. Aus der anfänglichen Rebellion sind Überzeugungen und Standpunkte geworden. Und das war durchaus typisch für diese Zeit. Du arbeitest mit Kindern und Jugendlichen. Was ist in deren Leben heute anders als zu Deiner Zeit? Damals wie heute verdienen Kinder und Jugendliche Aufmerksamkeit und Anregungen. Sie sind heute aber schwerer zu erreichen, weil die Möglichkeiten vielfältiger geworden sind. Insbesondere ist der Einfluss der Medien zu nennen. In meinem Arbeitsumfeld scheint das eine kri- tische Auseinandersetzung zu verhindern. Kindheit und Jugend haben sich verändert – durch andere Familienbilder, schwindende Sicherheit oder Migrationserfahrungen. Das Konzept Schule ist komplett ins Wan- ken geraten. Wichtig ist deshalb, dass wir Kindern und Jugendlichen verschiedene Bildungszugänge ermöglichen, damit sie ihren Einfluss und ihre Gestaltungsmöglichkeiten konkret erleben können. Interview: Marko Junghänel Tom Droste ist Einrichtungsleiter im RIVA NORD Jana Wulf ist seit 28. Mai 2019 Mitglied im KJR-Vorstand
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