K3 No. 5 - September 2019

| 05 | 2019 29 Entwicklungsaufgaben Schwerpunkt Hinzu kommt in der Altersgruppe der Teenies, dass sie in dieser Zeit in das sogenannte „Nicht-Fisch-nicht-Fleisch-Dilemma“ geraten. Sie fühlen sich zwar oft schon dem Kindesalter entwachsen – ihnen fehlen jedoch Alter und Reife für den Abendbetrieb. Auch dies kann unter Umständen dazu führen, dass sie sich andere Treffpunkte suchen. Bei all den genannten Gründen ist es fast ein Wunder, wenn sich trotzdem Teenies in den Freizeittreff begeben. Welche Möglichkeiten stehen den pädagogischen Fachkräften in der Einrichtung zur Verfü- gung, um solch einer Entwicklung der Entfremdung entgegenzuwirken? Die Antworten scheinen fast banal: Letztlich kommt es darauf an, ob eine Atmosphäre im Freizeittreff geschaffen werden kann, die alle Besucherinnen und Besucher gleichermaßen gern kommen lässt. Ist der Treff ansprechend in seinen Räumlichkeiten? Sind Angebote vor- handen, die sie interessieren? Vielleicht haben sie diese gar im Rahmen partizipativer Prozesse selbst initiiert und gestaltet. Schafft man es, eine persönliche Beziehung zur Klientel aufzubauen? Das klingt alles einfacher, als es in der Praxis tatsächlich ist. Aber dies sind Faktoren, die wesentlich dazu beitragen, dass „weggefal- lene“ Besucherinnen und Besucher zumindest zu bestimmten Zeiten den Kontakt nicht völlig verlieren. Außerdem gilt: Es ist im Prinzip ähnlich wie bei Eltern und ihren Kindern. Mögen sie eines Tages auch das elterliche Haus verlassen, so ist – bei einer grundsätzlich guten Beziehung zueinander – die Möglichkeit einer späteren Rückkehr nicht ausgeschlossen … Alexander Ostermeier, Freizeittreff 103er Obergiesing, KJR Ein Plädoyer für Zugewandtheit ohne Auftrag und Absicht Wider die fürsorgliche Überwachung Betrachtet man die Lebensspanne zwischen 12 und 18 Jahren, so lässt sich durchaus behaupten, dass diese Lebens- und Entwick- lungszeit bestens überwacht und – auch pädagogisch – durchstruk- turiert ist. Pädagogisiert, wie das der Soziologe Janpeter Kob schon in den 1960er Jahren nannte. Nicht nur die tägliche Schulzeit dehnt sich aus, z.B. durch die ganz- tägige Versorgung mit schulischen und betreuenden Maßnahmen. Egal unter welchem Label – auch in außerschulischen Lebensräumen wachsen die angeblich sinnvollen, auf das Leben vorbereitenden Angebote für Jugendliche. Sogar die Jugendpolizei sieht sich pädagogisch gefordert. Dazu gehört natürlich auch der Sport mit den dort im Schnellverfahren pädagogisch ausgebildeten Trainerinnen und Trainern. Musik-, Kunst- und Technikschulen sind ebenfalls dabei, sich um die anscheinend so bildungs- und betreuungsbedürftigen Jugendlichen zu kümmern. Nicht zuletzt die offene und verbandliche Jugendarbeit tragen ihren Teil dazu bei, das Leben der Jugendlichen – natürlich durch pädagogisch ausgebildete Fachkräfte – in die richtigen Bahnen zu lenken und dabei gleich noch ein paar Präventionsaufgaben zu erledigen. Vorsorglich geschützt werden sollen die Jugendlichen vor Alkohol, Sexualität, vor Manchmal ist nur der Himmel die Grenze. Sich unbeaufsichtigt trei- ben zu lassen, bildet und formt junge Menschen. Links- oder Rechtsextremismus, Bewegungsarmut oder vor riskanten Hobbys – je nach Mode. Interessanterweise werden diese Programme entwickelt, werden die politischen Weichen für diese Angebote gestellt und werden diese bedrohlichen Szenarien von 45- bis 65-Jährigen beschrieben, die mit leuchtenden Augen selbst davon erzählen, wie gefährlich, aber unverzichtbar erfahrungsreich ihre eigene Kindheit und Jugend war. Sie sind stolz darauf, wie sie auf Bau- und Ruinengrundstücken, in Wald und Feldern unterwegs waren, wie sie die Stadt erkundeten: „Oh mein Gott, wenn das unsere Eltern gewusst hätten.“ Niemand habe sich darum gekümmert und das aufgeschürfte Knie habe man in Kauf genommen. „Da schau mal, die Narbe.“ Und heute? Kinder bekommen GPS-Tracker oder stellen ihre mobi- len Endgeräte gar selbst so ein, dass sie überall aufgefunden werden können. Die juristische Profession tut das Ihre dazu und findet immer jemand Drittes, der verantwortlich ist, wenn sich ein Kind den Arm oder Knöchel bricht. Fehler machen dürfen Parallel dazu wird eine Elterngeneration von Ängsten umgetrieben, dass ihren Kindern in der gefährlichen und bösen Welt etwas zustoßen könnte, dass sie Opfer von Fremden werden könnten. Dabei lässt sich statistisch nachweisen, dass sich die meisten Übergriffe in pädago- gischen Kontexten, sei es im Sport, in Heimen oder Schulen, ereignen. Vieles von dem geschieht auch im häuslichen Umfeld. Vor allen Dingen sind die Eltern aber besorgt, dass die Jugend nicht genug lernt. Was sind die Folgen der überall lauernden pädagogischen Fürsorge? Ohne Vollständigkeit zu reklamieren im Folgenden einige Befunde: n Das Misstrauen, das der Selbstbildung entgegengebracht wird, schlägt sich in einer mangelnden Erwartung von Selbstwirksamkeit nieder. Diesen Zusammenhang beschreibt bereits die Reformpäda- gogin und Philosophin Maria Montessori beim Umgang mit Kindern. Das gilt genauso für Jugendliche. n Jugendliche, die von Kindesbeinen an überwacht werden, halten die ständige Kontrolle für normal. Sie kennen ja nichts anderes. n Jugendliche tun sich schwer, Selbstverantwortung zu übernehmen, weil im Zweifelsfall immer eine Person da ist, die aufpasst oder Verantwortung übernimmt. n Jugendliche tun sich schwer, selbst für eine Aufgabe Verantwortung zu übernehmen. Es gibt ja immer ein „Backup“. n Jugendliche haben keine Chancen, ein Sensorium für gefährliche Situation zu entwickeln, weil sie immerzu begleitet, überwacht und vor „dem Leben“ bewahrt werden. Was gehört für dich zum Erwachsensein? Zuverlässigkeit Junge, 16 Foto: L upo, pixelio.de

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