K3 No. 5 - September 2019

Dachzeile 28 das kommt | 05 | 2019 Entwicklungsaufgaben Schwerpunk Räume und Gelegenheiten Ein zweites aktuelles Konzept zur Beschreibung der Jugendphase umfasst die drei Kernherausforderungen Qualifizierung, Selbstpositio- nierung und Verselbständigung, wie sie der 15. Kinder- und Jugendbe- richt (Deutscher Bundestag, 2017, S. 49) aus jugendpolitischer Sicht beschreibt. Nach dieser Definition wird das Erwachsenwerden nicht allein durch den Erwerb von Bildungszertifikaten, das Absolvieren einer Ausbildung oder eines Studiums und den Einstieg in den Arbeitsmarkt charakterisiert. Vielmehr ist es zusätzlich gekennzeichnet durch die Herstellung einer Balance zwischen subjektiver Freiheit und sozialer Zugehörigkeit (Selbstpositionierung) sowie verschiedenen Verselb- ständigungsprozessen und einer damit einhergehenden stärkeren soziokulturellen, ökonomischen und politischen Verantwortungs­ übernahme. Selbstpositionierung meint in diesem Kontext einerseits, ein eigenes Wertesystem zu entwickeln. Andererseits wird damit der Prozess beschrieben, einen Platz in der Gesellschaft zu finden. Als Verselbständigung werden häufig biografische Schritte im Leben verstanden, zum Beispiel der Auszug aus dem Elternhaus oder Heirat. Sind die drei Kernherausforderungen des Kinder- und Jugendberichts damit einfach „alter Wein in neuen Schläuchen“ und die Entwick- lungsaufgaben obsolet? Festzuhalten ist, dass beide Konzepte in ihren Inhalten eine deutliche Nähe zueinander aufweisen. Für beide gilt auch, dass Jugend immer von gesellschaftlichen und historischen Rahmenbedingungen geprägt ist und damit das Erwachsenwerden nicht frei von diesen gelebt und beurteilt werden kann. Dabei ist das Jugendalter, wie die Autorinnen und Autoren des Kin- der- und Jugendberichts betonen, immer eine Phase des Nachdenkens, des Innehaltens und des Ausprobierens. Daher kommt es darauf an, das Jugendalter auch „(…) als Zeit der Umwege und Nicht-Linearitäten, der Sprünge und Neuanfänge (wieder) zu entdecken und anzuerkennen“. (Deutscher Bundestag, 2017, S. 71) Hierfür braucht es Freiräume, die die Gesellschaft Jugendlichen zugestehen sollte. Solche Freiräume können verstanden werden als „(…) Auszeiten, Rückzugsorte, Erprobungs- räume, Orte, die nicht mit Leistungszwang und Leistungsdruck sowie Fremdbestimmung verbunden sind“. (Deutscher Bundestag, 2017, S. 50) Dr. Anne Berngruber, Dr. Nora Gaupp, Deutsches Jugendinstitut Entwicklungsaufgaben einer Freizeitstätte Wo sind nur die Teenies hin? Viele Einrichtungen der Offenen Kinder- und Jugendarbeit (OKJA) decken ein Altersspektrum von der Grundschule bis zum Schulab- schluss und/oder der Berufsausbildung ab. Dabei werden oft je eigene Besuchszeitfenster für Kinder, Teenies, Jugendliche und junge Erwachsene angeboten. Bei der Altersgruppe der 11- bis 13-Jährigen ist allerdings immer wieder zu beobachten, dass diese plötzlich der Einrichtung fernbleiben. Selbst langjährige Besucherinnen und Besucher kommen nur noch sehr Vielleicht sind die 11- bis 13-Jährigen nur mal kurz weg und kom- men später wieder zurück in die Freizeitstätte … eingeschränkt oder gar nicht mehr. Die Gründe dafür sind vielfältig und für das pädagogische Personal nicht immer eindeutig zu verifizieren. Dennoch kann auf Erfahrungen zurückgegriffen werden. Demnach sind einige Faktoren besonders hervorzuheben. Der Wechsel von der Grundschule in eine neue Schulform kann als einer dieser Gründe benannt werden. Besucherinnen und Besucher, die beispielsweise ins Gymnasium wechseln, haben zusätzlich zur Neustrukturierung ihres jungen Lebens mit deutlich erhöhten schu- lischen Anforderungen zu kämpfen. Die Angst vor dem „schulischen Abstieg“, sowohl im Gymnasium als auch in der Realschule, lässt viele Eltern mit Argusaugen auf die schulischen Belange und die Nutzung der verbleibenden Freizeit schauen. Einfach nur zum Spielen und Chillen in den Freizeittreff zu kommen, steht nicht unbedingt an erster Stelle. Viele Angebote – viele Optionen Nicht zu unterschätzen ist zudem die Tatsache, dass sich durch verschiedene Umstände der Freundeskreis verändern kann. Haben die Freundinnen und Freunde überhaupt noch Zeit, mit in den Freizeitreff zu kommen? Wurden vielleicht neue Freundschaften geschlossen, be- vorzugt man deshalb nun vielleicht andere Möglichkeiten der Freizeit- gestaltung? Die Peer-Group spielt somit eine wichtige Rolle in diesem Pool der Möglichkeiten. Jedes noch so engagierte und pädagogisch ausgetüftelte Angebot kann ins Leere laufen, wenn sich zwar einzelne Kinder angesprochen fühlen, aber niemanden finden, der dieses An- gebot ebenfalls wahrnehmen will. Was gehört für dich zum Erwachsensein? Man muss Verantwortung tragen. Mädchen, 9 Foto: DBJR, DVD „Blickwinkel“, dieprojektoren agentur für gestaltung und präsentation

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