K3 No. 5 - September 2019
| 05 | 2019 27 Entwicklungsaufgaben Schwerpunkt Entwicklungsaufgaben und Herausforderungen für Jugendliche Erwachsenwerden – aber wie? Ein klassisches Thema der Jugendforschung ist es, zu untersuchen, welche Charakteristika das Jugendalter beschreiben und damit der Frage nachzugehen: Wann ist man eigentlich erwachsen? zugeschrieben, was sich in der Vorstellung von Jugend als (Bildungs-) Moratorium widerspiegelt (vgl. z.B. Zinnecker, 1991). Die Jugend beschreibt damit eine Lebensphase, in der Jugendliche noch nicht in dem Maße Verantwortung tragen, wie dies Erwachsene tun. Sie stehen in der Regel noch nicht im Beruf, müssen ihren Lebensunterhalt nicht eigenständig verdienen, übernehmen noch keine Sorge für eigene Kinder und tragen noch keine volle politisch-gesellschaftliche Verantwortung. Die Jugendphase ist damit auch eine Zeit, in der sich Jugendliche ausprobieren und eine eigene Identität entwickeln sowie selbständiger und unabhängiger von den Eltern werden. Im Jugendalter werden Entscheidungen für den eigenen Lebensentwurf getroffen und zentrale Weichen für das spätere Leben gestellt. Mit dem Prozess des Erwachsenwerdens ist implizit der Gedanke verbunden, dass Jugendliche lernen, zunehmend auf eigenen Beinen zu stehen, für sich selbst und andere zu sorgen, eigene Entscheidungen zu treffen und sich als mündige Bürgerinnen bzw. Bürger und damit Teil der Gesellschaft zu verstehen, um diese mitzugestalten. Damit werden an Jugendliche gesellschaftliche Erwartungen und Anforderungen herangetragen, die sie zu erfüllen haben, um als erwachsen zu gelten und entsprechend wahrgenommen zu werden. Je nach theoretischer Perspektive werden unterschiedliche Konzepte herangezogen, um den Prozess des Erwachsenwerdens zu charakterisie- ren. Eines davon sind die sogenannten Entwicklungsaufgaben. Erstmals taucht dieser Begriff bei Havighurst (1982 [1948]) auf, später auch bei anderen Autorinnen und Autoren. (vgl. z.B. Fend, 2003, S. 160; Hurrelmann, 2007, S. 27f.) Nach Havighurst definieren bestimmte psychosoziale Entwicklungsaufgaben das Wesen des Jugendalters. Diese altersbezogenen Erwartungen an Jugendliche sind von der Ge- sellschaft und den dort herrschenden Normen sowie dem historischen Zeitpunkt, zu dem diese vollzogen werden, abhängig. (vgl. Freund, 2003) In verschiedenen Konzeptualisierungen finden sich deutliche inhaltliche Überschneidungen in der Beschreibung der einzelnen Entwicklungsaufgaben. Zu diesen klassischen Entwicklungsaufgaben gehören die (emotionale) Ablösung von den Eltern, der Aufbau von Partnerschafts- und Peerbeziehungen, die Aneignung einer Geschlech- terrolle, die Entwicklung eines eigenen Lebensstils, der Vollzug von Qualifizierungsschritten in Richtung Ausbildung und Erwerbstätigkeit sowie die Entwicklung eines persönlichen Wertekanons. (vgl. z.B. Quenzel, 2015, S. 238) In diesem Zusammenhang ist auch von Interesse, ob junge Menschen heute anders erwachsen werden als frühere Generationen? Unbestrit- ten ist, dass „Jugend“ inzwischen als eigene Lebensphase verstanden werden kann und nicht nur als eine Zwischenstufe von der Kindheit ins Erwachsenenleben. Der Jugendphase wird damit ein eigener Sinn Erwachsen zu sein bedeutet vor allem, anders zu sein als die Eltern- generation. Literatur n Deutscher Bundestag (2017). 15. Kinder- und Jugendbericht. Bericht über die Lebenssituation junger Menschen und die Leistungen der Kin- der- und Jugendhilfe in Deutschland. Bundestagsdrucksache 18/11050. Berlin. n Fend, H. (2003). Entwicklungspsychologie des Jugendalters. Ein Lehr- buch für pädagogische und psychologische Berufe. 3., durchgesehene Auflage, Opladen: Leske + Budrich. n Freund, A. (2003). Die Rolle von Zielen für die Entwicklung. Psycholo- gische Rundschau, 54(4), S. 233-242. n Havighurst, R. J. (1982 [1948]). Developmental Tasks and Education. New York: Longman. n Hurrelmann, K. (2007). Lebensphase Jugend. Eine Einführung in die sozialwissenschaftliche Jugendforschung. 9., aktualisierte Auflage, Weinheim/München: Juventa. n Quenzel, G. (2015). Das Konzept der Entwicklungsaufgaben. In: Hur- relmann, K./Bauer, U./Grundmann, M./Walper, S. (Hrsg.). Handbuch Sozialisationsforschung. 8. Auflage, Weinheim: Beltz, S. 233-250. n Zinnecker, J. (1991). Jugend als Bildungsmoratorium. Zur Theorie des Wandels der Jugendphase in west- und osteuropäischen Gesellschaften. In: Melzer, M./Heitmeyer, W./Liegle, L. & Zinnecker, J. (Hrsg.). Osteuro- päische Jugend im Wandel. Ergebnisse vergleichender Jugendforschung in der Sowjetunion, Polen, Ungarn und der ehemaligen DDR. Weinheim/ München: Juventa Verlag, S. 9-24. Was gehört für dich zum Erwachsensein? Für mich gehört Verantwortung dazu. Für mich gehört aber auch Freundlichkeit dazu. Mädchen, 14 Foto: P. Hofschlae ge r, pixelio.de
Made with FlippingBook
RkJQdWJsaXNoZXIy Mjk2NDUy