K3 No. 4 - Juli 2019
Dachzeile 26 das kommt | 04 | 2019 Aufwachsen unt r Druck Schwerpunk der Sauberkeitserziehung kommen vor; und das oft, weil Eltern keine Grenzen setzen können oder wollen. Bei den Grundschulkindern zeigen sich neben den sozial-emotionalen Problemen auch kognitive Schwierigkeiten. Häufig treten Lernhem- mungen oder gar Ticks auf, weil die Kinder dem Druck nicht standhalten, etwa ein ausreichend gutes Übergangszeugnis abzuliefern, um aufs Gymnasium wechseln zu können. Einige nehmen dafür sogar Medika- mente wie Ritalin ein. Psychologische Begleitung zählt mittlerweile fast zum Alltag. Von wo oder wem der Druck kommt, ist dabei oft gar nicht klar. Teils von den Eltern oder aus den Anforderungen der Schule resultierend – teils aber auch von Klassenkameradinnen und -kame- raden, Freundinnen und Freunden oder dem Kind selbst. Den meisten Eltern ist gar nicht bewusst, dass ihr Kind unter Stress leidet. Im Grunde sehen wir immer wieder, dass Eltern nur das Beste für ihr Kind wollen. Dabei sind sie oft genug überfordert. Sie setzen Förde- rung oft gleich mit einem vollen Programm zur bestmöglichen Bildung ihres Kindes. Durch Überforderung wird jedoch Lernen gehemmt. Freies Spielen ist Lernen. Da sind sich pädagogische Fachkräfte, Psychologie und Neurologie einig. Das freie Spiel wissen viele Eltern jedoch leider nicht zu schätzen. Aber „Sachen, wie Herumtollen, Rennen, Springen und auch mal Hinfliegen sind enorm wichtig für die Entwicklung von Kindern“ 4 . Natürlich sind unsere Kitas dazu angehalten, ihr Angebot den Vor- stellungen der Eltern anzupassen, weil es gefordert wird. Wir bieten musikalische Früherziehung an, anstatt mit den Kindern zu singen, oder machen mathematisch-naturwissenschaftliche Experimente, statt im Sand zu matschen oder Kuchen zu backen. Im Grunde setzen sich Eltern selbst unter Druck und damit auch ihr Kind. Wenn das Kind auffälliges Verhalten – in welche Richtung auch immer – zeigt, haben sie Entschuldigungen parat. Um Überforderung und Überförderung zu vermeiden, müssen Eltern ihr Kind richtig einschätzen können. Viele können das aber nicht, so Udo Beckmann. Dieser Druck lastet letztendlich auch auf uns, dem pädagogischen Personal in den Kitas. Liebe Eltern: wir wissen, was wir tun und sind gut dafür ausgebildet. Lasst eure Kinder spielen, so viel und so lange es geht! Dabei lernen sie am meisten. Der Druck kommt von ganz allein. Dr. Sandra Pitum und Claudia Seidel, Abenteuerkids Gern, KJR 1 Kinderrechtskonvention von 1989 2 Holger Ziegler: Abstract Stress-Studie 2015-Burnout im Kinderzimmer, wie gestresst sind Kinder und Jugendliche in Deutschland? https:// kinderförderung.bepanthen.de/static/documents/03_Abstract_ Ziegler.pdf 3 www.focus.de/familie/schule/immer-mehr-verhaltensauffaellige- kinder-viele-eltern-sind-heillos-ueberfordert_id_8920193.html 4 www.spiegel.de/panorama/gesellschaft/kinder-unter-leistungsdruck- das-schlimmste-sind-die-eltern-a-792682-2.html Zwischen Klavierunterricht, Kinder-Yoga und Chinesisch-Unterricht bleibt oft kaum Zeit für freies Spielen. Rolle der digitalen Medien „Tom Müller hat auf deinen Kommentar geantwortet.“ Eltern und pädagogisch Tätige begegnen im digitalen Zeitalter den Medien oft genug noch skeptisch. Die entwicklungspsycho- logischen Gefahren sind zwar nicht zu leugnen – die Chancen bei der Bewältigung von Entwicklungsaufgaben jedoch offenkundig. Unter psychologischem Stress verstehen Lazarus und Folkman (1986, S. 63) „[…] eine Beziehung mit der Umwelt, die vom Indivi- duum im Hinblick auf sein Wohlergehen als bedeutsam bewertet wird, aber zugleich Anforderungen an das Individuum stellt, die dessen Bewältigungsmöglichkeiten beanspruchen oder überfordern“. Es geht um Menschen, die sich in für sie wichtigen Situationen befinden und versuchen, diese mithilfe verschiedener Ressourcen zu bewältigen. Digitale Medien sind aus alltäglichen Situationen von Kindern und Jugendlichen nicht mehr wegzudenken. Wo aber sind digitale Medien eine Ursache für Stress? Eines der häufigsten Themen, weswegen Kinder und Jugendliche Bera- tungsstellen aufsuchen, ist das Phänomen Cybermobbing. 34 Prozent der 12- bis 19-Jährigen geben an, dass sie bereits im Bekanntenkreis erlebt haben, dass Personen per Smartphone oder online fertiggemacht wurden. (Feierabend et al. 2018). Sowohl bei Opfern, sogenannten Bystandern (beteiligte Dritte) und Täterinnen und Tätern von Cybermobbing können emotionale und körperliche Belastungen, Scham, Depressionen und Suizidgedanken aufkommen und sozialer Rückzug erfolgen. Zu den Entwicklungsaufgaben, die Kinder und Jugendliche bewältigen müssen, gehört auch die Ausbildung einer eigenen Identität. Durch eine positive Selbstdarstellung in sozialen Netzwerkdiensten kann die Identität gestärkt werden. Die zunächst entwicklungsfördernde Selbstdarstellung im Netz kann aber auch ausufernd stattfinden. Eine bedeutsame Rolle kommt dabei den Vorbildern (Influencer) von Kindern und Jugendlichen zu. Zu unrealistischen Ansprüchen an sich selbst kommt es insbesondere dann, wenn Heranwachsende ihre Vorbilder nicht hinterfragen können und das öffentlich inszenierte Selbst sowie das private Erleben voneinander abweichen. Psychischer, physischer Foto: Helene S ouza , pixelio.de
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