K3 No. 4 - Juli 2019
| 04 | 2019 25 Aufwachsen unter Druck Schwerpunkt schulorganisatorische oder didaktisch-methodische Maßnahmen sind im Unterricht und im Schulalltag möglich und umsetzbar. Bei hyper- kinetischen Störungen beispielsweise kann eine direkte Verstärkung des Zielverhaltens durch die Lehrkraft effektiv sein. Zudem haben sich Strategien der Arbeits- und Lernstrukturierung als wirksam er- wiesen. Die Suche nach hilfreichen Maßnahmen erfordert auch eine Zusammenarbeit im schulischen Team und mit den Eltern. Mit einem lösungs- und ressourcenorientierten Blick sowie Geduld können in kleinen erreichbaren Schritten positive Entwicklungen entstehen. Schulpsychologinnen und -psychologen können Lehrkräfte, Eltern und Kinder/Jugendliche hierbei unterstützen. Zudem sind Früherkennung von psychischen Auffälligkeiten und eine rasche Intervention notwendig. Schulpsychologie kann im Hinblick auf adäquate außerschulische Unterstützungs- und Therapiemöglichkeiten beraten und ggf. zum Abbau von Vorbehalten beitragen. Dabei versteht sie sich als Bindeglied zwischen Schule und außerschulischen Stellen. Wichtige Bausteine sind Sensibilisierung, Aufklärung und Ent-Stigma- tisierung im Hinblick auf psychische Störungen. Auch in der Prävention psychischer Erkrankungen kann Schule ei- nen Beitrag leisten. Studien weisen darauf hin, dass eine emotional unterstützende, engagierte und verantwortliche Haltung der Lehrkraft gegenüber Schülerinnen und Schülern zu weniger störendem Verhalten und internalisierenden Störungen führt. Eine hohe Schulverbundenheit kann das Risiko für depressive Störungen, Ängste, Gewalt und Mobbing senken. Schule kann zudem bei der erfolgreichen Bewältigung von Ent- wicklungsaufgaben des Kindes- und Jugendalters unterstützen: beim Aufbau positiver Beziehungen zu Gleichaltrigen, bei der Ablösung vom Elternhaus sowie der Entwicklung eigener Moral- und Wertvorstellungen (vgl. Rademaker, 2017). Eine frühzeitige Erkennung psychischer Erkrankungen und An- bahnung adäquater Unterstützungsangebote ist wichtig, damit Kinder und Jugendliche ihren Schulbesuch erfolgreich fortsetzen können. Beratung und Unterstützung bieten beispielsweise der Zentrale Schul- psychologische Dienst oder die staatlichen Schulberatungsstellen. Gerlinde Breitschaft, Christian Heuschneider, Gabriele Schmid-Mühlbauer, Zentraler Schulpsychologischer Dienst, Landeshauptstadt München Literatur n DAK-Gesundheit (2018). Präventionsradar. Erhebung Schuljahr 17/18. Kinder- und Jugendgesundheit in Schulen. www.dak.de n DGPPN – Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychothe- rapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde e.V. (2018). Dossier. Psychische Erkrankungen in Deutschland, www.dgppn.de n Fava, G.A. & Sonino N. (2017). From the lesson of George Engel to current knowledge: The Biopsychosocial Model 40 years later. n Fehm L. & Fydrich T. (2013). Ratgeber Prüfungsangst. Informa- tionen für Betroffene und Angehörige. n Hölling H., Schlack R., Petermann F., Ravens-Sieberer U., Mauz E. & KiGGS Study Group (2014). Psychische Auffälligkeiten und psychosoziale Beeinträchtigungen bei Kindern und Jugendlichen im Alter von 3 bis 17 Jahren in Deutschland – Prävalenz und zeitliche Trends zu 2 Erhebungszeitpunkten. n Kieling C., Baker-Henningham H., Belfer M., Conti G., Omigbodun O., Rohde L.A., Srinath S., Ulkuer N. & Rahman A. (2011). Child and adolescent mental health worldwide: evidence for action. n Rademaker A.L. (2017). „Also ich finde, es gibt eigentlich nur Schulstress!“ – Empiriebasierte Implikationen für eine lebens- weltorientierte Praxis schulischer Gesundheitsförderung. n Rathmann K., Herke, M., Hurrelmann K. & Richter M. (2018). Klassenklima, schulisches Wohlbefinden und Gesundheit von Schülerinnen und Schülern in Deutschland: Ergebnisse des Nati- onalen Bildungspanels (NEPS). n Ravens-Sieberer U., Wille N., Bettge S. & Erhart M. (2007). Psy- chische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in Deutschland. Ergebnisse aus der BELLA-Studie im Kinder- und Jugendgesund- heitssurvey (KiGGS). n Ravens-Sieberer U., Otto C., Kriston L., Rothenberger A., Döpfner M., Herpertz-Dahlmann B., Barkmann C., Schön G., Hölling H., Schulte-Markwort M., Klasen F. & The BELLA study group (2015). The longitudinal BELLA study: design, methods and first results on the course of mental health problems. n Schulte-Körne G. (2016). Psychische Störungen bei Kindern und Jugendlichen im schulischen Umfeld. Schon Kinder stehen unter Druck Stress in der Kita In unserem beruflichen Alltag in Kindergarten und Hort erleben wir täglich, wie Kinder sich selbst unter Druck setzen oder gesetzt werden. Dabei sollten Kinder spielen, sie müssen es sogar und zwar unbe- schwert und selbstbestimmt. Das ist essenziell für ihre Entwicklung und zudem qua Gesetz, u.a. in der der UN-Kinderrechtskonvention (Artikel 31) 1 von 1989, vorgeschrieben. Druck entsteht aus verschiedenen Gründen: Durch Überforderung, fehlende Erziehung oder beispielsweise Nichtbeachtung. Die zentralen Faktoren für das Entstehen sind Zeit-, Erwartungs- und Leistungsdruck. Der Mangel manifestiert sich eigentlich immer im sozial-emotionalen Bereich. Die Kinder reagieren mit körperlichen und psychischen Fol- gen. Sie klagen über Bauchschmerzen, sind auffällig gereizt, aggressiv und müde. Ungefähr jedes sechste Kind (18 Prozent) in Deutschland leidet unter deutlich hohem Druck, belegt eine Studie der Universität Bielefeld 2 . Udo Beckmann, Vorsitzender des Verbands für Bildung und Erziehung, verweist auf Zahlen der amtlichen Schulstatistik. Diese besagt, dass der Anteil der Kinder, denen ein besonderer Förderbedarf im Bereich sozial-emotionale Entwicklung bescheinigt wurde, in den letzten Jahren deutlich angestiegen ist. 3 Spielen statt streben Bei Kindergartenkindern wird Druck unter anderem durch ein durch- getaktetes Freizeitprogramm aus Klavierunterricht, Eiskunstlaufen, Ballettschule, Karate-, Tennis- oder Fußball-Training, Vorkurs Deutsch, chinesische oder französische Schule aufgebaut. Dieses Korsett schüt- teln die Kinder im Kindergarten richtiggehend ab. Sie halten sich nicht an Regeln, können nur schwer ruhig sitzen, schreien laut oder weinen heftig. Es kommt zum Schlagen, Schubsen und zu verbaler Aggressi- on. Aber auch Einnässen oder Einkoten bei Druckausübung während
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