Dachzeile 20 das kommt | 01 | 2019 Sexualisierung d r Gesellschaft Schwerpunk eine zentrale Rolle spielen. Wir reagieren im Offenen Treff darauf mit Projekten zum Thema Schönheitswahn und Sexualisierung. Hier geht es hauptsächlich darum, mit den Mädchen und Jungen über Themen wie Frausein/Mannsein, Gleichberechtigung und Vorurteile ins Gespräch zu kommen und sie so in ihrer Persönlichkeit zu stärken. Im Offenen Treff bieten kleinere Interventionen, zum Beispiel ein Aufkleber mit küssendem Batman und Superman auf unserer Theke, immer wieder einen guten Einstieg in Diskussionen. Hier beobachten wir drei Reaktionen. Auf der einen Seite Kinder, die es generell eklig finden, dass sich Menschen küssen. Die Comicfans, die behaupten das würde bei diesen beiden Charakteren nie passieren. Eine dritte Gruppe findet es anstößig, weil sich zwei Männer küssen. Für uns ist es essentiell, im Offenen Treff auf die Sprache der Jugendlichen zu reagieren. Abwertungen werden nicht toleriert. Das gilt natürlich in beide Richtungen, denn nicht nur die bekannten Schimpfwörter wie „Bitch“ oder „Weiber“ werden weiterhin gebraucht. Hinzu kommen abwertende Begriffe für Jungs wie „Fuckboy“ oder „Schwuchtel“. Wir halten es für wichtig, über diese Themen im Gespräch zu bleiben. Deshalb kommt für uns ein generelles Verbot der angesprochenen problematischen Musik nicht in Frage. Auch Kinder werden täglich mit diesen Themen konfrontiert. Sie gehen damit anders um als Jugendliche. Das erfordert von den pädagogisch Tätigen auch andere Reaktionen. Seit zehn Jahren sind Selbstbehauptungskurse für Mädchen und Jungen fester Bestandteil der Arbeit im Freizeittreff Freimann. Inhaltlich setzten sich die Mädchen und Jungen mit den Themen Selbstsicherheit und Selbstbewusstsein auseinander, um den Schutz vor sexualisierten Übergriffen aufzubauen und zu verstärken. Jennifer Otto, Freizeittreff Freimann, KJR Sicherheit für alle Durch die Implementierung von Schutzkonzepten sollen individuelle Maßnahmen und Prozesse für die jeweilige Einrichtung geschaffen werden, um auf drei Ebenen zu wirken. Erstens präventiv, um mögliche Gefährdungssituationen bereits im Vorfeld zu vermeiden. Zweitens, um bei Auftreten von Missbrauch besonnen und professionell reagieren zu können, und drittens, um entsprechende Vorfälle durch Interventionen mit allen Beteiligten aufarbeiten zu können und Wiederholungen möglichst auszuschließen. Durch das Inkrafttreten des Bundeskinderschutzgesetzes im Jahr 2012 wurde die verbindliche Umsetzung von Beteiligungs- und Beschwerderechten von Kindern und Jugendlichen in Einrichtungen der Kinder-, Jugend- und Familienhilfe durchgesetzt, um Kinder und ihre Rechte zu stärken (Wolff et al. 2012). Hiermit wird eine Frage zum Teil beantwortet: Wem helfen die Schutzkonzepte? Für Kinder und Jugendliche schaffen Schutzkonzepte einen sicheren Rahmen und die Möglichkeit der partizipativen Teilhabe durch den Dialog im Alltag. Doch nicht nur für Kinder sind Schutzkonzepte eine Hilfe, sondern auch für die pädagogischen Fachkräfte. Da es bei diesen immer wieder zu Unsicherheiten im richtigen Umgang mit Nähe und Distanz, der eigenen Machtposition sowie im Umgang mit Verdachtsfällen zum Thema sexuelle Gewalt kommt, trägt die Auseinandersetzung um ein einrichtungsspezifisches Schutzkonzept wesentlich dazu bei, einen offenen Dialog mit allen Beteiligten anzustoßen. Durch diesen Dialog und ein gemeinsames Verständnis zum Thema Nähe und Distanz, Umgang mit Grenzen, Kinderrechten, Beteiligung und Beschwerden wird ein „täterfeindliches Klima“ geschaffen. Allein aufgrund der Tatsache, dass Kinder und Jugendliche mit den Fachkräften ein gemeinsames Verständnis von Grenzen und Grenzüberschreitungen entwickeln und offen darüber sprechen können, entsteht ein unverzichtbares Vertrauensverhältnis. Schutzkonzepte und die Diskussion um Sexualisierung der Gesellschaft Hilfen – für wen? Schutzkonzepte sind weniger Ergebnis der Diskussion um Sexualisierung der Gesellschaft als vielmehr ein Umdenken dahingehend, dass Kinder auch in pädagogisch betreuten Institutionen vor physischen, psychischen und sexuellen Übergriffen geschützt sein müssen. Das Bekanntwerden von sexuellem Kindesmissbrauch, wie in der Odenwaldschule, bei den Regensburger Domspatzen oder in kirchlichen bzw. anderen pädagogisch betreuten Institutionen, hat erheblich dazu beigetragen, dass sich Gesellschaft, Politik und die betroffenen Institutionen selbst mit dem Thema intensiver auseinandersetzen und Überlegungen angestoßen wurden, wie Kinder dort besser geschützt werden können. In diesem Zusammenhang wurde der Runde Tisch „Sexueller Kindesmissbrauch in Abhängigkeits- und Machtverhältnissen in privaten und öffentlichen Einrichtungen und im familiären Bereich“ gegründet, um Maßnahmen – etwa ein erweitertes Führungszeugnis – zum Schutz für die Kinder zu erarbeiten. Somit sind Schutzkonzepte, Handlungsempfehlungen und Leitlinien zum Schutz für Kinder in erster Linie als ein Ergebnis dieses Runden Tisches zu sehen. (vgl. RTKM 2011) Nachdem Heranwachsende im Laufe ihrer Kindheit und Jugend immer mehr Zeit in Institutionen verbringen, sich dort wohl fühlen und gesund entwickeln sollen, liegt es im Interesse aller, die Einrichtungen so sicher zu gestalten, dass ein Aufwachsen in entwicklungsfördernder Umgebung ermöglicht wird. Missbrauch ist strafbar und zerstört vor allem physische und psychische Gesundheit. Deshalb sind Schutzkonzept sinnvoll und notwendig. Foto: Rudolpho Duba, pixelio.de
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