K3 No. 6 - September 2018

| 06 | 2018 29 Musik und Feiern Schwerpunkt Magda: Rhythmus und Melodie stecken in jedem Menschen. Irgendwann stellt man sich die Frage, wie man seine eigene Stimme dafür nutzen kann, Gefühle musikalisch auszudrücken. Leider trauen sich Jungs nicht sehr oft, diesem Verlangen nachzugeben. Sie nutzen eher ein Schlagzeug oder die Gitarre. Musik selbst zu machen bewegt sich also zwischen Kopieren und Selbstdarstellung? Benedikt: Meine Erfahrung zeigt, dass es beim Instrument-Lernen schnell gehen muss. Schon nach ein paar Minuten sollen sich Erfolge einstellen. Sonst werden sie ungeduldig. Ich biete mit dem Musikmobil deshalb keine musikalische Früherziehung an, sondern will einen Im- puls setzen, sich vielleicht intensiver mit Musik und dem Instrument auseinanderzusetzen. Magda: Partizipation ist für Jugendliche in dem Zusammenhang ganz wichtig. Ich kann ihnen nicht vorschreiben, welches Instrument sie spielen sollen oder welche Stücke sie einüben könnten. Sie wollen nur das machen, was ihnen selbst gefällt. Wir greifen nur ein, wenn es in den Songs beispielsweise um frauenfeindliche Texte geht, und ermutigen sie dazu, diese Inhalte kritisch zu reflektieren. Thorsten: An mangelnden Partizipationsmöglichkeiten krankt übrigens unser Schulsystem nach wie vor. Wenn ich nicht ernsthaft beteiligt werde, kann ich auch für nichts brennen – auch nicht dafür, ein Musik- instrument erlernen zu wollen. Hat man aber dieses Feuer entfacht, ist es auch möglich, Durststrecken zu überwinden, denn es braucht nun mal Geduld und Übung, Fortschritte zu machen. Mein Anspruch ist der, dass wir die Kinder und Jugendlichen expe- rimentieren lassen und so eine innere Motivation zum Musikzieren herausbilden. Das Ziel besteht nicht darin, berühmte Künstlerinnen und Künstler zu formen, oder? Benedikt: Mich freut es, zu sehen, wie zufrieden die Jugendlichen sind, wenn sie zum ersten Mal einen Ton aus der Trompete rausbekommen. Was danach kommt, ist völlig offen. Thorsten: Für mich ist Kunst – respektive Musik – eine von vielen Spra- chen. Diese Möglichkeit will ich Kindern und Jugendlichen aufzeigen. Was sie daraus machen – darauf habe ich nur bedingt Einfluss. Meist spüren sie aber selbst, welche Möglichkeiten des Austauschs und der Begegnung entstehen können. „Ein Instrument zu erlernen ist zweckfreies Tun.“ Wie steht ihr zu diesem Zitat? Benedikt: Kinder und Jugendliche wollen kein Instrument erlernen, weil sie ihre Feinmotorik verbessern wollen. Es soll ihnen einfach Spaß machen. Magda: Musik hat durchaus einen Zweck. Denken wir etwa daran, dass man singt, wenn man angespannt oder ängstlich ist. Für Heranwach- sende kann es sicherlich auch eine unbewusste Handlung sein. Thorsten: In einer Zeit, in der alles verzweckt ist, finde ich diese These spannend. Es geht mir darum, die eigenen Ausdrucksmöglichkeiten mittels eines Instrumentes zu entwickeln. Zweckfreiheit bedeutet für mich nicht mehr und nicht weniger, als ein Kind auf diesem Weg zu unterstützen. Welche Erfahrungen macht ihr beim Thema Flüchtlinge und Musik? Benedikt: Ich versuche, auf die Bedürfnisse der Kinder und Jugend- lichen einzugehen. Ich habe zum Beispiel kürzlich eine Saz angeschafft, weil sie dieses Instrument von zu Hause kennen und sie diesen Wunsch geäußert hatten. Am eigentlichen Konzept des Musikmobils ändert sich aber nichts. Magda: Kinder und Jugendliche mit Migrationserfahrung gehen meist viel offener an Musik und Instrumente ran. Sie agieren expressiver. Musik ist in ihren Herkunftsländern stärker als bei uns in den Alltag integriert. Ein Instrument zu lernen ist also nicht out? Thorsten: Nein. Es hat auch etwas damit zu tun, sich gegenseitig messen zu wollen, sich auszudrücken und zu performen. Um diesem Bedürfnis gerecht zu werden, bräuchte es eigentlich einen Ausbildungs- schwerpunkt im Studium, der zwischen akademischer Musikausbildung und sozialpädagogischem Handeln angesiedelt sein müsste. Musik als Möglichkeit der (interkulturellen) Begegnung und des persönlichen Ausdrucks. Im Musischen Zentrum verfolgen wir jedenfalls einen solchen Ansatz. Interview: Marko Junghänel Ein Instrument zu erlernen, ist nicht out – braucht aber viel Übung. Neues Konzerthaus – was wünschen sich junge Menschen? Kultur für alle Wo früher Schornsteine rauchten, Kartoffelknödel hergestellt wurden und sich die internationale Clubszene im Kunstpark Ost traf, wird das Neue Konzerthaus München entstehen. Im Stadtbezirk Berg am Laim in der Nähe des Ostbahnhofs soll in den kommenden Jahren das neue Werksviertel Ost weiter ausgebaut werden. Fast 40 Hektar Baugrund stehen zur Verfügung und sollen Platz für bezahlbaren Wohnraum, Arbeitsplätze, Freizeit- und Kulturangebote und eine große Grünanlage schaffen. Im Herzen des neuen Viertels wird das Neue Konzerthaus München stehen. Das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks und die Hochschule für Musik und Theater finden dort ihr Zuhause. Mehr als 15 Jahre lang wurde über ein neues Konzerthaus für München verhandelt. Am Ende legten über 200 Architekturbüros ihre Entwürfe vor – das Büro Cukrowicz Nachbaur aus Bregenz setzte sich schließlich durch und überzeugte die Jury mit einer trapezförmigen Interpretati- on eines Glasbauwerkes. Das Gebäude soll kein „Musiktempel für die Kulturelite“, sondern ein sozialer Ort der Begegnung und Raum zum Lernen bietet. Ein modernes Konzerthaus findet seine Legitimation nicht zuletzt in der Zugänglichkeit für alle. Jugend muss sich heimisch fühlen Dieser Anspruch wirft viele Fragen auf: Wie kann dieses Ziel erreicht werden? Wie gelingt es, das Konzerthaus vor allem für junge Menschen Bild: Burkard Vo g t, pixelio.de

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