K3 No. 6 - September 2018
Dachzeile 28 das kommt | 06 | 2018 Musik und F iern Schwerpunk wurde, hin zu täglicher, nahezu eigenständiger Nutzung und Selbs töffnungen. Zudem werden mittlerweile kaum mehr Beats fremder Künstlerinnen und Künstler, sondern in erster Linie eigene Produkti- onen verwendet. Aber auch Kinder machen inzwischen – pädagogisch begleitet – vom Studio Gebrauch, um lustige Texte aufzunehmen und zu verfremden oder einfache Beats zu erstellen. Darüber hinaus findet in jedem Jahr eine Kooperation mit der benachbarten Grundschule statt. In diesem Jahr etwa wurde passend zum Thema „Bildung für nachhaltige Entwicklung – Wasser“ ein Beat aus selbst aufgenommen Wassergeräuschen erstellt. Über diese Tonspur wurden anschließend eigenständig erstellte Texte gelegt. Erfreulich ist, dass bauliche oder technische Neuerungen meist mit großer Euphorie und Aufbruchsstimmung unter den Nutzerinnen und Nutzern einhergehen. Doch was ist eigentlich für ein erfolgreiches Tonstudio in der Offenen Kinder- und Jugendarbeit notwendig? Natür- lich braucht es eine technische Ausstattung, die den Fähigkeiten der Nutzenden gerecht wird. Anfangs sind dafür ein günstiges Mikrofon und Freeware ausreichend. Doch die beste Technik hilft nicht, wenn es keine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gibt, die das notwendige Grundlagenwissen vermitteln können. Andernfalls gestaltet sich der Einstieg in das Thema Musikproduktion so zäh, dass nur wenige inte- ressierten Besucherinnen und Besucher am Ball bleiben würden. Trotz gegenteiliger Beteuerungen, sie wüssten, was zu tun sei, stehen sie meist vollkommen am Anfang. Am wichtigsten sind selbstverständlich motivierte Besucherinnen und Besucher – und Übung, Übung, Übung … Wer rappen will, aber zu bequem ist, sich hinzusetzen, Texte zu schreiben und diese zu üben, wird auf Dauer keinen Erfolg haben. Im KJT Zeugnerhof übernehmen es mittlerweile die jungen Erwachsenen als ehrenamtliche Workshop-Leiterinnen und -Leiter, das Gelernte an die nächste Generation weiterzugeben. Sollten Selbstöffnungen möglich sein, können sie durchaus helfen, einen kreativen Prozess aufrechtzuerhalten. Für die Zukunft ist eine weitere Verselbständigung des Studiobetriebs aus der Musik-, insbesondere der Rap-Szene, im Münchener Südosten wünschenswert. Auch die durch die Nutzerinnen und Nutzer bereits betriebene Vernetzung mit kreativen Persönlichkeiten aus anderen Disziplinen soll ausgebaut werden. Zudem wäre die Etablierung eigen- ständig organisierter HipHop-Jams mit Fotoausstellung und zuletzt etwa 150 Gästen sicher ein Gewinn für die Einrichtung, ihre Besuche- rinnen und Besucher sowie den umliegenden Sozialraum im Stadtteil. Mathis Höllmann, KJT Zeugnerhof, KJR Auch wenn es recht lässig zugeht – Professionalität im Studio ist ein „Muss“ Alte Kulturtechnik im neuen Gewand „Ohne Musik wäre das Leben ein Irrtum“* Musik kann man heute leichter denn je selbst machen. Eigentlich genügt dafür ein Tablet-Computer. Den Rest erledigt die Software. Geht damit eine Kulturtechnik verloren? Thorsten Paetzold und Magda Prudlo vom Musischen Zentrum und Benedikt Michael vom KJR-MusikMobil berichten. Was bedeutet es für Kinder und Jugendliche, Musik selbst zu machen? Benedikt: Musik – vor allem die, die sie selbst machen – ist eine Ausdrucksform in ihrer gesamten Entwicklung. Magda: Musizieren ist experimentieren. Oft haben Jugendliche dabei eine bestimmte Vorstellung von einem konkreten Musikstück und wie es dargeboten wird im Kopf. Das wollen sie genauso machen. Musik wird ein Teil ihrer Persönlichkeit. Musik also reine Kopie? Magda: Nicht nur. Kinder und Jugendliche wollen auch ein Instrument lernen, um eigene Sachen zu probieren. Thorsten: Im Musischen Zentrum arbeiten wir in Gruppen. In der Gruppe entwickelt sich eine eigene Dynamik zum Musikverständnis und die Songs werden neu interpretiert durch den Charakter der beteiligten Kids und Teens. Spannend! Ein Musikinstrument zu erlernen, steht für ein bürgerliches Ideal. Stimmt diese Behauptung noch? Thorsten: Das hat sich gewandelt. Natürlich gehört es weiter zum guten Ton der Mittel- und Oberschicht, dass Kinder ein Instrument erlernen. Aber auch Heranwachsende aus sozial benachteiligten Gruppen wollen Musik selbst machen. Voraussetzung ist allerdings, dass sie ein für sich passendes Instrument finden bzw. überhaupt einen Zugang bekommen. Hierbei unterstützen wir sie. Benedikt – du bist mit dem Musikmobil in der Stadt unterwegs. Wer kommt zu dir? Benedikt: Ich fahre zu den Freizeitstätten des Kreisjugendrings und mache offene Angebote, bei denen Kinder und Jugendliche oft zum ersten Mal ein Instrument in die Hand nehmen und sich daran versuchen können. In Bezug auf die Instrumentenwahl fallen mir tatsächlich Unterschiede in den verschiedenen Stadtteilen in Mün- chen auf. Überspitzt gesagt: In Bogenhausen lassen viele der Kinder die Geige liegen, weil sie die eh schon kennen. Im Hasenbergl ist die Geige der Renner. Was motiviert Kinder und Jugendliche, ein Instrument erlernen zu wollen? Benedikt: Es gibt einen Anfangsimpuls, weil Musik Kinder und Jugend- liche ja ständig umgibt. Man will den eigenen Idolen nacheifern. Ob man dann aber dran bleibt, ist offen. Magda: Ein Instrument zu lernen, ist nicht out. Pop-Instrumente gehen zum Beispiel immer. Benedikt: Alle Kids schauen heute Youtube-Videos – nicht zuletzt von den angesagten Bands, aber auch Tutorials, wie man zum Beispiel eine kurze Melodie aus einem bekannten Song auf dem Klavier spielt. Das ist ein weitverbreiteter Trend. * Friedrich Wilhelm Nietzsche Bild: KJT Zeugnerhof
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