K3 No. 6 - September 2018

Dachzeile 24 das kommt | 06 | 2018 Musik und F iern Schwerpunk Feierkultur in München Gute Stimmung – ohne Reue Zu teuer, zu uniform, zu kommerziell. Es gibt viele Vorurteile zur Feierkultur in München. Möglicherweise ist es aber genau das Angebot, das sich junge Menschen wünschen? Ein Gespräch mit Kay Mayer, Leiter von ConAction – einer Einrichtung der aufsuchenden Sozialarbeit des Vereins Condrobs. Alles zu kommerziell? Es ist tatsächlich so, dass es nur wenige Orte gibt, die nicht kommer- ziell betrieben werden. Man kann sich kaum irgendwo aufhalten, ohne konsumieren zu müssen. In Berlin, wo es deutlich mehr größere und ungenutzte Flächen gibt, ist das einfacher. Selbst bei der sogenannten Zwischennutzung steckt oft eine Gewinnabsicht dahinter. Sind die Angebote zum Feiern formatiert? Die Clubs auf der Feierbanane bedienen den Mainstream. Man macht unter der Woche zwar an verschiedenen Tagen unterschiedliche Ange- bote – aber das alles bewegt sich entlang eines Massengeschmacks. Zwei oder drei Clubs haben besondere Musik. So etwas wie eine offene Bühne, wo man selbst Musik machen könnte, gibt es meines Wissens nach nur im Cord. Der Rest ist formatiert. Ist das authentische Jugendkultur? Im Feier-Setting bildet sich Jugendkultur ab. Das bedeutet, dass Grup- pen, die in Mainstream-Clubs gehen, darin ja ihre Form von Jugendkultur erkennen. Sie werden zu einem Teil davon. Es kommt weniger auf das Angebot an als darauf, sich wiederzufinden. Der Spirit ist vielleicht ein anderer, als sich Pädagoginnen und Päda- gogen echte Jugendkultur vorstellen. Wann man aus dem Münchner Umland in die Stadt zum Feiern fährt, ist damit mehr verbunden, als nur zu saufen: Man verabredet sich, fährt gemeinsam mit der S-Bahn in die Stadt und bricht damit aus seinem Alltag aus. Das ist auch Ju- gendkultur, weil es das Leben dieser Jugendlichen spiegelt. Verändert haben sich aber durchaus Verhaltensweisen: Teil der Ju- gendkultur war immer schon zu posen – jetzt kommt das Posten dazu. Man will sich zeigen. Es gab in der Vergangenheit auf der Feierbanane immer wieder Ärger. Wie sieht es heute aus? In der Sonnenstraße gibt es kaum noch Stress wegen des Lärms, weil es dort fast ausschließlich Gewerbeimmobilien gibt. Im Brennpunkt steht die Müllerstraße. Der Unterschied zur Feierbanane ist, dass es eine schmale Straße ist, die im Prinzip nie zur Ruhe findet. Das nervt die Nachbarschaft. Man müsste diese Häufung von Clubs, Bars und Lokalen entzerren. Was ist eigentlich Feierkultur? Man beschreibt das am besten, indem man Veränderungen benennt. Feiern hat früher meist in Gruppen stattgefunden. Man hat den ganzen Abend in der Clique verbracht und dabei auch Aufgaben verteilt. Einer musste fahren, ein andere hat die Gruppe zusammengehalten. Heute gibt es deutlich mehr Leute, die in kleinen Gruppen, zu zweit oder ganz allein unterwegs sind. Die Bedürfnisse sind individueller geworden. Im Kern gehört zur Feierkultur bis heute, vom Alltag auszu- spannen, zu trinken, miteinander zu reden oder auch Partnerkontakte zu knüpfen. Gibt es Zielgruppen, die von den Angeboten komplett ausgeschlos- sen sind? Wir können beispielsweise kaum sagen, wie viele Frauen aus dem ara- bischen Raum zu Hause sitzen und gern feiern würden. Es gäbe zwar auch für sie Angebote – zum Beispiel auch die Shisha-Bars. Aber das Problem liegt eher in den Köpfen. Das wird das große Thema in den nächsten Jahren sein: Wie gehen wir im Rahmen der Feierkultur mit Vorurteilen und Klischees um. Was muss sich in München in dieser Hinsicht verändern? Die Angebote müssen entzerrt und noch niedrigschwelliger für be- stimmte Gruppen werden. Es fehlen zum Beispiel Angebote für 16- oder 17-Jährige, die das Feiern „lernen müssen“. Mit 18 gehen sie nämlich „Respekt“ – dann klappt‘s auch mit den Nachbarn … Wie steht es um die Feierkultur in München? Kay Mayer: München ist breit aufgestellt, was die Möglichkeit zum Feiern betrifft. In der Öffentlichkeit werden oft nur die Clubs wahr- genommen – aber es gibt viel mehr. Für viele Menschen gehört das Abhängen an der Isar auch zur Feierkultur. Dann gibt es zahlreiche Bars. Angesagt sind im Moment provisorische und schlichte Locations. Die Konzentration auf Clubs hat wohl was mit dem Ende des Kunstpark Ost zu tun. Seither sind viele solcher Clubs in der Sonnenstraße – der sogenannten Feierbanane – entstanden. Dort ist das Angebot tatsäch- lich nicht besonders vielfältig. Aber es gibt daneben Locations wie den Nussbaumpark oder den Stadtstrand. Kann man die Locations nach bestimmtem Klientel ordnen? Das Publikum überschneidet sich. Die Leute treffen sich an der Isar und ziehen dann weiter. Die Isar ist natürlich niederschwelliger, weil man keinen Eintritt zahlt, es gibt keine Kleiderordnung und keinen Türsteher. Aber die Feierszene durchläuft an einem Abend durchaus mehrere und verschiedene Orte. Bild: Condrobs e.V.

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