K3 No. 5 - Juli 2018

Dachzeile 24 das kommt | 05 | 2018 Heimat Schwerpunk Dialekt in Jugendkultur und Musik „Der Stoff, aus dem mein Rap entsteht“ Spätestens seit das Rapper-Duo „Dicht & Ergreifend“ bundesweit die Hallen füllt, fragt man sich: Wie kommt der Dialekt in diese Art von Musik? Dabei reichen die Wurzeln dieser Bewegung weit zurück. Ein Gespräch mit David Mayonga alias Roger Rekless. Ist die Musik, die du machst, Ausdruck von Heimatgefühlen? Dahinter steckt jedenfalls kein Marketing-Trick! In bairischem Dialekt zu rappen, hat nicht direkt mit Heimatgefühlen zu tun. Die Musik zeigt mich so, wie ich bin. Übrigens gibt es Rap in verschiedenen Dialektformen schon länger. In der Schweiz hat das immer besonders gut funktioniert. In Deutschland und Österreich hingegen haben alle versucht, hoch- deutsch zu rappen – den Dialekt hat man aber immer gehört. Irgendwann kam der Oberpfälzer Rapper BBou und sagte zu seinem Kollegen Liquid: „Was soll das – rapp‘ so, wie du redest.“ Mein erster Track auf Bairisch ist jetzt auch schon 15 Jahre alt. Jetzt wird aber dieses übermächtige Wort Heimat drübergelegt. Dialekt bedeutet Bodenständigkeit? Im normalen Leben spreche ich hochdeutsch, nur mit meiner Mama bairisch. Vielleicht ist das tatsächlich Bodenständigkeit. Die deutschen Kids finden es cool, wenn man bairisch rappt. Sie verstehen zwar nix, ist aber nicht schlimm. Sie sehen mich dadurch als den, der ich bin. Dialekt wird zum Ausschlusskriterium … Man schließt tatsächlich Leute von seiner Musik aus, wenn man einen ausgeprägten Dialekt pflegt. Aber das stört nicht. Beim Rap kommt ja viel dazu, der Beat, die Technik, die Zusammensetzung der Worte … Dadurch erklärt sich die Musik. Wenn ich zum Beispiel amerikanischen Rap höre, verstehe ich alles, weil ich mich darauf einlassen kann. Bands wir „Dicht & Ergreifend“ aus Niederbayern haben plötzlich riesige Er- folge in Berlin – obwohl sie dort fast keiner versteht. Das ist eben die Musik, auf die man selbst und das Publikum Bock hat. Ist Heimat der Stoff, aus dem deine Musik ist? Es ist ein gegenseitiger Prozess. Indem ich über meine Heimat Texte schreibe, bekommt sie für andere ein Gesicht; ein Gesicht, das ich ihr geben will. Heimat ist also ein sehr individuell ausgeprägter Begriff. Andersrum: Die Heimat, wie ich sie erlebe, gibt mir den Stoff, den ich verarbeite. Ich bin gewissermaßen der Mittelsmann – und das finde ich cool. Ich bin in Markt Schwaben aufgewachsen und wohne jetzt seit ei- nigen Jahren in München-Perlach. Ich mag es, verschiedene Kulturen um mich herum zu haben. Gleichzeitig sind der Wald und die Natur nahe. Markt Schwaben und Perlach sind beide irgendwie Heimat, weil sie sich in diesen Dingen ähneln. Aber ich könnte diese Sachen auch an anderer Stelle finden – in Kanada zum Beispiel. Dann würde ich dort meine Heimat haben. Verstehst du dich als Botschafter deiner Heimat? Auf jeden Fall. Es geht darum, ein modernes und persönliches Bild von Heimat zu zeichnen. Kein Reisebericht; eher will ich meine Sicht- weise auf Heimat vermitteln. Der Rapper David P hat früher mal über den Münchner Goetheplatz gerappt. Das ist seine Heimat. Wir fanden die Musik so cool, dass wir dachten, wir müssen uns unbedingt diesen tollen Goetheplatz ansehen. Leider waren wir davon dann ziemlich enttäuscht. Aber er hat uns neugierig auf seine Heimat gemacht. Heimat – nur ein Ort? Da kommt mehr zusammen. Heimat ist das, wo ich mich wohl genug fühle, um zu bleiben. Wenn ich mich hier nicht mehr wohlfühlen würde, weil es zum Beispiel immer mehr AfD- und Pegida-Typen gibt, würde ich diesen Ort verlassen, um anderswo eine Heimat zu finden. Aber da spreche ich nur für mich. Jeder legt Heimat anders aus. Für mich ist meine Wohnung, meine Straße, mein Viertel Heimat, weil ich mich dort aufgehoben fühle. Je größer und abstrakter die Dimension von Heimat wird, desto verwaschener wird der Begriff. Du hast in Island oder auch Australien gearbeitet. Wie sieht man dort den Begriff Heimat? Es macht einen Unterschied, ob man sich in Europa oder außerhalb davon bewegt. Heimat hat in europäischen Städten, in denen ich war, weniger eine Rolle gespielt. In afrikanischen Ländern hingegen ist man sehr darauf fixiert und betont seine Herkunft. Während meiner Reisen quer durch Afrika habe ich allerdings auch etwas Merkwürdiges erlebt. Als Sohn eines kongolesischen Vaters wurde ich dort nicht als Afrikaner wahrgenommen, sondern als Ausländer, obwohl ich eine dunklere Hautfarbe habe. Ich habe dadurch gespürt, wie stark ich deutsch und bayerisch geprägt bin. Ist der Umgang mit dem Wort Heimat heute entspannter als vor einigen Jahren? Ich und meine Musiker-Freunde würden nie sagen, dass sie stolz auf ihre Heimat sind. Wir sagen, was für uns speziell cool an dieser Heimat ist. Der Umgang mit dem Wort war sogar früher entspannter. Erst die völkischen Vollidioten haben dem Begriff wieder einen merkwürdigen Beigeschmack gegeben. Wir halten mit der Musik dagegen. Hand aufs Herz: Braucht es ein Heimatministerium? Wofür soll das gut sein? Man brauchte vielmehr Inhalte, die diese Heimat ausmachen – Kultur zum Beispiel. Also muss man Kultur fördern und stärken. Dazu braucht es kein Heimatministerium. Kein Minister kann meine individuelle Heimat verstehen, außer – er trifft sich mit mir und ich erzähle ihm davon. Das ist dann Musik-Kultur. Interview: Marko Junghänel Roger Rekless: „Heimat ist dort, wo meine Musik entstehen kann“ Foto: Marcel A Vie Photography Was bedeutet für Dich Heimat? » Das Wort Heimat spielt für mich keine wesentliche Rolle, da ich jeden Ort zu meiner Heimat machen kann. « Andrei, 20 (pfiffTEEN)

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