K3 No. 5 - Juli 2018

| 05 | 2018 21 Heimat Schwerpunkt Heimat. Stadt. Aus Liebe zu München Der Monaco Franze und die ewige Wahrheit 2013 führte ZEIT-Chefredakteur Giovanni di Lorenzo ein Interview mit dem Filmemacher Helmut Dietl und stellte fest: „[Die Serie] Monaco Franze ist alleine in diesem Jahr im Bayerischen Fernsehen zweimal wiederholt worden, mit guten Einschaltquoten.“ 1 Dietl, der Regisseur aus Schwabing, der das Stadtleben beobachtet hat wie kaum ein anderer, hat darauf geantwortet: „Ich kann Ihnen auch sagen, warum: Ich habe diese Serie aus Liebe gemacht. Aus Liebe zu der Figur, zu diesem Milieu, auch zu München natürlich. Nicht ohne Grund ist das Ganze in Los Angeles entstanden, wo ich von 1979 bis 1983 gelebt habe. Ich habe den Monaco Franze quasi aus Heimweh erfunden.“ 2 Ob es die Welle am Eisbach ist oder die Ortstafel am Ende der Auto- bahn, in München gibt es viele Anknüpfungspunkte, an denen sich ein Gefühl von Zugehörigkeit festmachen lässt. Das können Orte sein und Situ- ationen. Oft geht es um die Verbindung zu anderen Menschen. Erlebnisse und Erinnerungen fließen ein, wenn etwas als Heimat empfunden wird. Es sind die Brezen, die ich vermisse, sagt ein afghanischer Münchner, wenn ich einmal nicht zu Hause bin. Wie die Kulturanthropologin Ina-Maria Greverus meint, geht es zuallererst um Vertrauen und Sicherheit. 3 Heimat ist das, was nicht hinterfragt werden muss, solange es selbst- verständlich ist. Heimat ist immer individuell. Es gibt Gemeinsamkeiten mit anderen, es gibt Schnittmengen, die mich Verbundenheit spüren lassen. Es versichert mich, wenn ich mich in meiner Stadt bewege, wenn ich surfe, wenn ich feiern gehe, bekannte Gesichter auf der Straße zu sehen. Heimat ist dort, wo ich das machen kann, was mir entspricht. München bietet viele Möglichkeiten, auch wenn immer wieder ausge- handelt werden muss, wie das gute Leben in der Stadt auszusehen hat. Stadt. Räume Dabei wird oft infrage gestellt, ob Zugehörigkeit und Großstadt überhaupt zusammengehen können. Das Urbane ist verbunden mit der Wahrnehmung von Anonymität. Das Leben auf dem Land scheint romantischen Vorstellungen viel mehr zu entsprechen. Ein Gefühl hat aber nichts damit zu tun, ob etwas als schön oder als hässlich gilt. Großstädte sind gekennzeichnet durch Überlagerungen. Eine Stadt ist immer Heimat für viele. Der kanadische Journalist Doug Saunders be- fasst sich in seinem Band „Arrival City“ mit Bewegungen von Menschen auf der ganzen Welt. 4 Mehr als 50 Prozent der gesamten Bevölkerung lebt 2018 in Städten. Ein Kommen und Gehen ist selbstverständlich in einer Stadt. Das Lokale, die Verbundenheit mit einer Stadt wie München, ist etwas, das Identität stiften kann. Unter dem Label „Franz Münchinger. Aus Liebe zu München.“ gibt es Heimatbilder zu kaufen, T-Shirts mit München-Prints, dem Eisbach, dem Monaco Franze oder „1158“, dem Gründungsjahr der Stadt. 5 Jeder Mensch, egal, wo sie oder er herkommt, hat viele Bezüge, die je nach Lebensweg zusammenspielen, wenn es um solche Fragen geht. Die Stadt bietet sich an, eine Heimat der Zukunft zu sein. Das Urbane zeichnet sich dadurch aus, dass viele Menschen mit unterschiedlichem Hintergrund gleichzeitig zusammenleben, neben-, ganz oft aber auch miteinander. Jede und jeder kann hier eine oder mehrere Gruppen finden, denen sie oder er sich zugehörig fühlt. Auch das ist sinnstiftend, schafft Vertrautheit, Geborgenheit und lässt vor diesem Hintergrund wieder Aktivität zu. Heimat ist Bewegung, nicht Stillstand, nicht Nostalgie. Zukunft der Heimat Franz Münchinger alias Monaco Franze, vielfach verbunden mit der Stadt, soll am Ende der Serie ins Ausland gehen. Was folgt, ist der totale Absturz. Der drohende Verlust der Heimat wirft ihn aus der Bahn. Ohne seine Stadt sieht der Monaco Franze keine Zukunft. Bevor er auf die Bermudas zieht, verbringt er seinen Lebensabend noch lieber „in einem Altenheim am Luise-Kiesselbach-Platz“ 6 , wie er sagt. Wenn Wohnraum unerschwinglich und damit ein Leben in der Stadt nicht mehr möglich ist, wird das auch verändern, wie München als Heimat wahrgenommen wird. Der Zugang bleibt vielen bereits verwehrt. Bulgarische Arbeiter etwa leben auf der Straße, weil niemand an sie vermieten möchte. Andere setzen alle Hebel in Bewegung, um doch noch eine Wohnung zu finden. Um über 100 Wohnungen habe er sich in den vergangenen Monaten bemüht, hat kürzlich jemand erzählt. Eine Geschichte, die sich tausendfach wiederholt und die ganze Gesellschaft angeht. Das Grundprinzip, nach dem die Stadt funktioniert, ist ein solida- risches Modell. Die Lebensqualität steigt für alle, wenn es möglichst vielen gut geht. In einer Stadt wie München zuhause zu sein, ist ein Privileg, das grundsätzlich allen offen steht. Mit ihren Ideen und In- teressen machen die verschiedenen Bewohnerinnen und Bewohner die Stadt aus. In diesem Sinn ist die Diskussion – auch um das Wohnen – eine Debatte, die danach fragt, ob Heimat nicht nur mit Gestaltung zu tun haben, sondern auch als Verantwortung aufgefasst werden muss. „Wo ist das Leben noch lebenswert?“, lautet der Titel von Helmut Dietls „Monaco Franze“ Folge 9. Simone Egger, Institut für Kulturanalyse, Alpen-Adria-Universität Klagenfurt Weggehen kam für ihn nie in Frage. Die Stadt war seine Heimat – und seine Bühne. Foto:Martina Rogler, Evangelische Studierendengemeinde, LMU München 1 www.zeit.de/2013/49/interview-regisseur-helmut-dietl-krebs/seite-4, (17.6.2018). 2 www.zeit.de/2013/49/interview-regisseur-helmut-dietl-krebs/seite-4, (17.6.2018). 3 Greverus, Ina-Maria (1979): Auf der Suche nach Heimat. München 1979. 4 Saunders, Doug (2011): Arrival City. München. 5 Vgl. https://www.franzmuenchinger.de/online-shop/, (17. Juni 2018). 6 www.br.de/br-fernsehen/sendungen/monaco-franze/wo-ist-das-leben- noch-lebenswert-100.html, (17. Juni 2018). Was bedeutet für Dich Heimat? » Heimat ist für mich dort, wo man sich wohlfühlt. « James, 12 (Abenteuerspielplatz ABIX)

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