K3 No. 5 - Juli 2018

Dachzeile 20 das kommt | 05 | 2018 Heimat Schwerpunk Typisch münchnerisch?! San mia wirklich nur mia? Was ist eigentlich typisch für München, die heimliche Hauptstadt Deutschlands? Seit wann ist es das und warum? Diese Fragen stellte sich unter anderem das Stadtmuseum München anlässlich des 850. Stadtgeburtstags und beantwortete diese kurzerhand mit einer neuen Dauerausstellung. Seit 1918 ist München offiziell die Hauptstadt des Freistaats Ba- yern. Mit rund 1,5 Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern liegt die Landeshauptstadt München auf Platz drei der Liste der Großstädte in Deutschland gemessen an Einwohnerzahl und Fläche. In dieser Zeit haben sich neben einer Vielzahl von Bars, Clubs, Baustellen und Fahr- rädern auch zahlreiche Synonyme für München etabliert: Hauptstadt der Bewegung, Universitätsstadt, Millionendorf, Weltstadt mit Herz, Politikstadt, Medienstadt, heimliche Hauptstadt usw. Doch was zeichnet diese Stadt wirklich aus? Was folgt, ist der Versuch einer Landpomeranze aus dem Chiemgau, dieses Typische auf- und auszuarbeiten. Typisch München: die Biergärten München und seine Biergärten. Sie sind aus der bayerischen Lan- deshauptstadt nicht mehr wegzudenken. Egal, ob im Königlichen Hirschgarten, am Chinesischen Turm im Englischen Garten oder im Augustiner Keller an der Hackerbrücke. Es gibt keine Ecke, in der man nicht auch in unmittelbarer Nähe einen Biergarten finden würde. Die Kapazitäten reichen dabei von Platz für ein paar Hundert Bierliebha- berinnen und Bierliebhabern bis zu mehreren Tausend Sitzplätzen. Die familienfreundlichsten Varianten sind sogar mit Spielplätzen und Kinderbetreuung ausgestattet, damit Mama und Papa in Ruhe ihre Mass Bier auf Instagram posten können. Schließlich müssen Freundinnen und Freunde darüber informiert werden, dass man gerade gemütlich im Biergarten sitzt. Gäste aus aller Welt strömen in Scharen in Richtung Bierbänke: Touristen, Fußballfans, Schulklassen, Kaffeefahrten. Sie alle wollen einen der begehrten Plätze ergattern. Typisch München: die Isar Dann wäre da noch die Isar. Der wunderschöne Fluss, der im Karwen- delgebirge entspringt und sich seinen Weg bis zur Donau bahnt, um dann ins Schwarze Meer zu fließen. Auf ihrem Weg dahin durchquert sie die Landeshauptstadt von Südwesten nach Nordosten. Für Münchnerinnen und Münchner erfüllt sie laut Website der Stadt eine wichtige Funktion: nämlich die des „städtischen Erholungsraums“. Schau’n wir mal nach … Zwengs der Erholung tummeln sich entlang des Flusses gefühlt eine Million Menschen mit ihren Tieren, sobald sich im Frühjahr die ersten Sonnenstrahlen am Himmel zeigen. Dank der Stadtpolitik gibt es nicht zu viele Regeln und Einschränkungen. Das ermöglicht Grill-Partys und ausgelassenes Feiern an vielen verschiedenen Stellen. Das Aufräumen am nächsten Tag übernimmt sowieso der Abfallwirtschaftsbetrieb München. Die „Nicht-Grillen-Baden-Bootfahren-Zonen“ allerdings halten für alle Naturliebhaberinnen und Naturliebhaber die eine oder andere Strecke für einen ausgedehnten Erholungsspaziergang bereit. Typisch München: die Kontraste In keiner deutschen Großstadt herrscht eine derart greifbare Ambi- valenz, eine so große Zwiespältigkeit, wie das in München der Fall ist. Wo sonst treffen Business und Festrausch, Prosecco und Weißwürste, Weltoffenheit und Polizeipräsenz mit dieser ungebremsten Wucht aufeinander. Das Oktoberfest brüstet sich damit, ein Volksfest mit Tradition zu sein. Dirndl und Lederhosen werden vor Ort mit wildesten Kombinationen modernisiert. Im Käferzelt schlürft man dann noch für teures Geld ein bisschen Champagner, um auf dem Hang zu Füßen der Bavaria ein abschließendes Nickerchen zu halten. Bereits Thomas Mann, der über 39 Jahre in München gelebt hat, war bis zu seinem Tod geteilter Meinung: München war für ihn auf der einen Seite der Inbegriff einer nichtliterarischen Stadt mit „banalen Wei- bern“ 1 . Auf der anderen Seite aber schaffte sie es doch, Künstlerisches und Geistiges zu verbinden und so an der Spitze der Welt zu stehen. Anna Demmler, Öffentlichkeitsarbeit, KJR München wie aus dem Katalog – aber die Stadt hat durchaus mehr zu bieten 1 https://litos.wordpress.com/2009/06/22/thomas-mann-und-munchen/, Zeile 40 Foto: Michael Graber Was ist Heimat für Dich? Ich lese „Faust“, gehe zur Oper und mache Führungen im Bayerischen Nationalmuseum. Wenn man seit 17 Jahren Flüchtling ist, ver- steht man, dass „Heimat“ viel mehr ist als nur ein Stück Land. Du lernst als Kind ein Land zu lieben und trotzdem zu verlassen. Ich wünschte, es wäre einfach. Man würde eine Anzeige in einer Zeitung oder in einem Magazin schalten mit dem Titel „Ich suche nach einer (neuen) Heimat“. Früher oder später würde sich jemand melden und sagen, dass er oder sie eine neue Heimat für mich hätte. So ist es aber nicht. Selbst wenn man sich festlegt, wo das neue Zuhause sein soll, gibt es tausende Hürden, die man überwinden muss. Wenn man endlich dort angekommen ist und auch das BaMF (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge) seine Zustimmung gibt, beginnt das heimaten: Aus dem neuen und noch fremden Umfeld ein neues Zuhause zu formen, wo man die Tür zumachen kann und sich sicher fühlt. Ein Prozess, der viel Zeit braucht und noch mehr Geduld. Ich bin Zahra. Mein Name ist arabisch. Ich bin im Iran aufgewachsen, in Afghanistan geboren. Ich bin aber keine Afghanin, weil ich eine Hazara bin. Nun wohne ich seit fünf Jahren in Deutschland. Ich habe vor ein paar Wochen mein Abi geschrieben. Bald werde ich studieren und meinen deutschen Pass beantragen und vielleicht einen Ort haben, den ich Heimat nennen kann. Zahra A., heimaten-Jugend

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