K3 No. 4 - Juni 2018

| 04 | 2018 12 das kommt das war Aktive Personalentwicklung als Fluktuationsbremse In der Wirtschaft wird bereits umgedacht*. Konzepte „für die Auswahl, Bewertung, Entwicklung und Förderung von Ta- lenten“, die organisatorische Pro- bleme nicht Einzelnen anlasten, son- dern diese auch in einem „schlecht gestalteten und ineffizient verwal- teten System“ verorten, stehen im Fokus. Das (Betriebs-)System selbst muss „neues Verhalten fördern und ermöglicht dadurch Lerneffekte und bessere Effek- tivität“ (S. 35). Es geht im- mer deutlicher um „Talent- management“, das in den „strategischen Kontext“ gestellt wird. Das System prägt die Mitarbeitenden Die 2015 von US-Firmen für Fortbildung investierten 356 Mrd. Dollar haben laut Untersuchungen nicht den gewünschten Effekt gehabt. Was die Mitarbeitenden „über Teamwork und Zusammenarbeit gelernt hatten, war im täglichen Ge- schäft nicht umzusetzen“ (S. 32). Wenn die Betriebsspitze autoritär führt, übernehmen das die Mitarbeitenden trotz ansprechender, auf Mitbestimmung und Kooperation zielen- der Fortbildung später wieder in ihren beruf- lichen Alltag. Denn alle Führungspersonen müssen den „neuen Stil“ vorleben. Erst muss sich das Unternehmen als Struktureinheit verändern, dann folgen die Mitarbeitenden. „Das System prägt den Einzelnen mehr als der Einzelne das System“ (S. 33). Eine Untersuchung hat gezeigt, dass Top-Leute, an einen anderen Standort ge- setzt, nicht wieder die gleiche Leistung erbringen, als wenn sie ihr gewohntes Team mitbringen. „Wer ein lernfreundliches Um- feld schaffen will, muss dafür sorgen, dass es in jedem Bereich fruchtbaren Boden gibt“ (S. 37). Auf dieses authentische Setting sind dann weitere Instrumente der Personalfüh- rung auszurichten, z.B. das Mitarbeiter/ innen-Gespräch. Hier fehlt oft „entwick- lungsbezogenes Feedback.“ Karriereleiter oder Karrieregitter? Bewertet wird gerne die Vergangenheit, Ziele sind zuweilen starr und entsprechen kaum der Flexibilität, mit der während des Jahres kreativ und spontan auf attraktive Projektentwürfe reagiert werden könnte. Das Abarbeiten von Fragebögen soll zwar alle relevanten Bereiche der Arbeitsbeziehung ansprechen. Dabei entsteht aber eine wenig aussagekräftige administrative Mechanik. Der US-Konzern AT&T hat eine On- line-Plattform zur Karriereplanung aller interessierten Mitarbeitenden erstellt. Hier können gezielte „Karriereentscheidungen“ getroffen werden (S. 58) Und die klassische Karriereleiter wird durch das „Karrieregitter“ Talente fördern und fordern Die „Betriebe“ Sozialer Arbeit stehen im Bemühen, neues akademisches Personal anzuwerben und dieses auch an die Organisationen zu binden. Eine Sisyphos-Aufgabe: der Wunsch nach einer kooperativen Betriebskultur unter Berücksichtigung von Individualität im Gegensatz zu einer den ökonomischen Umständen geschuldeten Realität direktiver Top-down-Führung ersetzt, in dem berufliche Flexibilität nach allen Seiten möglich ist (S. 60). Das bindet Mitarbeitende an ihre Organisation. Ich selbst habe ein Unternehmen besucht, in dem der Durchschnitts- wert einer statistisch zu erwar- tenden Fluktuation der einzel- nen Mitarbeitenden errechnet wird und zum entsprechenden Datum dann die Fachkraft einbestellt. Um mit ihr ein Planungsgespräch unter Vor- stellung aktueller attraktiver Beschäftigungsmöglichkeiten im Betrieb, auf der Basis der bekannten Stärken und Talente zu führen. Individuelle Stärken wirksam machen Die Personalentwicklung wandelt sich hier von einer anzufragenden Service- stelle zu einer aktiv an das Personal he- rantretenden Karriereschmiede. Es werden gezielt Möglichkeiten referiert, um die Fluktuationsrate zu senken und durch diese Form punktgenauer individueller Förderung die Motivation zu steigern. Und es funktioniert. Mit dem Personal darf nicht nur über stan- dardisierte Formulare kommuniziert werden. Man muss es im bedarfsgerechten Gespräch individuell entwickeln und pflegen. Die individuellen Stärken dürfen nicht als Widerstand und Hindernis wahrgenom- men werden. Es gilt sie zu einem kreativen Betriebskapital zusammenzufassen und zur Motivation aller wirksam zu machen. An diesen Maßstäben werden sich auch die groß- en „Betriebe“ der Sozialen Arbeit künftig messen lassen müssen, wenn sie attraktive Arbeitgeber sein wollen. Heiko Neumann, Intermezzo, KJR * Harvard Business Manager, November 2016, S. 32 ff. Diverse Autoren

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