K3 No. 4 - Juni 2018
| 04 | 2018 10 das war Sowohl die Bayerischen Staatsministerien für Unterricht und Kultus sowie Soziales als auch das Referat für Bildung und Sport (RBS) der Landeshauptstadt hatten das Modellprojekt gemeinsam entwickelt und im Vorfeld sehr kurzfristig mit Vertreterinnen und Vertretern von Trägern und Verbänden diskutiert. Die Zeit bis zum Start des Projekts, das die Münchner Arbeiterwohlfahrt zusammen mit der Grundschule am Pfanzeltplatz in Perlach durchführen wird, ist knapp bemessen. Schon im September soll es mit den ersten Klassen starten. Angeboten werden zwei Varianten: die gebundene Ganztagsschule, die von Montag bis Donnerstag bis ca. 15.30 Uhr und freitags bis mittags dauert. Zusätzlich können Eltern die sogenannten Rand- zeiten von 15.30 bis 18.00 Uhr, den Freitagnachmittag und auch Ferienbetreuung hinzubuchen. Möglich wird dies, da es an der Schule auch ein Tagesheim (Hort in der Schule) gibt, das die klassische Halbtagsschule, die ebenfalls angeboten wird, ergänzt. Auch dieses Angebot kann von den Eltern gebucht werden. Außerdem ist es nach wie vor möglich, dass Kinder nach der klassischen Halbtagsschule nach Hause gehen. Ziel ist, den Eltern eine Garantie für die Ganztagsbetreuung der Schülerinnen und Schüler zu geben, wie sie ab dem Jahr 2025 bun- desweit gesetzlich gelten soll. Dieser Anspruch wird sich nach dem Koalitionsvertrag der Bundesregierung dabei nicht gegen die Schule, sondern gegen die Kommunen richten. Es ist grundsätzlich positiv zu bewerten, dass Stadt und Freistaat eine gemeinsame Vorgehensweise in dieser wichtigen Frage anstreben. Bisher war der Eindruck entstanden, dass der „Schwarze Peter“ der Finanzierung hin und her geschoben wurde. RBS und die beiden Ministerien haben die Träger der Jugendhilfe – trotz Terminknappheit – vor der Befassung im Kinder- und Ju- gendhilfeausschuss intensiv in die Beratungen eingebunden. Es gab mehrfach die Gelegenheit, Anregungen zum Konzept einzubringen, die zum großen Teil aufgenommen wurden. Das Papier befindet sich weiterhin in einer Entwicklungsphase. Räume In den „Bayerischen Leitlinien für die Bildung und Erziehung von Kindern bis zum Ende der Grundschulzeit“ wird die Pluralität der Bildungsorte betont. Es muss auch künftig darauf geachtet werden, dass Kindern, neben den zentralen Bildungsorten Familie und Schule, weitere Lern- und Erfahrungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen. Die Aussage, dass das Schulgelände den Mittelpunkt der Kooperativen Ganztagsbildung bildet, ist daher kritisch zu betrachten. Konkret bedeutet das, dass die bestehenden Horte nicht aufgege- ben werden dürfen. Die Kinder finden dort Räume und Strukturen vor, die ihren Bedürfnissen entsprechen. Die im Konzept angespro- chene „Doppelnutzung von Klassenzimmern“ kann in den meisten Schulen nicht angewandt werden, weil diese Zimmer nicht mit Horten verglichen werden können. Dazu kommt, dass der Raum zwischen Schule und Hort nicht auf mögliche Gefahrenquellen (z. B. im Straßenverkehr) reduziert werden darf, sondern auch ein Lern- und Erfahrungsraum ist. Insbesondere in den Ferien ist es bedenklich, wenn Kinder wieder in die Schule gehen müssen, um dort an einem Ferienangebot teilzunehmen. Versicherungstechnische Problemstellungen dürfen hier nicht vor pädagogischen Zielen stehen. Kinder brauchen Räume und Gelegenheiten, um Erfahrungen mit Gleichaltrigen machen zu können. Ihnen muss zudem die Mög- lichkeit zum Rückzug geboten werden. Kinder benötigen deshalb überschaubare Einheiten, um die Balance zwischen Sicherheit und Geborgenheit einerseits und der Entwicklung von Selbstvertrauen und Selbständigkeit in der Gruppe andererseits erlernen zu können. Das Konzept einer Bildungslandschaft im Stadtviertel bedeutet nicht die Konzentration des Geschehens an einer Schule, sondern die Einbeziehung weiterer Orte. Pädagogische Konzeption Was sollen Kinder in der Kooperativen Ganztagsbildung lernen? Was den schulischen Kontext angeht, ist dies in Curricula geregelt und wird überprüft. Die erwähnten Leitlinien für die Bildung und Erziehung bieten bei entsprechender Handhabung darüber hinaus eine geeignete Grundlage für die gemeinsame Erarbeitung eines pä- dagogischen Konzepts zur Ganztagsbildung. Hier wird von Bedeutung sein, dass der außerschulische Partner seine Fachlichkeit im Bereich der Verselbständigung und Selbstpositionierung von Kindern zum Tragen bringt. Der Partizipation der Kinder im Alltag der Kooperativen Ganztagsbildung kommt dabei zentrale Bedeutung zu. Fachkräfte Bei den Fachkräften gibt es neben den Räumen das größte Problem. Wo sollen all die qualifizierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter herkommen, die bereits jetzt in den Kindertagesstätten kaum zu ge- winnen sind? Wenn die Arbeitsplätze nicht attraktiv sind – wenn also beispielsweise keine Vollzeitbeschäftigung angeboten werden kann, die ein Leben in München finanziert, dann wird es nochmals schwieriger. Die Einbeziehung von Lehrkräften in die Fachkraftquote nach dem Bayerischen Kinderbildungs- und -betreuungsgesetz ist als problematisch zu betrachten. Bisher ist es nicht möglich, arbeitslose Grundschullehrerinnen und -lehrer in einer Kita oder einem Hort als Fachkräfte einzustellen. Künftig sollen die bereits beschäftigten Lehrerinnen und Lehrer als Fachkräfte angerechnet werden können. Damit besteht die Gefahr, dass die Tätigkeit des Kooperationspartners auf die Beschäftigung der Ergänzungskräfte und die Organisation des Mittagessens reduziert wird. Fazit Es ist gut, dass nun offensichtlich Bewegung in das Thema kommt und Stadt und Staat zusammenwirken. Allein aufgrund der Größe des Vorhabens besteht jedoch die Gefahr, dass organisatorische Fragstellungen in den Vordergrund rücken und die pädagogischen Erwägungen überlagern. Ziel muss bleiben, dass die Kinder bei allen Entscheidungen im Mittelpunkt stehen. Franz Schnitzlbaumer, Geschäftsführer, KJR Alles Schule – oder was? Anfang April hat der Jugendhilfeausschuss der Landeshauptstadt München das Konzept der „Koopera- tiven Ganztagsbildung“ für Münchner Grundschulen diskutiert und ein Modellprojekt beschlossen Fachlichkeit vor Strukturdebatten in der Ganztagsbildung
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