K3 No. 3 - Mai 2018
| 03 | 2018 9 das kommt das war Nachruf kommen und auch hier Inklusion – respektive Integration – voran treiben. Eine Ihrer Grundüberzeugungen heißt also Partizipation? Wir müssen uns auf die Fähigkeiten und Kompetenzen aller Kinder und Jugendlichen einlassen und Interesse daran haben, was sie wirklich brauchen und wollen. Hier sehe ich in München durchaus noch Luft nach oben. Partizipation und Teilhabe müssen wir künftig ganz automatisch mitdenken – von der Schule über die offene Arbeit bis zur Jugendkulturarbeit. Wie sieht München Ihrer Meinung nach in fünf Jahren aus? Ich wünsche mir eine Gesellschaft, die die Kinder als Zukunft be- greift, die erkennt und schätzt, was kind- und jugendspezifisch ist. Bei allem Freiraum, den wir ihnen geben müssen, sollen Kinder und Jugendliche gleichzeitig die Gewissheit bekommen, dass sie nicht allein gelassen sind auf dem Weg des Heranwachsens. Das schließt für mich übrigens ein, dass wir aufhören, Wertigkeiten zwischen Abitur und Lehrberufen zu konstruieren. Ein Handwerker ist doch mindes tens ebenso wichtig anzusehen, wie eine Hochschulabsolventin. Hinter diesem Gedanken steht, dass wir Zuschreibungen verhindern und Vielfalt schätzen lernen. Interview: Marko Junghänel Ist die Ganztagsschule ein Weg zur inklusiven Stadtgesellschaft? Die Ganztagsbetreuung bis zum Ende der Grundschulzeit wird als Rechtsanspruch wahrscheinlich kommen. Wenn wir unsere Kräfte mobilisieren und qualifizieren, werden diese Ganztagsangebote enorme Möglichkeiten bieten und aufgrund sozialer Benachteili- gungen parallel laufende Entwicklungen in den Kinder- und Jugend- welten aufbrechen. Spielt das Thema in der Jugendamtsplanung eine zentrale Rolle? Ende April wird es einen ersten Fachtag der Sozialen Arbeit mit den Schnittstellen aller involvierten Referate der Stadt geben. Zunächst geht es darum, eine gemeinsame Haltung zu formulieren. Im Sinne der Kinder und Jugendlichen geht es um die Verzahnung von Kom- petenzen. Dabei werden wir uns auch mit dem Thema zu befassen haben, welches Weltbild und Selbstziel wir Kindern und Jugendlichen eigentlich vermitteln, wenn sie nur unzureichend inkludiert sind, an Teilhabeprozessen wenig mitwirken können und ihnen die Räume und Gelegenheiten fehlen. Noch einmal zurück zum Thema zugewanderte Kinder und Ju- gendliche … Mir ist wichtig, dass wir künftig keine Einrichtungen der Jugendhilfe mehr haben, die nur für Geflüchtete da sind. Nach der Ausnahme- situation von 2015 und 2016 müssen wir wieder zu Regelabläufen Esther Maffei leitet seit Sommer 2017 das Stadtjugendamt – eine erste Bilanz 8. Mai 2010, München-Fürstenried: Ein ganzes Stadtviertel wehrt sich erfolgreich gegen einen Aufmarsch von Rechtsextre- misten und Kameradschaften. An ihrer Seite einer, dem es immer wichtig war Mut zu machen, aufzuklären, entschieden einzutre- ten für Humanität und Menschenrechte und möglichst viele zu gewinnen, auf diesem Weg mitzugehen. Auf der Rednerbühne hatte Martin Löwenberg mit ruhiger, aber entschiedener Stimme dazu aufgerufen, sich dem braunen Marsch auf der Straße entgegen- zustellen. Richtige Worte würden allein nicht ausreichen, es komme in gewissen Situationen auch auf das Handeln an. So blockieren über 2000 Fürstenrieder Bürge- rinnen und Bürger, Politiker und Politikerinnen friedlich und in einem bunten Durcheinander die Marschroute. Ein Durchkommen ist undenkbar, die Polizei macht- los. Für Aufrufe wie diesem hatte Martin Löwenberg schon viele Male Strafanzeigen und sogar Verhaf- tung in Kauf genommen und sich gleichzeitig für diejenigen eingesetzt, denen Ähnliches widerfuhr. 1925 als Sohn sozialdemokratischer Eltern und eines jüdischen Vaters in Breslau geboren, mussten Martin und sein älterer Bruder Ferdinand schon früh Ausgrenzung und Anfeindung erfahren, setzten sich zur Wehr, lieferten sich Schlägereien mit der HJ, unterstützten Fremdarbeiter mit Brot und Zigaretten. Martin Lö- wenberg überlebte Folter, KZ-Haft und Zwangsarbeit. Viele seiner Verwandten wurden ermordet. Mit seiner Entschiedenheit und Klarheit, nicht zuzulassen, dass in unserer freien, demokratischen Gesellschaft alte und neue Nazis ungehindert marschieren dürfen, dass Rassismus und Ausgrenzung, Nationalismus und Militarismus wieder wachsen können, eckte er vor allem bei den staatlichen Instanzen an. Martin Löwenberg, der Unbequeme, der Unbeugsame – und der bekennende Kommunist. Für die Zivilgesellschaft hingegen war er Vorbild, erhielt den renommierten Carl-von-Ossietzky-Preis, die Me- daille „München leuchtet“ und eine Auszeichnung vom Münchner Schülerbüro für seine ungezählten Zeitzeugengespräche mit Schüle- rinnen und Schülern. Ungezählt auch die gemeinsamen Zusammen- künfte mit Initiativen, Organisa- tionen und dem KJR zur Planung von Gegendemonstrationen und Kundgebungen. Ein entschlossener Streiter, wenn es um die Sache ging, aber auch ein mäßigender Berater, mit stets offenem Ohr und integrativem Gespür für die unterschiedlichen Interessen und An- liegen: „Die Farbe des Antifaschismus ist nicht rot – sondern bunt wie die Spektralfarben des Regenbogens“, hat er einmal gesagt. Martin Löwenberg ist am Ostermontag, wenige Wochen vor seinem 93. Geburtstag gestorben. Der Kreisjugendring trauert um ein Vorbild und um einen Freund. Trauer um Martin Löwenberg Foto: www.wolfgang-frotscher.de
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