K3 No. 3 - Mai 2018
Dachzeile | 03 | 2018 20 das kommt Fachkräftemangel Schwerpunk Bedarfe steigen kontinuierlich Bis mindestens 2025 wird sich an dieser Situation wohl leider nichts ändern. Höhere Geburtenraten, Zuwanderung geflüchteter Familien und anhaltend starke Nachfrage nach freien Betreuungsplätzen für unter dreijährige Kinder erfordern deutlich mehr Personal als derzeit ausgebildet werden kann. Hier ist ein gravierender Fachkräftemangel vorauszusehen. Je mehr die Betreuungskapazitäten ausgeweitet wer- den, desto höher ist der Personalbedarf. Insgesamt sind die Kindertageseinrichtungen des Kreisjugendring München-Stadt personell gut besetzt. Trotzdem kommt es immer wie- der zu Engpässen. Mitarbeiterinnen werden schwanger und fallen aus, ziehen um oder wollen sich verändern. Ausgeschriebene Stellen bleiben über mehrere Monate unbesetzt. Wir wissen, dass der Personalschlüssel einer Kita viel über die pädagogische Qualität und die Arbeitsbedin- gungen für die Fachkräfte aussagt. Durch krankheitsbedingte Ausfälle, Fortbildungen oder unbesetzte Stellen entsteht allerdings ein perma- nenter Druck auf unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Personalmangel bedeutet auch, dass man spontan Planungen ändern können muss. Fallen viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus, können zum Beispiel Ausflüge oder besondere Bildungsangebote nicht statt- finden. Dann sind die Kinder zwar liebevoll betreut, können aber nicht in Kleingruppen gefördert werden. Die Kinder haben zudem weniger Möglichkeiten zu entscheiden, an welchen Angeboten sie teilnehmen möchten, da die Auswahl deutlich geringer ist. Auf Dauer wirkt sich ein ungünstiger Personalschlüssel deshalb negativ auf die Kinder aus. Hinzu kommt, dass die Belastungen für die Teams steigen, Stress und damit die Krankheitsrate sich erhöhen. Ein Kreislauf, dem nur schwer zu entkommen ist. Demgegenüber stehen die hohen qualitativen Erwartungen von Fa- milien, Gesellschaft und Politik an die Kindertageseinrichtungen, die neben einer guten individuellen Betreuung auch Bildungschancen und Bildungsgerechtigkeit für jedes Kind verwirklichen sollen. Bildungspolitische Herausforderungen, die sich aus dieser Situation ergeben, lassen sich nur lösen, wenn in diesem Bereich ein Arbeitsmarkt entsteht, der auch für Nachwuchskräfte attraktiv ist und berufliche Entwicklungsperspektiven bietet – und zwar sowohl für Frauen als auch für Männer. Das „Fachkräftebarometer Frühe Bildung“ ergibt eindeutig, dass durchlässige und anschlussfähige Ausbildungsformate geschaffen werden müssen, die eine Höherqualifizierung ermöglichen. Der Arbeitsplatz Kita muss dringend auch für Männer attraktiver werden – nicht zuletzt deshalb, weil es mittelfristig zu einem Rechtsanspruch auf Ganztagesbetreuung im Grundschulalter kommen wird. Der Bedarf an Fachkräften steigt also weiter und ein Ende der angespannten Personalsituation ist nicht absehbar. Qualität und Quantität Die Fachakademien, Fach- und Hochschule bilden derzeit alle Interessierten aus, die auch nur ansatzweise Chancen haben, ihre Ausbildung oder ein Studium erfolgreich abzuschließen. Hier mehren sich kritische Stimmen. In den Einrichtungen werden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gesucht, die mit Herzblut für die Kinder da sind, die für diesen Beruf leben. Es hilft also nicht weiter, wenn diese Berufe nur gewählt werden, weil sie momentan krisensicher erscheinen. Es ist vorherzusehen, dass damit das Qualitätsniveau sinkt. Dabei geht es 2018 mehr denn je um Qualität. Das zeigt beispiels- weise die erfolgreiche trägerübergreifende Veranstaltung „Bündnis für Qualität“, die vom Referat für Bildung und Sport der Landeshauptstadt München initiiert wurde. Gute Qualität in den Kitas wird u.a. nur erreicht, wenn es einen guten Personalschlüssel gibt – so das Fazit. Petra Kutzner, Leitung KitaE, KJR Was Fachkräfte in der Jugendarbeit auszeichnet Gesucht: Persönlich- keiten mit Haltung Ein quantitativer Fachkräftemangel beschreibt die eine Seite der Medaille, dass offene Stellen zunehmend länger unbesetzt bleiben. Ein anderer Aspekt könnte sein, dass Fachkräfte nur mangelhaft für diese Aufgaben geeignet sind. Ein Gespräch mit Heiko Neumann, Leiter des Intermezzo in Fürstenried. Mangelt es in der pädagogischen Praxis an Fachkräften oder entlas- sen die Hochschulen mangelhaft ausgebildete Fachkräfte? Heiko Neumann: Es ist sicher so, dass nicht nur die Absolventinnen und Absolventen in die Praxis drängen, die wir uns wünschen würden. In der Ausbildung kommt ein entscheidender Faktor zu kurz oder fehlt ganz: Die Bildung von Persönlichkeiten findet schlicht nicht statt und ist als Ausbildungsziel nicht definiert. Die Studierenden liefern einen Schein nach dem anderen ab und versuchen, möglichst viel prüfbares Wissen in möglichst kurzer Zeit zu bewältigen. In der Praxis der Jugendarbeit heißt es dann aber … Farbe bekennen. Die vielen Theorien, die vermittelt werden, sind sicher notwendig und bilden ein unerlässliches Fundament. An den Hochschulen wird aber nicht vermittelt und eingefordert, dass man sich persönlich zu ausgewählten Theorien bekennt, sie anwendet und sie auf ihre Praxistauglichkeit prüft. Besonders spürbar wird das in konfrontativen Situationen. Von Konfron- tationspädagogik haben die Studierenden zwar gehört, sie versuchen in einer solchen Situation allerdings exakt nach Schablone zu handeln. Sie können dabei nicht sagen, warum sie es tun, was das mit ihnen selbst zu tun hat und ob sie diese Theorie tatsächlich verinnerlicht haben und akzeptieren. Ich denke, dass das daran liegt, dass die Studierenden während ihrer gesamten Ausbildung nicht ermutigt werden, eigene Haltungen zu entwickeln. Sie bedienen oft ein Werkzeug nach „Bedienungsanleitung“. Liegt die Ursache für dieses Verhalten möglicherweise auch in der schulischen Ausbildung? Die Frage für alle Bildungsbereiche ist im Prinzip die gleiche: Warum werden immer wieder und fast ausschließlich theoretische Dinge ab- gefragt und diese nicht mit praktischem Handeln verbunden? Zwischen Theorie und Praxis fehlt ein Katalysator. Eine Person, die Ein bisschen Stuhlkreis, ein wenig hip und Kumpel sein; damit ist es als Sozialpädagogin / Sozialpädagoge leider nicht getan … Bild: Klaus Klingberg, pixelio.de
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