K3 No. 2 - März 2018
Dachzeile | 02 | 2018 20 das kommt Gerechtigkeit & Armut Schwerpunk Für die Soziale Arbeit bedeutet Armut von Familien und deren Kin- dern, nicht nur diese aufzuzeigen und gesellschaftlich anzuprangern. Die Sozialarbeit muss die Bewältigungskompetenzen von Kindern und ihren Familien in den Blick nehmen. Die Resilienzforschung zeigt dabei, dass den Auswirkungen von materieller Armut zunächst durch emotionale Geborgenheit und Sicherheit, durch positive Verstärkung und Partizipation begegnet werden kann. Geborgenheit und Sicherheit Entscheidend für den weiteren Lebensweg von Kindern sind – neben der Sicherheit von Wohnung, Nahrung und körperlicher Unversehrtheit – eine ausreichende Förderung und Unterstützung durch die Eltern, das Umfeld oder professionelle Institutionen. Soziale Angebote, die Nachhaltigkeit und Befähigung unterstützen und auf Beteiligung der Kinder und ihrer Familien abzielen, können Benachteiligungen durch Armut abschwächen oder vermeiden. Die Stadt München setzt sich gemeinsam mit der freien Wohlfahrts- pflege sowie Verbänden und Vereinen dafür ein, dass alle Kinder und Jugendlichen gleiche Chancen auf Teilhabe bekommen. Ganz wesentlich tragen dazu die vielfältigen Angebote in der Eltern- und Familienbildung bei. Um die „Armuts-Karrieren“ zu durchbrechen und von Armut betroffene Familien bzw. junge Menschen zu fördern, gilt es, die Handlungsfähigkeit der Familien zu stärken und sie nicht allein zu lassen. Partizipation ist dabei der Schlüssel. Nur wer seine Lebensentscheidungen selbst beeinflussen kann, wird eigene Strategien entwickeln und die individuelle Lebenslage gestalten können. Beispiele der Förderung wären Infrastrukturangebote für junge Familien, umfassende Beratung, aber auch die Unterstützung und Kinderbetreuung; ebenso Angebote für Kinder von sucht- oder seelisch kranken Eltern(-teilen). Für Eltern(-teile) mit Behinderungen sowie für Eltern mit Kindern mit Behinderungen braucht es – neben einer Haltung der Wertschätzung – mehr Angebote in München, um Inklusion in allen Lebensbereichen zu ermöglichen. Die von Armut am stärksten betroffene Altersgruppe ist das Jugen- dalter. Diese Lebensphase umfasst Jugendliche (ab 16 Jahren) und junge Erwachsene (18 bis 27 Jahre). Das Jugendalter wird gegenwärtig so stark wie noch nie durch formale Bildung geprägt. Allerdings ist Jugend mehr als eine Phase der Qualifizierung. Sie ist auch eine Zeit der Positionierung und Verselbständigung. Innerhalb dieser individu- ellen Herausforderungen werden viele der Jugendlichen zumeist als Statuspassage Armut erleben, die mit dem Eintritt in die Erwerbsar- beit zunehmend überwunden sein wird. Jugendliche mit mangelnden Chancen zur Teilhabe bzw. fehlenden Bildungs- und Berufsabschlüssen, deren Eltern zudem nicht in der Lage sind, ihre Kinder materiell zu unterstützen, haben es besonders schwer, die notwendigen Schritte in die Selbständigkeit zu tun. Die Finanzierung der Eigenständigkeit aus eigenem Einkommen resultiert häufig aus den SBG-II-Leistungen und ist sowohl mit Armut als auch mit Existenzängsten verbunden. Die Aufgabe der Sozialen Arbeit liegt hier in der Unterstützung und Beglei- tung junger Menschen bei der Erlangung eines Bildungsabschlusses und beim Übergang in die Berufsausbildung. Bildungsgerechtigkeit in München Viel erreicht – viel zu tun „Bildung in München – gerecht und zukunftssichernd, groß- stadtorientiert und weltoffen“ – das ist das Grundmotiv der „Leitlinie Bildung“, heute so aktuell wie zur Zeit der einstimmigen Verabschiedung durch den Münchner Stadtrat im Jahr 2010. Ungerechtigkeit – insbesondere im Bereich Bildung – vererbt sich oft über Generationen; die Landeshauptstadt München kämpft dagegen an. „Junges Wohnen“ fördern Erschwerend in diesem Prozess wirken die hohen Mieten in der Stadt und der Mangel an bezahlbarem Wohnraum. Die Angebote der Kinder- und Jugendhilfe müssen unter dem Stichwort „Junges Woh- nen“ sinnvolle Übergänge schaffen, die eine Unterbringung während der (Berufs-)Ausbildung bzw. dem Studium ermöglichen. Gleichzeitig ist es sinnvoll, die zielgruppenspezifische Vergabe von bezahlbarem Wohnraum in München weiter zu intensivieren bzw. bei Ausbau und Planung von neuen Arealen zu beachten. Im Zuge der Erstellung des Armutsberichts 2017 wurde deutlich, dass die Datenlage zur Beschreibung der Ausprägungen von Armut bei jungen Menschen unbefriedigend ist. Vorgeschlagen wurde deshalb, den nächsten Familienbericht mit dem Schwerpunkt „Armutsbetroffenheit und Armutslagen von Familien“ zu veröffentlichen sowie bei der näch- sten Jugendbefragung diese Thematik zum Schwerpunkt zu machen. Eva Götz, Landeshauptstadt München, Sozialreferat Was bedeutet für Dich Gerechtigkeit? » Zum Beispiel, dass alle Kinderrechte eingehalten werden und alle Kinder gleich berechtigt werden und dass alle Kinder zu Weihnachten ein Geschenk bekommen. « David, 10 (Kinderhaus Wolkerweg) Jedes Kind soll entsprechend seinen Fähigkeiten gefördert wer- den – unabhängig vom Geldbeutel der Eltern. Seit 2006 gibt es den Münchner Bildungsbericht, der u.a. den engen Zusammenhang zwischen sozialer Herkunft und Bildungsergebnissen deutlich gemacht hat. Die zwischenzeitlich erschienenen Berichte zeigen erfreuliche Verbesse- rungen, beispielsweise eine deutlich gesunkene Zahl von Schulab- gängerinnen und -abgängern ohne Abschluss. Das Grundproblem der Bildungsungleichheit besteht aber fort, zuletzt dargestellt im Kapitel Bildungsarmut des Münchner Armutsberichts 2017. Foto: Dr. Klaus-Uwe Gerhardt, pixelio.de
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