K3 No. 1 - Februar 2018
Dachzeile | 01 | 2018 24 das kommt Eltern & Familie Schwerpunk Familienfachkräfte in Kitas: Aufgaben, Angebote, Chancen Direkter Draht Das Projekt „Aktive Kinder brauchen aktive Eltern“ überzeugte zwei Stiftungen und ein Unternehmen, sodass es 2012 an den Start gehen konnte. Für drei Jahre wurde eine Sozialpädagogin mit Schwerpunkt Elternarbeit finanziert, die mit insgesamt 29 Wochenstunden in zwei Kindertagesstätten tätig war. Die Kernidee bestand darin, die Eltern während der Bring- und Abholzeit in der Kita zu erreichen. Dabei sind wir davon ausgegangen, dass Eltern in einem vertrauten Rahmen, in dem sie sich als Teil einer Gemeinschaft erleben, gern Angebote wahrnehmen werden. Sehr bald wurde deutlich, dass Fachkräfte für die Arbeit mit Familien eine feste Größe in Brennpunkt-Einrichtungen sein müssen. Vor dem Hintergrund, dass viele Familien – mit und ohne Migra- tionshintergrund – zu uns kommen, die an der Armutsgrenze und damit unter erschwerten psychosozialen Bedingungen leben, hat sich der Ansatz eines aktiven Zugehens auf die Eltern bewährt. Dies hilft uns zum einen, einen besseren Einblick in die unterschiedlichsten Rahmenbedingungen, unter denen Kinder zuhause aufwachsen, zu erhalten. Zum anderen können wir die Eltern für eine konstruktive Zusammenarbeit, trotz Sprachbarrieren sowie sozialer und kultureller Unterschiede, zum Wohle der Kinder gewinnen. Nach einer einjährigen Phase der Zwischenfinanzierung besteht die Fachstelle für die Arbeit mit Familien nun seit 2016 mit 30 Wochen- stunden in der KiTa Nordstern KIDDIES und mit 34 Wochenstunden im Haus für Kinder KoRi Schneckenstein aus zwei fest finanzierten Stellen. Diese werden über die Münchner Förderformel finanziert. Ressourcen entdecken, Stärken fördern Unsere Hauptaufgabe sehen wir in der Begleitung und Beratung von Familien im Rahmen kindlicher Bildungs- und Entwicklungspro- zesse sowie im Bereich der Alltagsbildung. Der erste Lernort eines Kindes ist die Familie. Das bedeutet, dass Eltern für Erziehung und Bildung ihres Kindes verantwortlich sind. Neben der Förderung der Kinder in den KiTas ist es daher unser Ziel, den Eltern Möglichkeiten aufzuzeigen, wie sie ihre Kinder auch außerhalb der KiTa fördern und begleiten können. Wir vermitteln geeignete Anlaufstellen im Stadtteil, begleiten Eltern unter anderem zu Ämtern, Beratungs- stellen oder Sprachschulen, suchen nach finanziellen Unterstüt- zungsmöglichkeiten, helfen beim Ausfüllen von Anträgen und sind Ansprechpartner für Erziehungsfragen. Eltern als Ressource erkennen, wertschätzen und fördern, immer zum Wohl des Kindes Foto: KiTa Nordstern Kiddies Ein besonderes Augenmerk liegt auf der Begleitung der Eltern beim Übertritt ihrer Kinder vom Kindergarten in die Schule. Mit dem Elternkurs „Family-Programm“, der in mehrere Einheiten unterteilt ist, unterstützen wir sie, gute Lernbegleiter ihrer Kinder zu werden. Die Vorschuleltern, die hieran teilnehmen, bekommen durch Infor- mationen über unser Schulsystem und interaktive Methoden bzw. Übungen mehr Sicherheit in Bezug auf die Veränderungen, die auf eine Familie mit einem Schulkind zukommen. Darüber hinaus werden regelmäßig niedrigschwellige Angebote, beispielsweise Handarbeitskurse, Familienausflüge, gemeinsames Backen oder Basteln sowie Sprachtreffen für Mütter und Väter mit Migrationserfahrung, angeboten. Die Eltern erhalten zudem Informa- tionen über kostengünstige Bildungsangebote wie Veranstaltungen in der Stadtbibliothek, ein Kindertheater oder Museumsbesuche. Eine Chance sehen wir in der vertrauensvollen und frühzeitigen Unterstützung der Familien. Ohne lange Wartezeiten erhalten diese direkt in der Kindertagesstätte schnelle Hilfe. Gemeinsam mit den Eltern können zum Beispiel vertrauliche Erziehungsfragen bespro- chen werden, um adäquate Ideen und Lösungswege zu finden. Oft ist es uns durch Elterngespräche und gezielte Interventionen möglich, Kindeswohlgefährdungen abzuwenden. Pädagogische Fachkräfte für die Arbeit mit Familien arbeiten nach dem ressourcenorientierten Ansatz. Das bedeutet, dass die Eltern dazu befähigt werden, Zugang zu ihren Stärken zu bekommen, um präsente Ansprechpartner für ihre Kinder zu sein. Claudia Hohenester, Kindheitspädagogin, Fachstelle für die Arbeit mit Familien, KoRi Schneckenstein, KJR Eltern-Stalking und Helikopter-Eltern im Hortalltag Die 24/7-Kindheit Pepe geht in die dritte Klasse einer Münchner Grundschule. Nach Unterrichtsende begibt er sich auf schnellstem Wege in den Hort, um dort noch vor dem Mittagessen mit seinen Hausaufgaben beginnen zu können. Nach dem Essen hat Pepe eine halbe Stunde Zeit, um sich im Garten auszutoben und den Kopf freizubekommen. So kann er seine Haus- aufgaben noch besser in der verfügbaren Zeit erledigen. In seiner „Freizeit“ trainiert er montags und donnerstags im Fußball-Verein. Am Mittwoch geht es zum Klavierunterricht und freitags muss er zwei Stunden Nachhilfe absitzen, um noch besser in Mathe zu werden. An Sommer-Wochenenden schließlich gibt es Punktspiele – im Winter Hallenturniere und getaktete Erholungsausflüge in die Münchner Hausberge. Für einige Kinder in Münchner ist dieses Beispiel längst Realität. Im Elterngespräch der Fachkräfte wird immer wieder betont, dass man damit doch nur das Beste für das eigene Kind erreichen möchte. Die Eltern wollen für ihre Kinder perfekte Grundlagen schaffen, um in einer beschleunigten und globalisierten Gesellschaft konkurrenz- fähig zu sein. Deshalb planen sie den Tag ihres Kindes außerhalb von Schule und Hort minutiös. Vom Hort erwarten sie eine makellose Hausaufgabenbetreuung und die stetige Kontrolle des schulischen Erfolgs. Hat ihr Kind einmal schlechte Noten, suchen sie die Gründe im System Schule und Hort. Die Eltern gehen davon aus, dass man in einer leistungsorientierten Gesellschaft nur bestehen kann, wenn man früh damit beginnt, die freien Zeiten der Kinder mit Bildungs- angeboten und Lernunterstützung zu füllen.
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