HfK Jahresbericht 2020

7 Jugendlichen. Sie kommen zu dem Ergebnis, dass sich die psychische Gesundheit und die Le- bensbedingungen der Minderjährigen in Deutschland verschlechtert haben. Das Risiko einer psychischen Auffälligkeit steigt von 18 auf 31 Prozent. Die meisten jungen Menschen fühlen sich belastet, bei rund der Hälfte hat das Verhältnis zu Freunden und Freundinnen durch denmangeln- den physischen Kontakt gelitten. Die starke Verschlechterung des psychischenWohlbefindens im Vergleich zur Vor-Corona-Zeit überrascht sogar die Forschung. Für zwei Drittel der Heranwach- senden ist das Lernen für die Schule anstrengender als vor Corona. Eine für die psychische Ge- sundheit wichtige Tagesstruktur fällt weg. Die Studie zeigt, dass Kinder aus Familien mit einem niedrigen formalen Bildungsabschluss oder mit Migrationserfahrung stärker betroffen sind. 3 Die soziale Ungleichheit verschärft sich durch Corona weiter. 24 Prozent der Kinder aus Familien, die Grundsicherung beziehen, verfügen über keinen internetfähigen PC zuhause. 4 Die Versor- gung mit Leihgeräten läuft vielfach so schleppend, dass diese Kinder bis heute nur schlecht am Distanzunterricht teilnehmen können. Fast die Hälfte dieser jungen Menschen wohnt in einer Wohnung, die nicht ausreichend Platz bietet, um in Ruhe lernen zu können. Damit wird deutlich, dass die Bildungsungerechtigkeit während des Lockdowns weiter zugenommen hat. Wer sich die Schulaufgaben nicht aus demNetz herunterladen oder an den (rar stattfindenden) Videokon- ferenzen teilnehmen kann, wer sich zuhause nicht auf Schulaufgaben konzentrieren kann, weil es kein eigenes Kinderzimmer gibt, der kommt zwangsläufig mit einem nicht selbstverschulde- ten Lernrückstand zurück in die Schule. Die Schließung von Kitas, Schulen und sozialen Einrichtungen hat aber gerade für Kinder aus finanziell prekären Verhältnissen noch weitere negative Auswirkungen, denn für sie fallen größ- tenteils die kostenlosen Mittagessen in den Einrichtungen weg. Durch die Schließung der „Ta- feln“ und deren teilweise nur sehr zögerliche Wiedereröffnung wird es für arme oder von Armut bedrohte Familien noch schwerer, günstige und abwechslungsreiche Lebensmittel zu erhalten. All diese Ergebnisse zeigen vor allem eines: Die Auswirkungen der Pandemie und des Lockdowns auf junge Menschen sind nicht in wenigen Wochen überwunden, wenn alles wieder halbwegs „normal läuft“. Junge Menschen hatten in den vergangenen mehr als zwölf Monaten in erster Linie zu funktionieren, keine Ansprüche zu stellen, keine eigenen Bedarfe zu haben, auf die sowieso kaum jemand Rücksicht genommen hätte. Der Lockdown hat sich wie ein Brennglas auf bereits bestehende – versteckte oder verdrängte – Probleme gerichtet. Jetzt sind sie für alle sichtbar: die immer noch bestehende Bildungsungerechtigkeit, die Armutslagen von Familien, die Schutzlosigkeit vieler junger Menschen in ihrem sozialen Nahfeld, die psychische Belastung vieler Kinder und Jugendlicher. Welche Lehren ziehen wir daraus? 1 vgl. Mediziner berichten über massive Gewalt gegen Kinder in: Der Tagesspiegel vom 15.5.2020, www.tagesspiegel.de/po- litik/ knochenbrueche-oder-schuetteltraumata-mediziner-berichten-vonmassiver- gewalt-gegen-kinder/25833740.html 2 Kind sein in Zeiten von Corona: Deutsches Jugendinstitut, erste Ergebnisse vgl.: www.dji.de/themen/familie/kindsein-coro- na-ergebnisse. html 3 COPSY-Studie des UKE, vgl. www.uke.de/allgemein/presse/ pressemitteilungen/detailseite_96962.html 4 Kinderarmut: eine unbearbeitete Großbaustelle. Bertelsmann Stiftung, vgl. www.bertelsmann-stiftung.de/de/themen/ aktuelle-meldungen/ 2020/juli/kinderarmut-eine-unbearbeitete-grossbaustelle

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