10 Jahre Junge Kultur

27 Benedikt Kämmerling Definitiv. Es ist aber eben nur eine Seite – zum Arbeiten ist diese für uns Pädagog*innen eher irrelevant, weil sie in diesem Moment Dinge zeigen, um sich selbst darzustellen. Ich glaube aber, dass es ganz generell für ihre Entwicklung schon sehr wichtig ist, gesehen zu werden. Musstet ihr beim Filmen oft dramaturgisch eingreifen, weil es manches Mal vielleicht ein Zuviel der Darstellung war, Mila? Mila Zhluktenko Nein, und das haben wir auch ganz bewusst so gemacht. Das Filmen an sich sollte keine große Rolle während der Projektwoche einnehmen – die Vorführung des Films stand im Vordergrund. Hattest du erwartet, dass die Arbeit so einfach sein wird, oder gab es Befürchtungen im Vorfeld? Mila Zhluktenko (lacht) Befürchtungen hat man eigentlich immer vor dem Dreh. Ich hatte tatsächlich gehofft, dass es so sein wird, wie es letztlich war. Wir wollten beobachtend arbeiten und uns so annähern. Das hat erstaunlich gut funktioniert. Es gab also gar kein Drehbuch? Mila Zhluktenko Genau, es gab kein Drehbuch. Wir kannten die verschiedenen Workshop-Stationen, und natürlich brauchten wir ein System, damit wir überall einmal reingucken konnten. Aber wir haben uns trotzdemmehr von den Jugendlichen leiten lassen und versucht, eine kontinuierliche Geschichte zu erzählen. Und dann kam das DOK.fest ins Spiel, Maya … Maya Reichert Ja, aber zuvor möchte ich noch kurz etwas zu der Arbeit loswerden, die beim Kreisjugendring geleistet wird: Es ist so unglaublich wertvoll, wenn man Kultur zu Kindern und Jugendlichen bringt. Diese außergewöhnlichen Leuchtturmprojekte, die ja auch etwas kosten und die einen enormen organisatorischen Aufwand bedeuten, sind Gold wert – denn genau das ist kulturelle Teilhabe und kulturelle Bildung. Kinder und Jugendliche gehen ja nicht alleine ins Theater, in die Oper oder in den Arthouse-Film. Es braucht die sogenannten Handtaker, die eben diese Bildung und Teilhabe durch Institutionen und Projekte möglich machen. Umso schöner, dass ihr dem Projekt eine solche Plattform geboten habt … Maya Reichert … was auch mich sehr gefreut hat. Dieses Projekt wäre auch ohne unsere Bühne schon ganz wunderbar gewesen. Nun haben wir aber eben noch diese Bühne, die Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit und eine zusätzliche kulturelle Teilhabe schafft. Bei uns hatten diese Kinder und Jugendlichen selber eine Aufführung. Die Kids waren im Projekt das erste Mal in der Oper, in einem großen Kulturhaus und haben aus dem Publikum heraus zugesehen – und dann waren sie im Rahmen des größten deutschen Dokumentarfilmfestivals im Gasteig selbst auf der Bühne. Dort hat das Publikum auf sie geguckt. Die Kinder und Jugendlichen haben also nicht nur Kultur kennengelernt und rezipiert, sondern auch aktiv Kultur geschaffen. Wie war deine erste Reaktion auf den Film? Maya Reichert Ich fand den kurzen Dokumentarfilm großartig, weil man spürt, dass die Regisseurin und die Kamerafrau ganz nahe dran waren und auf Augenhöhe erzählen. Es ist dadurch nicht einer dieser klassischen Making-of-Filme mit Expert*innen-Interviews, Erklärkommentar und werblichem Blick! Milas Film arbeitet mit der reinen Beobachtung der verschiedenen Projektstationen und lässt, geschickt montiert, die Momente der Begegnungen und der Erkenntnisse der Kids für sich sprechen. Man hat das Gefühl, live dabei zu sein. Zur Oper passend hat sie dann eine Geschichte in sieben Akten montiert. Das ist kein Projektbericht, sondern ein Film. Und das DOK.fest-Publikum hat sich auch mitgenommen gefühlt? Maya Reichert Ja, na klar, es gab Riesenapplaus, und viele gingen auf dem anschließenden Empfang in der Münchner Stadtbibliothek auch auf die Kids zu und sagten ihnen selbst, wie toll sie das Projekt und die Leistung der Kids dabei fanden. Benedikt, hast du das Projekt durch den Film nochmals mit anderen Augen gesehen? Benedikt Kämmerling Auf jeden Fall. Da gab es einen Moment, bei man sich dachte, dass man ja wirklich etwas richtig Cooles auf die Beine gestellt hatte. Und er hat die Gefühle von damals noch mal ausgelöst. In jedem Fall ist das Projekt durch den Film nochmals wertiger geworden, und die Zusammenarbeit war super. Von außen ist es nur zu erahnen – wie viel Aufwand bedeutet so ein Projekt für eine Einrichtung? Benedikt Kämmerling Es sind schon viele Gespräche und eine gute Planung notwendig, damit ein Projekt auch erfolgreich wird. Und Erfolg bedeutet für uns, dass die jungen Menschen Spaß haben. Aber es gibt viel zu bedenken: Was tun wir beispielsweise, wenn sie keine Lust mehr haben? Wie vermitteln wir ihnen, dass wir es trotzdem zu Ende bringen müssen? Ein Projekt bedeutet ja auch immer, ein Ergebnis zu produzieren. Wie ist es, Mila, wenn man für so einen Film derartig viel Lob bekommt? Man ist schon stolz, oder? Mila Zhluktenko Ja, total. Es ist ja auch eine gewisse Fallhöhe dabei, wenn man einen Film macht und dabei versucht, nur durch Beobachtungen zu erzählen. Kein Kommentar, keine Erklärungen. Das größte Lob war aber wirklich der Moment im Gasteig, als zu spüren war, dass sich die Kinder sehen, wiedererkennen, repräsentiert und gestärkt fühlen. Maya Reichert Es ist ja auch wirklich etwas Besonderes, wenn man sich als Jugendliche*r auf der Leinwand sieht und Revue passieren lassen kann, was man selbst erlebt hat. Ich glaube, so ein Film löst diesen Wow-Moment aus: Da hab’ ich echt bei einem Megaprojekt mitgemacht. Er schafft einen gedanklichen Zusammenhang zwischen den Erlebnissen. Eine Bitte an alle zum Schluss: Vervollständigt den Satz »Kultur für Jugendliche ist …« Benedikt Kämmerling … sich selbst ausdrücken. Wenn ich sie selbst betreibe, sie selber höre und verstanden werde. Maya Reichert Kultur bietet mir Orientierung in der Gesellschaft und hilft Jugendlichen in der Frage: Wer bin ich in Bezug zur Gesellschaft? Mila Zhluktenko Kultur für Jugendliche ist eine Notwendigkeit. Sie ist nicht ein gewisses Extra, sondern etwas Essenzielles, was Menschen im Heranwachsen den nötigen Kontext gibt und die Möglichkeit, sich zu orientieren. Ich danke euch allen für das tolle Gespräch!

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