10 Jahre Junge Kultur

23 Was ist das Besondere an der Kooperation mit dem KJR und der Arbeit mit den Heranwachsenden? Die Jugendlichen, die einen mit ihren Ideen, ihrem Chaos, ihrer Angst, ihrem Übermut und ihren vielen unterschiedlichen Geschichten zwar manchmal fast in den Wahnsinn treiben, aber auch wahnsinnig berühren können. Wohltuend ist das luxuriös-professionelle und doch familiäre Arbeitsumfeld, das die Macher*innen vom Team Junge Kultur bieten. Das fängt mit den Vorbesprechungen und der ganzen Organisation an und hört an dieser Stelle eben nicht auf. Eigentlich ist immer jemand vom KJR dabei, wenn ich mit den Jugendlichen arbeite. Man spürt den persönlichen Bezug zu den Jugendlichen und arbeitet als Team zusammen. Wie holt man Jugendliche am besten kulturell ab? Das ist wie bei allen Menschen, jeder und jede Jugendliche hat ihren und seinen eigenen Kosmos, und manchmal ist es eben schwieriger, einen Zugang zu bekommen. Wenn man aber einmal das »Passwort« geknackt hat, dann lassen sich Jugendliche tendenziell mehr fallen und trauen sich sogar mehr als die sogenannten Erwachsenen. Es klingt vielleicht abgedroschen, aber man muss alle Menschen einfach ernst nehmen. Gibt es sonst noch ein Erfolgsrezept? Ich habe immer versucht, den Jugendlichen nicht meine Ideen einzupflanzen, sondern ihnen das künstlerische Handwerkszeug zu geben und sie dann damit ihre eigenen Ideen entwickeln und gestalten zu lassen. Ist Ihnen ein Erlebnis mit den Jugendlichen besonders in Erinnerung? Ich bin mal auf dem Weg zu einem Workshop in der voll besetzten S-Bahn Zeuge eines fiesen verbalen sexuellen Übergriffs geworden, der so halblaut, halbleise, halbvertraut und unauffällig vonstattenging, dass es niemand bemerkt hat, ich erst auch nicht – bis ich dann schließlich das betroffene Mädchen gefragt habe, ob sie den denn kennt, der sie da die ganze Zeit so anraunt, und dazwischengegangen bin. 20 Minuten später saß ich dann da mit »meiner« Gruppe, sechs, sieben jugendlichen Mädchen zwischen zwölf und 14 Jahren, mit denen ich schon seit ein paar Jahren zusammengearbeitet habe, und eigentlich wollten wir da gerade den Ablauf einer Choreografie besprechen. Stattdessen habe ich mit denen aber erst mal nur über diesen Übergriff geredet und sie nach solchen Erlebnissen gefragt (als Vater von drei Jungs hatte ich über so was bisher noch nicht wirklich viel nachgedacht). Und tatsächlich ist allen so etwas oder so etwas Ähnliches schon mal passiert. Und dann haben wir darüber gesprochen und diskutiert, wie man sich in solchen Momenten wehren und andere um Hilfe bitten kann. Das ist jetzt ein besonders krasses Beispiel für etwas, von dem ich glaube, dass es die Jugendlichen in den KJR-Projekten auch lernen, nämlich Selbstbewusstsein, Selbstbehauptung und angewandten Mut – und das hilft bei einem Referat in der Schule genauso wie beim Vorstellungsgespräch, der Auseinandersetzung mit den Eltern and so on ... Kulturangebote für Jugendliche sind … ... Kulturangebote für Menschen. Kunst ist ein Zugang zum Reich der Ideen. Kunst ist ein Schlüssel, mit dem man alle Türen öffnen kann. Foto: Barbara Donaubauer Martin Heindel I N T E R V I E W Der Münchner Regisseur, Dramaturg und Autor Martin Heindel ist seit zehn Jahren dem Kreisjugendring verbunden. Hier war Kollege Zufall im Spiel: Bei einem Projekt in der Villa Stuck sollten Jugendliche eine Museumsführung für die Besucher*innen gestalten, kamen allerdings trotz allemvermitteltenWissens nicht so recht weiter – es fehlte schlichtweg ein Regisseur. Martin Heindel ließ sich spontan auf diese Aufgabe ein und engagiert sich seither bei unterschiedlichsten Projekten des Teams Junge Kultur – von Führungen über Tanz und Performance bis hin zum abendfüllenden Faust-Film. »Jugendliche sind die Zukunft«

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