10 Jahre Junge Kultur

Inwieweit engagieren sich die Bayerischen Staatsgemäldesammlungen, die ja viele Häuser wie die Alte und Neue Pinakothek, die Sammlung Moderne Kunst in der Pinakothek der Moderne oder das Museum Brandhorst umfassen, in der Kulturvermittlung? Zunächst muss man festhalten, dass lehrplanorientierte Museumsangebote, also Angebote für Schulen, aber auch pädagogische Programme für Kitas seitens des Museumspädagogischen Zentrums veranstaltet werden, einer eigenständigen Einrichtung des Freistaates und der Landeshauptstadt. Wir selbst als Museum führen zwar ebenfalls Veranstaltungen mit Schulklassen und Kitas durch, das aber in gezielten Kooperationen, oft im Rahmen von Sonderausstellungen. In der Vergangenheit initiierten wir aber mit unseren Kunstvermittlungsprogrammen, wie beispielsweise 2003 mit »PINK« in der Pinakothek der Moderne, Vorzeigeprojekte mit dem großen Anliegen, Jugendliche ins Museum einzuladen und für das Haus zu interessieren. Ein abendliches Partyformat für junge Besucher*innen in Zusammenarbeit mit PIN., den Freunden der Pinakothek der Moderne, unter dem Titel »ARTisFACTION«, dessen Konzept auf Interaktion, Innovation und Intervention basiert, ist ein weiteres gutes Beispiel für ein Vorzeigeprojekt. Wie lassen sich Jugendliche für solche Projekte begeistern? Die Antwort darauf lautet schlichtweg: Wir haben sie gefragt, was sie interessiert. Für die Entwicklung des Projekts »ARTisFACTION« wurde ein Board aus Jugendlichen unterschiedlicher Milieus eingeladen und befragt, was sie sich wünschen würden – die vorwiegenden Antworten waren »Fun« und »Event«. Die Konzentration auf Fun und Event ist aber doch eher zwiespältig … … weil es auf der einen Seite natürlich ein schönes Jugendevent ist, auf der anderen Seite einen sehr hohen Aufwand – Stichwort: Veranstaltungsrecht, Sicherheit, Haftung – bedeutet und schließlich vor allem die Nachhaltigkeit geprüft werden muss. Es stellt sich hier die Frage: Können wir die erreichten Milieus auch »auf der Strecke« für das Museum und seine Aufgaben interessieren? Nicht alle sozialen Milieus sind leicht zu erreichen – wo kann Ihrer Meinung nach ein wirkungsvoller Hebel angesetzt werden? Ja, es ist oftmals sehr schwierig. Schon bei »PINK« haben wir aber gelernt, dass es wichtig ist, Sozialverbände einzubinden und damit schon existierende Strukturen zu nutzen. Natürlich immer unter der Prämisse, dass das jeweilige Angebot oder Projekt auch für beide Seiten stimmig ist und einfach passt. Ein schönes Beispiel dafür war das interkulturelle Programm »YES, WE’RE OPEN!«, das auf dem Höhepunkt der Flüchtlingsbewegung 2015 in einem großen Team ausgedacht wurde. Jugendliche, die wir über die unterschiedlichsten Initiativen mit Geflüchteten und mit viel privatem Engagement einladen konnten, waren integraler Bestandteil der verschiedenen Angebote. Ganz generell braucht es für Menschen, in deren Leben das Museum noch nie eine Rolle spielte, immer einen ersten Impuls. Ein oft gehörtes Argument ist ja, dass der Museumsbesuch zu teuer wäre – dabei ist der Eintritt in alle unsere Häuser sonntags mit einem Euro Eintritt nahezu kostenlos, und Jugendliche unter 18 haben ohnehin freien Zugang. Liegt es vielleicht auch an der Kommunikation, dass Museen einfach nicht von ihrem Elfenbeinturm-Image loskommen? Da wir kein kommerzielles Unternehmen sind, gelten etwas andere Spielregeln für die Kommunikation, wobei wir im Prinzip natürlich ebenfalls den »Umsatz« gerne steigern möchten. Inhalte dürfen aber auch sperrig oder kritisch sein, hier liegt vielleicht sogar die Zukunft des Museums. Wir sind nun einmal keine Vergnügungsstätte, auch wenn das während der Corona-Zeit gerne so dargestellt wurde. Wir sind eine Bildungsstätte, die ähnlich einer Schule konsum- und damit werbefrei sein sollte. Trotzdem ist die Wahrnehmung eines Museums oftmals elitär … … was aber sehr auf das Museum ankommt. Aber ich gebe Ihnen recht, dass wir uns immer wieder hinterfragen müssen, ob wir auf dem richtigen Weg sind und den Ansprüchen eines für alle zugänglichen Bildungsortes gerecht werden. Das fängt schon bei der Sprache, den Erläuterungen zu den Kunstwerken oder den Ankündigungen von Programmen an. Zur Frage der Hierarchie hat sich ein Erlebnis eingeprägt: Vor einigen Jahren führten wir ein Projekt mit einem bekannten Künstler durch, der gerade eine Ausstellung bei uns hatte. Wir hatten Schüler*innen eines Gymnasiums und einer Mittelschule eingeladen, die gemeinsam Plakate gestalteten. Als der Künstler am letzten Tag persönlich anwesend war, geschah etwas Interessantes: Die Gymnasiast*innen brachten sich auf einmal mit ihrem Wissen in Stellung, und es entstand ganz ungewollt eine Konkurrenz zu den Mittelschüler*innen. Das war auch für mich eine sehr prägende Erfahrung, die die Frage aufwirft: Wie schaffen wir es, diese sozialen Unterschiede zu überbrücken? Hier war es jedenfalls nicht geglückt … Haben Sie darauf in den vielen Jahren der Museumstätigkeit eine Antwort gefunden? Na ja, wir können nur ein klitzekleines Körnchen in die jeweiligen Biografien streuen, wir verändern sicher keine kompletten Lebensläufe. Kunstprojekte für Jugendliche sind keine Maschine, in die diese hinein- und anders herausgehen. Vielleicht machen wir aber einfach neugierig oder wecken ein Interesse, das mit Glück und den richtigen Begegnungen zu einem positiven Teil des Alltags wird. Und last, but not least sollten wir auch Konflikte zulassen, die wir dann ausbalancieren. In welcher Rolle sehen Sie sich und Ihre Kolleg*innen? Wir fungieren als Kommunikator*innen und Mediator*innen, denn Kunst ohne Kommunikation ist nicht das, was wir darunter verstehen. Als öffentliche Einrichtung muss sich das Museum mit der Gesellschaft in ihrer ganzen Breite und Fülle auseinandersetzen. Wir müssen uns stets die Frage stellen, wo und wie wir hier mitwirken können. Nach seinem Studium in Berlin, das er mit einer Arbeit über spätmittelalterliche Malerei abschloss, kam Jochen Meister 1996 nach München. Dort baute er den Bereich der Kunstvermittlung für die Bayerischen Staatsgemäldesammlungen mit auf und fungierte 2009 als Projektleiter für Kunstvermittlung im Museum Brandhorst. Viele Jahre leitete Jochen Meister den Besucherservice und die Kunstvermittlung der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen und agierte unter anderem als Gastkurator am Haus der Kunst in München. Seit Juli diesen Jahres konzentriert sich Jochen Meister auf das Museum Brandhorst und arbeitet weiterhin als Autor für verschiedene Publikationen. Keine Frage, die Museumslandschaft ist im Wandel. Nicht zuletzt durch multimediale Möglichkeiten und damit neue Präsentationsformen entstauben sich auch etablierte und ehrwürdige Häuser quasi von selbst. Doch um tatsächlich den Weg ins Museum zu finden, dort Werte für sich zu entdecken und es als Ort des kulturellen Austauschs wahrzunehmen, ist immer noch für viele ein Initialfunke notwendig. Im Gespräch mit Jochen Meister versuchten wir zu ergründen, welche Rolle Museen in der Kulturellen Bildung spielen und wie sie Häuser für alle werden können. Begegnungsort oder Elfenbeinturm? Nahbarer Museen als Orte der Vermittlung I N T E R V I E W

RkJQdWJsaXNoZXIy Mjk2NDUy