K3 No. 1 - Februar 2023

Dachzeile 20 das kommt | 01 | 2023 Frieden (und Krieg) Schwerpunk Krieg – Folgen für Kinder und Jugendliche „Wenn die Elefanten streiten, werden die Blumen zertrampelt.“* Immer mehr Kinder auf der Welt erleben Krieg und kriegsähnliche Ereignisse: Bombardierungen, Tötungen, terroristische Anschläge und andere Menschenrechtsverletzungen. fast automatisch in einen Zustand, in dem er jederzeit kampf- oder fluchtbereit ist. Dies ist zunächst eine normale und überlebensnotwendige Strategie, die tief in uns verankert ist und uns hilft, in Gefahrensituationen zu überleben. Diese Überlebensstrategie ist jedoch als kurzfristige Reaktion angelegt. Bei anhaltendem Hochstress entsteht eine Überlastung und die Notfallreaktion wird immer weniger nützlich. Bei vielen geflüchteten Kindern und Jugendlichen können wir beobachten, dass sie nicht mehr aus dem hochaktivierten und erregten Zustand herausfinden. Dies führt langfristig zu einer Überlastung, erhöhtem Stresserleben und zu manifesten Symptomen und Erkrankungen. Sie können nicht entspannen, fühlen sich sehr nervös und bedroht – gleichzeitig erschöpft und unkonzentriert. Rückgewinnung von Vertrauen als Basis Das Risiko von psychischen Erkrankungen aufgrund eines Traumas ist bei geflüchteten Kindern und Jugendlichen um ein Vielfaches erhöht. Als Traumafolgestörungen treten auch affektive und somatoforme Störungen wie Depressionen oder Ängste, Sozialverhaltensstörungen und Entwicklungsrückschritte auf. Bei der PTBS kommt es zu einem verzögerten Auftreten von Reaktionen. Trauma-assoziierte Stressoren – Trigger genannt – lösen starke Anspannungszustände aus. Ohne Behandlung kann die Erkrankung chronifizieren und zur Entwicklung weiterer psychischer oder körperlicher Erkrankungen führen. In der Abteilung für Kinder, Jugendliche und Familien bei Refugio München werden ambulante Psychotherapien und Sozialberatungen durchgeführt. In einem Erstgespräch werden die Indikation und die Voraussetzungen für eine ambulante Psychotherapie überprüft. Die jungen Patient*innen leiden in der Regel bereits seit längerem unter chronifizierten und schweren psychischen Erkrankungen. Der Fokus der Behandlungen liegt auf der Traumatherapie, bei der es zunächst um das Aufbauen einer vertrauensvollen Beziehung und die Stärkung von Ressourcen und Selbstwirksamkeit geht. Im weiteren Verlauf wird eine Trauma-Konfrontation und -Integration angestrebt. Zuvor ist meist viel Motivationsarbeit notwendig, die sich jedoch lohnt, da die Behandlungsmethoden zu den effektivsten überhaupt in der Trauma-Behandlung gehören. Nach Abschluss der Therapie berichten die Kinder und Jugendlichen oft: „Sie haben mir mein Leben zurückgeben.“ Dr. med. GU I DO T E R L I ND E N, Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie, spezielle Psycho-Traumatherapie für Kinder und Jugendliche, früher Oberarzt in einer Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie tätig, heute Refugio München Refugio München ist ein Beratungs- und Behandlungszentrum für Menschen mit Fluchterfahrung. Mit psychosozialen, therapeutischen und pädagogischen Angeboten und der Zusammenarbeit mit Dolmetscher*innen sowie Außenstellen in Landshut und Augsburg sind wir eine der wenigen Anlaufstellen für traumatisierte Geflüchtete in Bayern. Seit 1994 unterstützen wir pro Jahr ca. 2.000 geflüchtete Kinder, Jugendliche und Erwachsene, ihre traumatische Vergangenheit zu bewältigen. www.refugio-muenchen.de In der Kunstwerkstatt von Refugio lernen Kinder, ihre Gefühle wahrzunehmen und auszudrücken – mit verschiedenen künstlerischen Mitteln. Kriege und Konflikte zwingen Kinder und Jugendliche mit ihren Familien oder auch alleine zur Flucht. Sie müssen Bezugspersonen, Freund*innen, ihr vertrautes Umfeld und ihre Schule zurücklassen. Das UN-Flüchtlingskommissariat der Vereinten Nationen (UNHCR) geht davon aus, dass 2022 mehr als 100 Millionen Menschen auf der Flucht waren; ungefähr die Hälfte davon sind Kinder und Jugendliche. Traumatische Erlebnisse können bei Kindern und Jugendlichen häufiger als bei Erwachsenen zu anhaltenden negativen Folgen führen. Aber was genau ist ein Trauma? Als traumatisch bezeichnet man Ereignisse, bei denen Menschen Situationen von lebensbedrohlichem oder katastrophalem Ausmaß ausgesetzt sind und intensive Gefühle von Angst, Hilfslosigkeit und Ohnmacht ausgelöst werden. Beispiele für traumatische Ereignisse sind das Miterleben von Kriegsszenen, schweren Unfällen sowie körperliche oder sexualisierte Gewalterfahrungen. Die psychischen Reaktionen auf traumatische Ereignisse können sich bei den Betroffenen sehr stark unterscheiden. Maßgebliche Faktoren für die Entstehung schwerer Folgereaktionen sind die Art und Schwere des Traumas sowie die subjektive Beurteilung des Ereignisses bzw. psychische oder körperliche Vorbelastungen. Kinder und Jugendliche tragen ein höheres Risiko für posttraumatische Folgeerkrankungen, weil ihre Coping-Strategien auch von Bezugspersonen abhängig sind. Andere Gründe können fehlende Lebenserfahrung oder unrealistische Gefahreneinschätzung sein. Man unterscheidet Akut-Trauma und chronische Traumafolgestörungen wie beispielsweise eine Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS). Viele Menschen reagieren nach einem katastrophalen Ereignis mit akuten Schock-Symptomen: starke Ängste und Verzweiflung, Überforderungs- und Ohnmachtsgefühle, vegetative Symptome wie Herzklopfen und Schwitzen. Dabei ist nicht das erschütternde Ereignis das Akut-Trauma, sondern die starke Reaktion des Körpers und der Psyche darauf. Bei einem hochstressigen Ereignis wechselt der Körper Was braucht es, damit wir in Frieden miteinander leben können? » „Menschen sind sehr egoistisch. Aber hätten sie kein Ego, gäbe es keinen Krieg.“ (10) Foto: Refugio München * afrikanisches Sprichwort

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