K3 No. 1 - Februar 2023

Dachzeile 18 das kommt | 01 | 2023 Frieden (und Krieg) Schwerpunk Kinder und Jugendliche sind dabei selbst viel zu oft von Gewalt und Gewaltstrukturen betroffen. Die Altersgruppe stellt eine gesellschaftliche Minderheit ohne formalisierte politische Teilhabe dar und ist den Mechanismen von Bildungsungerechtigkeit und Diskriminierung ausgesetzt. Das war grundsätzlich schon vor der Pandemie, vor dem Krieg in der Ukraine und dem Diskurs über den Klimawandel so. Bei diesen drei aktuell vorherrschenden Themen zeigt sich nochmals eindrücklich, wie randständig die Bedürfnisse von Kindern und Jugendlichen behandelt und wie massiv ihre Zukunftsperspektiven weiter beeinträchtigt werden. Dabei erheben sie zu Recht den Anspruch, mit ihren Bedürfnissen wahrgenommen und gehört zu werden. „Gewalt ist der tatsächliche oder angedrohte absichtliche Gebrauch von physischer oder psychologischer Kraft oder Macht, die gegen die eigene oder eine andere Person, gegen eine Gruppe oder Gemeinschaft gerichtet ist, und die tatsächlich oder mit hoher Wahrscheinlichkeit zu Verletzungen, Tod, psychischen Schäden, Fehlentwicklung oder Deprivation führt.“ (WHO 2002) Diese Definition ist für die Friedenspädagogik ein wichtiger Bezugsrahmen. Deshalb fragen wir Kinder und Jugendliche in der friedenspädagogischen Bildungsarbeit nach ihrem Erleben und ihren Empfindungen des sozialen und gesellschaftlichen Miteinanders. Unbestritten ist es richtig, wenn Kinder und Jugendliche Konfliktkompetenzen, Affektkontrolle und Wissen über gesellschaftliche und politische Vorgänge erwerben. Uns scheint es aber mindestens genauso wichtig, Kinder und Jugendliche zu ermächtigen, ihre Anliegen und Bedürfnisse zu artikulieren, sich in Aushandlungsprozesse zu begeben und die Umsetzung geforderter (erzieherischer) Maßnahmen möglich zu machen. Dazu braucht es passende Räume, Ausdrucksformen und Veranstaltungs- oder Medienformate. Wir wollen Kinder und JugendEines der vielen AGFP-Projekte aus 2022: „Frieden“ liche ermutigen, in sozialen Auseinandersetzungen ihre Stimme zu erheben und gemeinsame Anliegen in die Öffentlichkeit und in den politischen Raum zu tragen. Lebensweltlicher Ansatz der Friedenspädagogik In der Praxis bedeutet dies: Kinder und Jugendliche formulieren, welche Unterstützung sie sich von den Erwachsenen im Schulalltag wünschen (in der Gewaltprävention an Schulen), welche Chancen sie bei der Verselbständigung mit Ausbildung und Wohnen vermissen (Jugendtalk), wie der innere und der äußere Frieden zusammenhängen (Friedensprojekt), welche gesellschaftlichen und politischen Gegebenheiten sie verändern wollen (z.B. die Aktionen der „Pastinaken“, ein Kollektiv für politische Bildung in München), wie gegen Rassismus und Diskriminierungserfahrungen sensibilisiert werden kann (HipHop-Projekt) und welche Freiräume und Ressourcen zur Verfügung stehen müssen, um sich altersgerecht entwickeln zu können (Kinder- und Jugendbeteiligung). Mit dieser Form der Partizipation entwickeln Kinder und Jugendliche ihren kritischen Blick weiter. Sie nehmen die Verhältnisse, die sie umgeben, nicht als unveränderbar hin, sondern überlegen selbst, welche Verbesserungen es für den Frieden im Kleinen und im Großen bräuchte. Selbstverständlich bezieht sich der kritische Blick auch auf die Wirkung pädagogischer Praxis – sei es in der Schule, im Hort oder in außerschulischen Settings. Der Klagenfurter Universitätsprofessor Werner Wintersteiner sieht das ohnehin als eine wichtige Aufgabe der Friedenspädagogik: „Die Friedenspädagogik ist nicht einfach neuer Inhalt für die Pädagogik, sondern es ist Sozialkritik auf das Feld der Pädagogik gewendet, die untersucht oder überprüft, wie weit die Pädagogik selbst (...) friedensfördernd ist oder nicht.“ Robert Pechhacker, Arbeitsgemeinschaft Friedenspädagogik e.V. Literatur ■ Grasse, R.; Gruber, B.; Gugel, G. (2008): Friedenspädagogik. Grundlagen, Praxisansätze, Perspektiven. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt Taschenbuch Verlag Alle Projekte, Formate und Bildungsangebote der Arbeitsgemeinschaft Friedenspädagogik (AGFP) – Institut für Gewaltprävention und demokratischer Bildung auf www.agfp.de Mit Kindern über Frieden und Krieg sprechen Behutsam und ehrlich Aktuell kommen Kinder häufig in Kontakt mit Bildern des Kriegs in der Ukraine. Sie begegnen ihnen im Fernsehen, im Internet oder in anderen Medien. Das Thema Krieg erreicht Kinder auch über Gespräche der Erwachsenen oder geflüchtete Kinder in ihrer Kita-Gruppe. Sie spüren deren Ängste und Verunsicherung. Sie sind neugierig und haben viele Fragen. Stellen Kinder Fragen zum Thema Krieg und Frieden, sollten die auch beantwortet werden. Bild: AG Friedenspädagogik

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