K3 No. 1 - Februar 2023

| 01 | 2023 17 Frieden (und Krieg) Schwerpunkt deshalb diesen Krieg führe, um das Land zu befreien. Das hätte genügt. Heute wird dieses Narrativ immer weiter von kleinteiligen Behauptungen und Erzählungen gefüttert: Hier das Foto eines ukrainischen Soldaten mit NS-Symbol auf der Uniform, da ein gefälschtes Plakat einer Kinderwunschklinik, die Material reinrassiger Ukrainer*innen sucht, dort ein manipuliertes Video über angebliche Nazi-Schmierereien ukrainischer Fußballfans. All das wird als Beweis dafür verkauft, dass die Ukraine voller Nazis sei und befreit werden müsse. Ich bin jetzt Mitte 30. Für mich war Krieg als Kind immer weit weg. Ich erinnere mich, dass ich ganz selten mal – meist in der Tagesschau – von Krieg und Konflikten in der Welt gehört habe. Im Zweifel haben mich meine Eltern sogar vorher ins Bett geschickt. Heute wird jedes Kind mit Bildern und Videos überflutet. Dazu kommen Influencer*innen, die einen direkten Zugang zur Zielgruppe haben. Wie können sich Kinder und Jugendliche dennoch orientieren? Wenn mir eine Nachricht unglaubwürdig oder unerwartet vorkommt, ist der erste Schritt, zu recherchieren, ob für diese Nachricht eine Quelle angegeben wurde. Fehlt sie, sollte man misstrauisch werden. Gibt es eine, sollte man sich die unbedingt genau anschauen: Immer wieder steht in Quellen gar nicht das, was behauptet wird. Nach ein paar Stichpunkten aus der Meldung im Internet zu recherchieren, hilft auch, um herauszufinden, ob es seriöse Medienberichte zu dem Thema gibt – oder einen Faktencheck. Ich weiß, dass es schwer ist, von Kindern und Jugendlichen zu erwarten, Informationen zu hinterfragen und zu prüfen. Sie verlassen ihre Plattform in der Regel nicht, um sich eine weitere Meinung einzuholen. Diese Bewusstseinsbildung wäre aber extrem wichtig; ihnen muss klar werden, dass die Inhalte auf TikTok oder Instagram nicht stimmen müssen. Julia P. oder Alina Lipp sind reichweiterstarke Influencerinnen, die die Ukraine zum Kriegsschuldigen machen. Jugendliche könnten denken, dass die beiden recht haben, weil sie von dort berichten … Das ist in der Tat eine Gefahr. Recherchiert man allerdings diese beiden Namen, erfährt man schnell, dass es Diskussionen um ihre Unabhängigkeit und Glaubwürdigkeit gibt. Allein das sollte Grund genug sein, deren Informationen kritisch zu bewerten. Es klingt banal – ist aber wichtig: Beim Medienkonsum muss man mitdenken. Allerdings setzt das voraus, dass man ein Grundvertrauen in unsere Demokratie und in die Kontrollfunktion der Medien hat. Wie kann man politisch motivierte Inhalte erkennen? Die meisten Akteur*innen, die Desinformation verbreiten, teilen sehr viele Inhalte – zum Beispiel auf Telegram. Wenn man diese Meldungen im Gesamtkontext betrachtet, merkt man schnell, ob dort einseitige Informationen zu einem Thema geteilt werden und im Gegensatz zur allgemeinen Medienberichterstattung stehen. Ob das jemand aus persönlicher Überzeugung tut, um politisch Einfluss zu nehmen oder weil er zum Beispiel vom Kreml finanziell unterstützt wird, lässt sich leider nicht so einfach verifizieren. Welche Aufgabe haben dabei pädagogische Fachkräfte? Die Fähigkeit zu Quellenrecherche und Quellenkritik muss ein Bildungsziel sein. Man sollte Kindern und Jugendlichen vermitteln, dass es wichtig ist, auch die Perspektiven anderer einzunehmen und dass es andere Weltbilder als das eigene geben darf. Gleichzeitig muss man Friedenspädagogik als Bildung für den Frieden How to Friedenspädagogik Friedenspädagogik? Was machen die da eigentlich? Wer ist die Zielgruppe? Und welche Methoden werden angewandt? Um die Antwort auf die letzte Frage vorwegzunehmen: Wir arbeiten mit vielen bekannten Methoden aus dem sozialen Lernen, der politischen Bildung, der Sozialen Arbeit und der kulturellen Bildung. Die Methoden machen aber nur einen Teil der Arbeit aus. Vielmehr geht es um den friedenspädagogischen konzeptionellen Rahmen – um die Haltung oder das Mindset, mit dem wir mit Kindern und Jugendlichen und ihren erwachsenen Bezugspersonen arbeiten. Friedenspädagogik versteht sich dabei als eine pädagogische Praxis, als Bildung für den Frieden. Dabei ergeben sich verschiedene Fragen: Welches Wissen, welche Fähigkeiten und welche Handlungsmöglichkeiten braucht das Individuum bzw. die Gemeinschaft, die Gesellschaft, Gruppe oder Schulklasse, um ein friedliches Miteinander zu gestalten? Und was bedeutet in diesem Zusammenhang Frieden? So wird Frieden in der Friedenspädagogik nicht alleine als Abwesenheit von Konflikten oder Kriegen verstanden. Es geht vielmehr um eine konstruktive Bearbeitung von Konflikten sowie eine „Sensibilisierung und Überwindung von Gewalt und Gewaltstrukturen“ (Grasse/Gruber/ Gugel 2008, S. 11). vermitteln, dass hinter der Verbreitung von Desinformation – die häufig eher aus dem rechten politischen Spektrum kommt – der Versuch steht, die Gesellschaft zu spalten. Mit KI und ChatGPT werden die Herausforderungen nicht leichter, oder? Im Moment ist der technische Aufwand für Anwendungen der Künstlichen Intelligenz, wie zum Beispiel Deep Fakes, noch sehr hoch. Wir sehen noch keine breit angelegten Kampagnen der Desinformation. Aber es ist definitiv eine Entwicklung, die wir im Blick haben müssen. Dafür braucht es rechtzeitig Regulierungsmaßnahmen, Prävention und Aufklärung. Im Moment sind vier Dinge wichtig: Kinder und Jugendliche müssen in der Lage sein, Quellen zu erkennen und kritisch zu bewerten. Sie müssen diese Quellen auf Plausibilität prüfen können. Schließlich sollten sie ihre Informations- und Kommunikationskanäle breit anlegen und gegeneinander prüfen – und im besten Fall aus ihren Kommunikationsroutinen ausbrechen. Wir sollten Kinder und Jugendliche ermutigen, die Medienvielfalt zu nutzen, um sich umfassend zu informieren und sich auf dieser Grundlage eine eigene Meinung zu bilden. Ein Tipp, den übrigens auch Erwachsene beherzigen sollten … Interview: Marko Junghänel US CH I J ONA S, Jahrgang 1988 aus Berlin, Master in Sozialwissenschaften, studiert berufsgleitende Umweltwissenschaften, Journalistin und Team-Leiterin CORRECTIV.Faktencheck Was braucht es, damit wir in Frieden miteinander leben können? » „… Respekt, Höflichkeit, Einsatz, helfen“ (Liana, 13) Was braucht es, damit wir in Frieden miteinander leben können? » „Der Krieg in der Ukraine soll enden. Die Konflikte sollen nicht in den Krieg führen.“ (Marie, 13)

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