Dachzeile 24 das kommt | 05 | 2022 Nachhaltigkeit Schwerpunk Mineralwassers in der Plastikflasche im Supermarkt. Die Kugel Eis in der Eisdiele hat den gleichen Preis – egal, ob ich sie in der Waffel oder im plastikbeschichteten Einwegbecher nehme. Ein Kleinwagen ist in Anschaffung und Unterhalt deutlich billiger als eine große Limousine oder ein Geländewagen. Laut ADAC belaufen sich die realistischen Kos- ten für einen Kleinwagen im Monat auf ca. 400 Euro. Ein Monatsticket für den gesamten MVV-Bereich kostet ab Dezember dieses Jahres nur 243 Euro. Da bleibt also noch Geld für mehrere Bahnfahrten übrig und man muss sich nicht um neuen Winterreifen kümmern … Was brauchen wir wirklich? Natürlich gibt es Bereiche, in denen die nachhaltigeren Alternativen teurer sind, z.B. bei der Kleidung. Doch selbst hier gibt es Möglichkeiten, der vermeintlich billigen „Fast Fashion“ zu entgehen, indem man Secondhand-Angebote nutzt oder sich statt drei billigen T-Shirts ein qualitativ hochwertiges Produkt kauft, das auch nach der zehnten Wäsche noch wie ein T-Shirt aussieht. So kann man für das gleiche Geld deutlich nachhaltiger leben. Das Wort „Verzicht“ ist auf politischer Ebene verpönt; besser hört sich „Minimalismus“ an. Unzählige Bücher und teure Coaches geben Ratschläge für einen minimalistischen Lebensstil, der nachhaltiger ist als die Freizeitbeschäftigung „shoppen“. Weniger ist mehr, lautet die Devise. Doch Minimalismus oder Verzicht sind vor allem für jene schwierig, die von vielem tatsächlich zu wenig haben. Das schicke Leben der „Reichen“ erscheint sehr erstrebenswert. In unserer Gesellschaft ist Anerkennung noch immer an materielle Werte gekoppelt: Wer die „richtigen“ Klamotten trägt, gehört dazu, das Auto ist ein Statussymbol hierzulande. Ein Umdenken ist nötig, damit wir nicht länger die hemmungslos Konsumierenden beneiden, sondern diejenigen, die nachhaltig leben, weil sie etwa coole Secondhand-Klamotten tragen. Politik muss dringend einen Beitrag leisten, nachhaltiges Leben einfacher und günstiger zu machen, z.B. durch die Änderung der Besteuerung. Wie kann es sein, dass klimaschädliches Fleisch einen Mehrwertsteuersatz von 7 Prozent hat – klimafreundliche Hafermilch, Mineralwasser oder Apfelsaft dagegen mit 19 Prozent besteuert wird? Ein Umdenken gelingt nur gemeinschaftlich: Wenn es egal ist, welche In der Community Kitchen in Neuperlach werden aus geretteten Lebensmitteln leckere Mahlzeiten zubereitet. Dort kann man für 7 Euro zum Essen gehen! Kleidung jemand trägt, und ein gebrauchtes Buch als Geburtstagsgeschenk als ebenso wertvoll betrachtet wird wie ein neues, dann sind wir einen Schritt weiter. Die Trends zu mehr Achtsamkeit und Dankbarkeit sind hilfreich auf dem Weg, sein eigenes Leben nachhaltiger zu gestalten. Bis dahin müssen wir die Möglichkeiten nutzen, die sich uns jetzt schon als kostengünstige Alternativen bieten: Die Idee der Suffizienz leben! Das bedeutet leihen, tauschen, reparieren und „benutzen statt besitzen“. Egal, ob die Bücherei, der „Pimp your clothes“-Workshop oder die Urban-Gardening-Gruppe: Wir können mit Spaß und kleinem Geldbeutel nachhaltig leben, nicht im Sinne von Verzicht, sondern als Bereicherung des Lebens verstanden. J U L I A T RA X E L aus München, Jahrgang 1975, Studium der Diplom-Biologie und ausgebildete Gärtnerin, Fachstelle Nachhaltigkeit und BNE (Bildung für nachhaltige Entwicklung), KJR Nachhaltigkeit in der Offenen Kinder- und Jugendarbeit: Freizeittreff Freimann Vintage-Kleider-Party Ein schöner Abend, um Kleidung zu tauschen, zum Upcycling und Austausch. Im Schnitt kaufen deutsche Verbraucher*innen zehn Kilo Kleidung pro Jahr. Dabei haben Umfragen ergeben, dass viele dieser Kleidungsstücke nie getragen werden und ungenutzt im Schrank liegen. Mode ist heute günstig zu haben und bei 24 Kollektionen im Jahr, die die Fast-Fashion-Industrie auf den Markt wirft, werden die Kleidungsstücke auch nur noch halb so lange getragen wie vor 15 Jahren. Das hat viele negative Folgen für die Umwelt und die menschliche Gesundheit: Von Rohstoffverschwendung über giftige Chemikalien im Wasser bis zu menschenunwürdigen Arbeitsbedingungen und Tonnen von Müll. Was kann man tun? Der einfachste Weg ist, die Lebensdauer unserer Kleidung zu verlängern. Das geht besonders einfach, wenn man Kleidung tauscht. Für viele unsere Teenager und Jugendlichen gehört es dazu, öfter neue Kleidung zu tragen; und darin liegt auch das eigentliche Problem. Die Kleidung soll am besten neu sein. Das ist bei einer Kleidertauschparty selten der Fall. Einer der Gründe, warum bei der ersten Kleidertauschparty im Freizeittreff Freimann nicht so viele Mädchen erreicht werden konnten. „Ist ja eklig, Kleidung von Fremden“, war oft die Antwort. Ende September dieses Jahres war es endlich so weit, und wir konnten einen zweiten Versuch wagen. Das Rahmenprogramm wurde vergrößert – auch, um die Mädchen und jungen Frauen anzulocken. Neben dem Tauschen der Kleidung gab es eine kostenlose Make-up-Beratung, eine Foto-Box und eine Nähstation, bei der die Kleidung gleich angepasst und verschönert werden konnte. Als Special Guest war die DJane „Feuermelda“ eingeladen, die ordentlich einheizte. Bewährte Angebote der ersten Party wurden erneut umgesetzt. Es gab einen Siebdruck-Stand, eine Modenschau und ein Quiz zum Thema Kleidung und Nachhaltigkeit. Insgesamt wurden ca. 50 Mädchen und junge Frauen erreicht. Die erweiterte Werbung und neue Stationen haben zum Erfolg geführt und sollen im nächsten Jahr fortgeführt werden. Die Veranstaltung wurde in Kooperation mit den jungen Frauen von Heimaten e.V. geplant und durchgeführt. Vielen Dank auch an die Fachstelle Junge Geflüchtete für die finanzielle Unterstützung. Jenny Otto, Freizeittreff Freimann, KJR Bild: KJR
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