| 05 | 2022 21 Nachhaltigkeit Schwerpunkt teaustausch hat, welchen ökologischen Fußabdruck eine landesweite Tagung verursacht, die an einem Ort stattfindet, der praktisch nicht mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichbar ist. Die Fachstelle für internationale Jugendarbeit in der Bundesrepublik Deutschland (IJAB) macht sich zu dieser Zwickmühle längst Gedanken; auch Bundesjugendring, Bayerischer Jugendring oder Kreisjugendring haben längst Positionspapiere zur Mobilität verabschiedet. Was bedeutet das aber konkret; wie wird sich (internationale) Jugendarbeit verändern? Mit „Learning Mobility in Times of Climate Change (LEMOCC)“ hat der IJAB ein langfristig angelegtes Projekt aufgesetzt, das Auslandsaufenthalte, Lernmobilität, ehrenamtliches Engagement in der Jugendarbeit vor Ort und internationale Erfahrungen dahingehend erforscht, wie diese Formen von Mobilität in Einklang mit den klimapolitischen Forderungen der Jugendarbeit gebracht werden können. Das Projekt umfasst die aktuell laufende Studie „Listening to young people: Mobility for future“. Sie untersucht erstmals den Zusammenhang von Jugend, Mobilität und Klimawandel aus der Perspektive von jungen Menschen. Die Ergebnisse sind schon jetzt wegweisend für die Zukunft der (internationalen) Jugendarbeit. Im Rahmen eines Mixed-Method-Designs wurden die Perspektiven junger Menschen zwischen 15 und 30 Jahren aus sieben Ländern untersucht. So waren insgesamt über 1.500 Teilnehmende aus China, Deutschland, England, Estland, Finnland, Frankreich und der Türkei beteiligt. Die Ergebnisse enthalten wichtige Implikationen für Jugendarbeit bzw. Jugendmobilität. So wurde beispielsweise deutlich, dass junge Menschen über alle beteiligten Länder hinweg den Klimawandel als ein ernst- bzw. sehr ernstzunehmendes Thema einordnen. Ihre Einschätzung zur Bedeutung des Reisens für den Klimawandel hängt jedoch eng mit ihren persönlichen Mobilitätserfahrungen zusammen. Junge Menschen, die häufiger mobil sind, schätzen die im Rahmen von Reisemobilität entstehenden Klimabelastungen höher ein als diejenigen, die seltener reisen. Für die Jugendarbeit kann dies bedeuten, neu(er)e Reiseformate mitzudenken und dem Wunsch nachzukommen, ausschließlich klimafreundliche und nachhaltige Mobilitätsoptionen anzubieten, denn: Junge Menschen sind bereit, ihre Art von Mobilität anzupassen, indem sie sich etwa klimafreundlicher Transportmittel bedienen oder seltener reisen, dafür jedoch längere Aufenthalte einplanen. Insgesamt zeigt die Studie, dass junge Menschen im Rahmen ihres Einsatzes für Fragen der Klimasensibilität ihrem individuellen Handeln und ihrer persönlichen Verantwortung eine hohe Bedeutung zuschreiben. Dies gilt auch für ihre Wünsche hinsichtlich einer klimasensiblen Jugendmobilität. So ist für sie beispielsweise auch eine vegetarische oder vegane Ernährung relevant – und dies nicht nur im Alltag, sondern auch beim Reisen; also auch bei Jugendbegegnungen oder Veranstaltungen der Jugendarbeit. „Wir sind die Generation, die diesen Planeten in Zukunft braucht!“ Grundsätzlich gilt: Junge Menschen müssen (mehr) gehört werden und Möglichkeiten bekommen, sich transnational in ihrem Engagement und in ihren Diskussionen zu vernetzen und auszutauschen. In einem Punkt sind sich alle Befragten einig: Jugendliche müssen und sollen reisen. Sie sollen die Welt sehen, Kulturen erleben und Erfahrungen sammeln – all das erleben und selbst gestalten, was Jugendarbeit und Jugendbegegnung ausmacht. Denn das ist ein wichtiger Teil des Erwachsenwerdens, des Über-sich-Hinauswachsens. Auch wenn viele Projekte und Veranstaltungen seit Ausbruch der Pandemie online stattfinden: Virtuelle Meetings ersetzen Erfahrungen im realen Leben nicht, oder zumindest nicht vollständig. Nachhaltigkeit in der Jugendverbandsarbeit: JDAV Für ein Eis extra Die Anreise verursacht bei den meisten Jugendgruppenfahrten den größten Anteil an klimaschädlichen Emissionen. In der Jugend des Deutschen Alpenvereins (JDAV) München wollen wir klimaschonende Ausfahrten fördern und unsere Gruppen zu einer möglichst emissionsarmen Tourenplanung motivieren. Deswegen gibt es bei uns seit 2015 einen Zuschuss für Gruppenfahrten, die mit Bus, Bahn, Fahrrad oder zu Fuß durchgeführt werden. Aktuell werden pro Tour zwei Tage, d.h. der An- und Abreisetag, pro Person jeweils mit zwei Euro gefördert. Den Zuschuss gibt es zusätzlich zu anderen Förderungen. Er kann frei verwendet werden, zum Beispiel für Zugtickets oder, wenn man mit dem Fahrrad unterwegs ist, für ein Eis. Bei ziemlich genau der Hälfte der Touren, für die 2019 und 2022 eine Maßnahmenförderung beantragt wurde, beantragten die Gruppen auch den ÖPNV-Zuschuss. Die Jugendleiter*innen reichen hierfür eine Unterschriftenliste mit den Eckdaten der Fahrten bei uns ein und wir zahlen den Gruppen den Förderbetrag aus. Wir versuchen, das Prozedere möglichst einfach und niederschwellig zu halten und das Angebot wird gerne genutzt. JDAV Bezirk München Klimaschonend ins Gebirge – klimaschonend durch die Bergwelt Wo sollte also angesetzt werden? In einem Aktionsplan werden die Ideen der Jugendlichen, die im Rahmen der Befragung entstanden sind, zusammengetragen und konkretisiert. Herauskristallisiert hat sich, dass Politik unter Zugzwang steht. Denn man macht es sich leicht, ausschließlich die Jugendmobilität an den Pranger zu stellen. Stattdessen sind generelle politische Veränderungen nötig, um den CO2-Ausstoß zu reduzieren, wie beispielsweise die Energiewende, eine Verringerung von Massentierhaltung oder der Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs. Konkret wünschen sich die Jugendlichen günstigeres Zugfahren, einen Ausbau der Digitalisierung oder nachhaltige Materialien während des Aufenthaltes. Denn wie eine der Teilnehmenden zusammenfasst: „Wir sind die Generation, die diesen Planeten in Zukunft braucht!“ Und dafür ist ein Umdenken in vielen Lebensbereichen essenziell. MAR KO JUNGHÄNE L aus Lichtenstein, Jahrgang 1968, Kommunikationswissenschaftler und Politologe, seit 2010 Mitglied der Redaktion des „K3“ Bild: MaBraS auf Pixabay
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