K3 No. 4 - September 2022

| 04 | 2022 35 Alle(s) inklusiv!? Schwerpunkt Dass Kathi an einer Chromosomenstörung leidet, hat dazu geführt, dass wir ein Gespräch über Inklusion und Teilhabe führen wollten. Wenn Inklusion Zugehörigkeit bedeutet, heißt das, dass in einer inklusiven Gesellschaft alle Menschen dazu gehören und niemand ausgegrenzt wird. Kathi und ihre Familie stehen also dafür, eine Gesellschaft dahin zu entwickeln, dass „Anderssein“ normal und am Ende sogar bereichernd ist. Schließlich bleibt diese Erkenntnis vom gemeinsamen Kaffeetrinken und Eisessen an diesem Nachmittag zurück: Ich weiß, dass ich besonders bin, aber ich will dabei sein, wo immer ich kann, scheint Kathi uns zu verstehen zu geben. Und darin kommt zum Ausdruck, was sie sich wünscht – für sich und andere Menschen: Teil des Ganzen zu sein. Die Idee mit dem Café oder der Eisdiele, wo Kathi gern arbeiten würde, ist übrigens gar nicht so utopisch. „Das wäre ein Traum – ein Kiosk an der Isar, wo wir Kathi und anderen eine realistische Berufs- und Lebensperspektive geben können“, wünscht sich Katharina Jürgens. Und Kathis Augen leuchten bei diesem Gedanken. Sie ist zweifelsfrei eine gute Gastgeberin. „Ich kann mir gut Sachen merken und vergesse keinen Termin“, bestätigt Kathi. Es gibt viele gute Lösungsansätze, eine Gesellschaft so inklusiv wie möglich zu gestalten. Ob jemand dazugehört oder nicht, ob jemand gleichberechtigt mitreden kann oder nicht und ob jemand Entscheidungen eigenständig treffen kann oder nicht, das darf sich in jedem Fall nicht daran festmachen, ob man einen Führerschein hat, ob man selbständig Formulare ausfüllen kann oder einen Mietvertrag für eine WG unterschreiben darf. Eine Gesellschaft vergibt viele Chancen des gemeinsamen Wachsens, wenn sie Kathi Möglichkeiten vorenthält und unterscheidet zwischen fit und hilfebedürftig, zwischen normal und anders. Auf dem Weg nach Hause schleicht sich ein Gedanken in mein Hirn: wer von uns beiden war im Gespräch gleich nochmal der oder die „Normale“ ..? MAR KO JUNGHÄNE L, Jahrgang 1968, Kommunikationswissenschaftler und Politologe, Aufgaben im KJR: seit 2010 Mitglied der Redaktion des „K3“ Inklusives Klettern bei „Bayerns Beste Gipfelstürmer“ Weil Inklusion Spaß macht! Bis heute ist Vielfalt noch nicht überall willkommen. Menschen, die nicht der gesellschaftlichen Norm entsprechen, werden in vielen Bereichen von der Teilhabe ausgeschlossen oder stehen vor Barrieren. Das Projekt „Bayerns Beste Gipfelstürmer“ möchte im Klettersport einen Ort der inklusiven Begegnung schaffen. Über 150 Teilnehmer*innen mit Behinderungen, schweren Erkrankungen, mit Fluchtgeschichte und aus sozial benachteiligten Schichten klettern hier wöchentlich in Klettergruppen sowie bei Ferienfreizeiten und anderen Outdoor-Aktivitäten. Gemeinsam lassen sich alle Aufgaben leichter bewältigen – auch in der aktiven Freizeitgestaltung Foto: Gipfelstürmer Im Vordergrund steht immer das gemeinsame Tun. Zum Klettern gehört schließlich auch, zusammen die Sicherung zu kontrollieren, sich bei Höhenangst Mut zuzusprechen und Vertrauen in den Halt der Sicherungspartner*innen zu erleben. So wachsen die Teilnehmer*innen zusammen, während sie ihre individuellen Stärken erfahren und Grenzen ausloten. „Bayerns Beste Gipfelstürmer“ baut Zugangshürden ab, etwa über finanzielle Vergünstigungen, enge Betreuungsschlüssel, technische Hilfsmittel oder geschützte Aktionen speziell für Frauen*. Auch die Kletterhalle „Heavens Gate“, das Zuhause des Trägervereins IG Klettern München und Südbayern e.V. im Münchner Werksviertel, ist weitgehend barrierefrei. Vor allem geht es darum, Mauern im Kopf einzureißen: Den Schlüssel zum inklusiven Projekt bildet das gegenseitige Lernen im wertschätzenden Austausch von und mit Menschen mit diversen Fähigkeiten. Davon profitieren nicht nur die Teilnehmenden, sondern auch die jugendlichen ehrenamtlichen Helfer*innen sowie die festen Mitarbeiter*innen des Projekts. Damit sich künftig alle Kinder und Jugendlichen noch stärker ins Vereinsleben einbringen können, wurde Mitte Juli die Jugendabteilung der IG Klettern gegründet. Hierbei geht es unter anderem um die Schaffung und den Betrieb eines Treffpunkts für Jugendliche und junge Erwachsene, die Organisation regelmäßiger Angebote jugendkultureller inklusiver Aktivitäten, das Eintreten für eigene und Rechte anderer, das Vorantreiben sozialer und politischer Anliegen junger Menschen. Aspekte wie Freiwilligkeit, Eigenverantwortlichkeit, demokratische Strukturen, das Schaffen von und Einsetzen für möglichst diskriminierungs- sowie barrierefreie Räume spielen dabei eine zentrale Rolle. Inklusion bedeutet auch mitreden, diskutieren, gehört werden – ein Prozess, der nicht in der Kletterhalle endet, sondern dort erst seinen Anstoß findet. L OT T E Z I E G L E R, Jahrgang 2002 aus München, Studium Politikwissenschaften, freie Mitarbeiterin bei „Bayerns Beste Gipfelstürmer“ » Eine barrierefreie Toilette und ein barrierefreier Zugang zum Keller und Werkraum würden einiges erleichtern. (Junge, 21)

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