K3 No. 3 - Juli 2022

Dachzeile 26 das kommt | 03 | 2022 50 Jahre Olympia – und die Jugend? Schwerpunk Kinder und Jugendliche profitieren von Olympia 1972 Als ein Ruck durch die Stadt ging Fände 2022 eine Olympiade in München statt – der Kreisjugendring würde sich vehement für die Interessen von Kindern und Jugendlichen einsetzen; wie war das eigentlich vor 50 Jahren? „1972, im Jahr der Olympiade in München, war ich Mitarbeiterin im Jugendtreff Biederstein. Ich war 21 Jahre alt und erinnere mich, dass wir alle wie euphorisiert waren von dem Gedanken, dass nun die ganze Welt auf München schaut und unzählige Menschen Gäste bei uns sein würden“, sinniert Inge Kreipe heute über die Zeit vor 50 Jahren. Eine besondere Ära damals Anfang der 1970er Jahre und nicht weniger als der „Aufbruch Münchens in die Moderne“, bestätigt auch Ronald Aster, der damals gerade Zivi war. Olympische Spiele sollen jeweils eine Art Treffen der Jugend der Welt sein. Nicht nur die aktiven Sportler*innen kommen zusammen, sondern auch zigtausende von Gästen pilgern an den jeweiligen Austragungsort, lernen die gastgebende Stadt kennen und kommen im Idealfall mit den dort lebenden Menschen in Kontakt. Wenn dem so ist – welche Rolle spielten vor einem halben Jahrhundert die Münchner Freizeitstätten des Kreisjugendrings? Hat sich der KJR an den Vorbereitungen der „heiteren Spiele“ von 1972 aktiv beteiligt – und wenn ja, in welcher Form? Jugend begegnet sich Inge und Ronald, damals beide schon aktiv in die Arbeit des KJR eingebunden, berichten, dass die Stadt den Jugendring angesprochen hatte, ob er verschiedene Freizeitstätten für die Gäste des Sportevents öffnen und für sie ein eigenes Programm anbieten wolle. Ronald: „Ich war zu der Zeit gerade Zivi. Ich erinnere mich, dass der KJR Kontaktstelle für ausländische Jugendliche sein sollte. Dafür gab es zusätzliches Geld und Personal von der Stadt. Ich habe bei meiner Zivi-Stelle Urlaub genommen und für diese Zeit als Aushilfe im Freizeittreff in Obergiesing angeheuert. Eine gute Gelegenheit, sein Einkommen aufzubessern, zumal ich damals gerade eine Familie gegründet habe. Es kamen aber weit weniger Gäste als erwartet.“ Das bestätigt auch Inge. Deren inzwischen verstorbener Ehemann hatte damals als Chauffeur einen gut bezahlten Job gefunden: „Junge Leute konnten Geld verdienen. Wir hatten über den KJR zudem die Möglichkeit, Karten für Veranstaltungen zu bekommen, die nicht ausverkauft waren. Und natürlich gab es viele Partys. Einen Run auf die Freizeitstätten, die Übernachtungsmöglichkeiten anboten, gab es aber nicht. München hatte ja ein eigenes großes Kultur- und Rahmenprogramm auf die Beine gestellt. Der KJR und die Freizeitstätten kamen darin nicht so präsent vor.“ Zurückblickend wirkt es fast peinlich, in welcher Form die Stadt Kinder und Jugendliche während der Olympiade berücksichtigt hatte. 5.000 Schulkinder hatte man zur Eröffnungsfeier eingeladen. Sie hatten selbstgebastelte Blumen dabei und sollten für Stimmung sorgen. Eine heute eher merkwürdig anmutende Form der Beteiligung. Dennoch – die Olympischen Sommerspiele von München markierten in vielen Bereichen eine tatsächliche Wende und einen Neuanfang für die Stadt. Bis heute wirken diese Erfahrungen von damals weiter und machen München zu einer weltoffenen und toleranten Stadt. Die Erinnerung an die ausgehenden 1960er und beginnenden 1970er Jahre sind bei der Generation von Inge und Ronald aber vor allem durch Baustellen in der ganzen Stadt und die Vorfreude auf Olympia geprägt. Was damals entstand, davon profitiert bis heute nicht zuletzt die Münchner Jugend: mit einem dichten Netz von U- und S-Bahn wurden nun fast alle Stadtteile an den öffentlichen Nahverkehr der Landeshauptstadt angeschlossen. Die Mobilität stieg sprunghaft. Der Olympiapark entstand im Gedanken daran, dass er den Freizeit- und Erholungswert Münchens nachhaltig aufwerten soll. Neben der infrastrukturellen Zeitenwende, die mit der Olympiade eingeleitet wurde, ist für die beiden ein anderer Punkt fast noch wichtiger: „Aus einer provinziell anmutenden Stadt wurde plötzlich eine internationale Metropole. Alles schien machbar, München war wie durch Zauberhand das Sinnbild für den Neuanfang“, stellt Ronald fest. Und Inge ergänzt: „In München war etwas los, die Jugendlichen fühlten sich plötzlich wahrgenommen, weil sie mittendrin im Geschehen waren.“ Tatsächlich gehört München zu den wenigen Städten weltweit, die sowohl die olympischen Sportanlagen als auch die entstandene Infrastruktur weit über die Olympiade hinaus geplant und umgesetzt haben. Bis heute profitieren etwa die Mieter*innen im ehemaligen Olympischen Dorf von den bezahlbaren Wohnungen. Studierende finden dort erschwinglichen Wohnraum – auch wenn eine lange Warteliste diesem Genuss vorangestellt ist. Und plötzlich alles anders Und dann das – in den frühen Morgenstunden des 5. September 1972 überfielen acht bewaffnete palästinensische Terroristen das Wohnquartier der israelischen Mannschaft und nahmen elf Geiseln. Das Ende dieses Terrorangriffs ist bekannt – und hat auch die Jugendlichen in den Freizeitstätten ratlos und ängstlich gemacht. Inge: „Im Biederstein hatten wir immer schon gesellschaftliche Themen diskutiert. Wir wollten vor allem Lehrlinge ansprechen, um sie zu einer kritischen Auseinandersetzung mit unserer Gesellschaft zu ermutigen. Das Attentat war deshalb auch Thema bei uns, und ich erinnere mich, dass wir in der Folge die Bildungsarbeit in der Einrichtung verstärkt haben.“ Auch für Ronald und die Jugendlichen, die er betreute, war die Nachricht ein unglaublicher Schock. Man kannte diese Form von Terror bis dahin in Deutschland eher nicht – schon gar nicht im Zusammenhang mit israelischen Staatsbürger*innen. Nicht weniger als Münchens Aufbruch in die Moderne – Olympia 1972 Foto: Dieter G, pixabay.com Was weißt du über die Olympiade in München? » Es gibt das Olympiadorf und den Olympiaturm in München. » Ein ehemaliges Pferderennen. » Olympia war 1972 in München. (Hortkinder)

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