K3 No. 1 - Februar 2022

| 01 | 2022 21 Resilienz und psychische Gesundheit Schwerpunkt Die Autorinnen* und Autoren* verweisen auf eine Reihe psychosomatischer Beschwerden, die von den befragten Kindern und Jugendlichen im Vergleich zu vor der Pandemie deutlich häufiger genannt wurden: ■ Bauchschmerzen – von 21 auf 36 Prozent der Nennungen ■ Niedergeschlagenheit – von 23 auf 43 Prozent der Nennungen ■ Kopfschmerzen – von 28 auf 46 Prozent der Nennungen ■ Gereiztheit – von 40 auf 57 Prozent der Nennungen Ferner wurden Einschlafprobleme, Hyperaktivität und allgemeine emotionale Probleme signifikant häufiger als vor den Corona-Beschränkungen angegeben. Eine weitere Studie, die in der vorliegenden Untersuchung zitiert wird, macht deutlich, dass vor allem sozial benachteiligte Kinder gefährdet sind, dass aber ein positives Familienklima, wenn etwa Eltern ihren Kindern viel Zeit widmen und ihre Ängste und Probleme ernst nehmen, Belastungen entgegenwirkt. Schlusslicht Bayern Leider wurden in der Anfangszeit der Pandemie primär die Auswirkungen von Schulschließungen und anderen Maßnahmen auf den Lern- und Bildungserfolg der Schülerschaft betrachtet. Darüber hinaus gibt es jedoch auch teilweise gravierende Auswirkungen auf das psychische Wohlbefinden: Psychosomatische Beschwerden, Verhaltensauffälligkeiten und psychische Erkrankungen, vor allem bei bereits vorbelasteten Kindern und Jugendlichen, nehmen zu. Zudem werden die Persönlichkeits- und Identitätsentwicklung vieler Kinder und Jugendlicher durch die Kontaktbeschränkungen beeinträchtigt. Kontaktängste bis hin zu phobischen Beschwerden treten häufiger auf. Die Studie verweist auf ein deutsches Familienpanel, wonach im Mai/Juni 2020 (nach dem ersten Lockdown) etwa 25 Prozent der Jugendlichen eine klinisch relevante Symptomatik von Depressivität aufwiesen. Im Jahr vor der Pandemie betraf das lediglich 10 Prozent. Besonders gefährdet für psychische Probleme seien Mädchen und junge Frauen. Hier habe sich die subjektive Depressivitätssymptomatik von 13 Jugendliche klagen seit Beginn der Pandemie deutlich häufiger über Kopfschmerzen, Niedergeschlagenheit oder gar depressive Verstimmung. auf 35 Prozent fast verdreifacht. Auch Jugendliche mit Migrationshintergrund sind besonders stark betroffen. Rechnet man die erhobenen Daten hoch, würde dies bedeuten, dass gegenwärtig in Deutschland ca. 477.000 Jugendliche im Alter von 16 bis 19 Jahren von einer eigentlich klinisch zu behandelnden Depression betroffen sind! Grundsätzlich kann man also sagen, dass es eine Reihe von psychosozialen und gesundheitlichen Beeinträchtigungen gibt, die von den durch Corona-Maßnahmen betroffenen Kindern und Jugendlichen erlebt und erlitten werden. Die Dringlichkeit für entsprechende Gegenmaßnahmen liegt auf der Hand. Wenig hilfreich erscheint da die Tatsache, dass das wirtschaftlich starke Bayern im Bundesvergleich an letzter Stelle liegt, was die Kapazitäten in den kinder- und jugendpsychotherapeutischen Einrichtungen betrifft. Es gibt also viel zu tun. M I CHA E L GRAB E R, Jahrgang 1960 aus Marl (Nordrhein-Westfalen), Studienabschluss als Diplom-Pädagoge (Erziehungswissenschaften) der Universität Göttingen, Leiter des Jugendinformationszentrum (JIZ) München, KJR Quelle: Studie „Belastungen von Kindern, Jugendlichen und Eltern in der Corona-Pandemie“, Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung Wiesbaden 2021 Resilienz – Lebenskunst als Auftrag „Du bist wertvoll!“ „Der Optimist hat nicht weniger oft Unrecht als der Pessimist. Aber er lebt glücklicher.“ So sagt der Volksmund – und hat recht dabei. Positiv denken gilt immer als eine Maxime zum besseren Leben. Und Selbstoptimierung – dafür gibt es in den Buchhandlungen unendlich viele Ratgeber. Manchmal ist es halt so, dass einem der Optimismus im Halse stecken bleibt, dass sich alles falsch anfühlt. Dann reicht es nicht, an einen weißen Sandstrand oder eine malerische Berglandschaft zu denken, damit die Welt wieder besser wird. Menschen, die Schicksalsschläge oder Katstrophen seelisch relativ unbeschadet überstehen oder mit schwierigen Situationen gut umgehen können, haben eine herausragende Fähigkeit: die Resilienz. Der Begriff kommt aus dem Lateinischen und bedeutet so viel wie Widerstandskraft. In der Psychologie und in der Seelsorge ist aber damit nicht einfach nur gemeint, dass alle Dinge an einem abprallen. Resilienz hat immer eine gewisse Realitätsbezogenheit. Ich vergleiche es gerne mit einem Baum: Wenn ein großer Sturm daherkommt, wird der Baum diesem Sturm lange Widerstand leisten können. Irgendwann jedoch wird er brechen oder entwurzelt. Die Palme jedoch biegt sich und richtet sich danach wieder auf. Ein Mensch, der eine gewisse Resilienz hat, bricht nicht einfach, sondern richtet sich wieder auf. Er reflektiert seine Situation, passt sich an, wo ein Dagegenhalten nichts bringt, und bleibt dabei doch er selbst. Im Grunde ist Evolution resilient, weil das Leben sich immer den Umständen angepasst hat. Dabei geht es nicht um Selbstoptimierung, es geht nicht um Unverletzlichkeit und Härte. Aber es geht darum, in der Verletzung, in der Schwierigkeit nicht krampfhaft stecken zu bleiben. Wichtige Faktoren dafür sind Menschen und Dinge, die mich halten, die mir Kraft geben, die mich an das Gute glauben lassen. Für viele Menschen ist das – wie auch für mich – unter anderem der Glaube und Gott. Die Idee eines Gottes, der mich liebt, der mich schätzt, der sich um mich sorgt – das Bild: Robin Higgins auf Pixabay.com » Ich schätze viele Dinge mehr. Ich hatte mehr Zeit für meine Familie und meinen Partner.

RkJQdWJsaXNoZXIy Mjk2NDUy