K3 No. 3 - Juli 2021
| 03 | 2021 33 Erlebnispädagogik Schwerpunkt Ausbildung für Pädagoginnen* und Pädagogen* an. Sie ruht auf den drei Säulen Pädagogik, Sicherheit und Ökologie. Sandra: Nachhaltigkeit ist ein Punkt, der junge Menschen dazu be- wegen wird, sich mit dem Fach zu befassen. Außerdem sehen wir bei Maßnahmen der Erlebnispädagogik ganz konkret, was z.B. Klimawandel bedeutet – etwa bei Wanderungen in Gletscherregionen. Was unterscheidet Erlebnispädagogik von den Angeboten eines Jochen Schweizer? Manfred: Bei Unternehmen wie Jochen Schweizer geht es um eine Mutprobe des Einzelnen. Das ist keine Erlebnispädagogik in unserem Sinne, weil das Fach so zur Eventkultur in der Erlebnisgesellschaft verkommt. Bei der Erlebnispädagogik geht es aber um soziales Lernen und Erkenntnisgewinn. Sandra: Erlebnispädagogik soll Menschen nachhaltig verändern, soll soziale Erkenntnisse liefern. Ein Unternehmen wie Jochen Schweizer ist lediglich auf Konsum aus. In der echten Erlebnispädagogik entstehen zum Beispiel gar keine Postings, weil die Teilnehmenden so mit sich selbst beschäftigt sind und das Handy idealerweise im Rucksack bleibt. Interview: Marko Junghänel SANDRA K R E S TA , Jahrgang 1996, Studium Soziale Arbeit (Bachelor) mit Zusatzqualifikation Erlebnispädagogik, Geschäfts- führerin im KJR Bad Tölz, Referentin in der Jubi Königsdorf MAN F R E D HUB E R , Jahrgang 1959, Studium Germanistik und Geschichte, Sozialpädagogik (FH), Fachübungsleiter Skibergsteigen und Hochtouren, 18 Jahre Bildungsreferent bei der Alpenvereins- jugend in Bayern, seit 2006 Dozent für Politische Bildung beim Institut für Jugendarbeit des BJR in Gauting, dort u.a. zuständig für Angebote der politischen Bildung und die Zusatzqualifikation Erlebnispädagogik Erlebnispädagogik auf der langen Suche nach Eigenständigkeit Wie die Pädagogik zum Abenteuer wurde Abenteuerlustige Pädagoginnen* und Pädagogen* gehen mit sportgestützten Aktionen dem konflikthaften Erziehungsalltag aus dem Weg und flüchten mit überschaubaren, motivierten Gruppen in Erlebniswelten … Inszenierte Grenzerfahrungen ohne pädagogischen Anspruch – die Erlebnispädagogik kämpft seit meiner Diplomarbeit zum Thema vor über zwanzig Jahren bis heute mit ähnlichen Vorurteilen. Die Risikogesell- schaft 1 löste damals einen regelrechten Boom nach standardisierten Erlebnissen aus, auch Konzerne hatten mit „erlebnisgestützter Orga- nisationsentwicklung“ das Abenteuer für sich entdeckt 2 . Die Gesell- schaft saß zu lange vor dem Büro- oder Spielcomputer und wollte sich wieder spüren! „Wer sich selbst kaum spürt, braucht mächtige Reize, um seine Grenzen zu erkennen.“ 3 Das Erlebnis kam auf den Markt, es boomt. „Erleben ist modern. Vielleicht als Reflex auf eine zunehmend unwirklich empfundene Wirklichkeit.“ 4 Kurt Hahn hatte einst mit seiner Erlebnistherapie 5 ein klar struk- turiertes, praxisnahes Konzept vorgelegt, welches das Erlebnis in den erzieherischen Zusammenhang stellt. Nun war plötzlich Erlebnispädagogik der Königsweg der Jugendhilfe. Im Einsatz für Systemsprenger*innen, Suchtkranke und diverse psychische Auffäl- ligkeiten wurden Grenzerfahrungen in Wüsten, auf Inseln, Booten und Bergen gesucht. Immer mehr Träger boten erlebnispädagogische Inhalte an, und diese klangen zuweilen wie Kataloge kommerzieller Reiseveranstalter. Die Fachkraft hatte in diesem Prozess keine entsprechende Ausbil- dung. Manchmal brachte sie einfach nur ihr Talent ein. Besondere Qua- lifikationsmaßnahmen belebten langsam die Jugendbildungsstätten. Bundesweit schossen Freizeitparks und Eventanbieter aus dem Boden und traten in gefährliche Konkurrenz zur Jugendarbeit. So besann man sich auf das Pädagogische im Erleben. Auf einmal wurden Natur und Erlebnis magische Wirkungen zugeschrieben und altbekannte Radtouren zur „erlebnisorientierten Teamentwicklung per Fahrrad.“ 6 In diesen pädagogisch definierten Räumen sollte Erlebnis planbar werden, der Erlebnishorizont musste in die Projektkalkulation passen. Der propagierten Freiheit bei den Entscheidungen in der Natur stand oft die Beherrschung sporttechnischer Gerätschaften im Wege und ordnete diese dem Materialzwang unter. Reagieren wurde zur Anpas- sungsleistung gegenüber der Kraft der Natur. Reine Bewältigung war angesagt, Reflexion und Transfer in den Alltag blieben auf der Strecke. Aber „damit aus Erlebnissen Erfahrungen werden, die in Leben und Alltag hineinwirken, muss die Anstrengung geistig-seelischer und sozialer Verarbeitung hinzukommen.“ 7 Zu Standesdünkel kam es, als die Szene ihre Methode immer mehr zur Super-Pädagogik stilisierte und Strand-Faulenzen und Konsole-Sitzen als schlechte Freizeitverbringung brandmarkte. Immerhin ging es auch um gut gefüllte sonderpädagogische Projektfördertöpfe. Diese Koo- perationen trugen in der Folge einige – für bundesweite Schlagzeilen » Danke für den tollen Tag! Die Kinder kamen mit leuchtenden Augen zurück. Eltern sind begeistert. Wir kommen bestimmt wieder. (Bootstouren)
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