K3 No. 3 - Juli 2021

Dachzeile 32 das kommt | 03 | 2021 Erlebnispädagogik Schwerpunk Erlebnispädagogik gestern, heute, morgen Ist das wertvoll oder kann das weg? Manche Stimmen sprechen vom „Auslaufmodell Erlebnispäda- gogik“. Dabei steht dem Fach eine blühende Zukunft bevor. Ein überzeugtes Plädoyer für Erlebnispädagogik von Sandra Kresta und Manfred Huber. Was verbindet Euch mit Erlebnispädagogik? Sandra: Ich habe Soziale Arbeit studiert und bin im Rahmen dieses Studiums erstmals mit dem Fachbereich Erlebnispädagogik in Kontakt gekommen. Inzwischen bin ich Geschäftsführerin des Kreisjugendring Bad Tölz. Manfred: Ich komme auch aus der Sozialen Arbeit und war u.a. 18 Jahre Bildungsreferent bei der Alpenvereinsjugend. Nun bin ich als Dozent am Institut für Jugendarbeit des Bayerischen Jugendrings für die Zusatzqualifikation Erlebnispädagogik zuständig. So langsam biegt meine berufliche Laufbahn auf die Zielgerade … Direkt gefragt: Hat Erlebnispädagogik eine Zukunft? Sandra: Spätestens die Pandemie hat gezeigt, wie wichtig Erlebnispä- dagogik ist. Sie wird dazu beitragen, Kinder und Jugendliche aus der sozialen Isolation zu holen. Nach Corona ist es wichtig, dass Heran- wachsende wieder Team-Erfahrungen machen und als Persönlichkeit wachsen. Manfred: Erlebnispädagogik ist nicht mehr wegzudenken aus den verschiedenen pädagogischen Settings. Im Gegenteil: In den letzten Jahren hat das Fach eine enorme Entwicklung vollzogen. Der Kern- ansatz ist dabei fast unverändert: Erlebnispädagogik bildet soziale Prozesse ab und macht sie für den Einzelnen plausibel. Es ist nach wie vor eine bewährte Methode, um soziale Wirklichkeit zu bearbeiten und Kompetenzen zu erlangen. Stichwort Corona. Hat Erlebnispädagogik nur eine Feuerwehr- funktion? Sandra: Diese Rolle kann sie auch ausfüllen. Erlebnispädagogik kann aber auch präventiv angewandt werden und so Konflikte vor ihrem Entstehen verhindern. Sie ist deshalb nicht zuletzt ein „Ermöglicher“ für das Individuum. Du blickst auf viele Berufsjahre zurück. Haben sich Veränderungen im Selbstverständnis des Fachs gezeigt? Manfred: Erlebnispädagogik sehe ich als Prozessbegleitung bei der Erweiterung sozialer Kompetenzen. Ja, sie hat eine Feuerwehrfunktion für die Gesellschaft, wenn es soziale Defizite gibt. In diesem Setting von Erlebnispädagogik setzen sich die Teilnehmenden konfliktiv mit sich und der Gruppe auseinander, um abweichendes soziales Verhalten zu korrigieren. Entscheidend ist, wer Auftraggeber für erlebnispäda- gogische Angebote ist. Wer sind diese Auftraggeber? Manfred: Sie sind vielfältig. Am häufigsten dürfte die Jugendarbeit Auftraggeber sein. Aber auch in Unternehmen, bei Azubis oder jungen Nachwuchsführungskräften gibt es immer mehr erlebnispädagogisch orientierte Angebote. Hier wie dort geht es um soziale Kompetenzen, darum, mit anderen aus der Gruppe kooperieren zu können, Führung übernehmen zu wollen und zu können und letztlich darum, ein Team gerecht und effektiv zu leiten oder aber auch Konfliktsituationen gut und für alle zufriedenstellend zu meistern. Es geht also um individuelle Defizitbewältigung? Sandra: Im ersten Moment gehe ich nicht auf die Defizite der Einzelnen ein, sondern betrachte zunächst die Gruppendynamik und die Themen in der Gruppe. Die Defizite der Einzelnen kristallisieren sich im Laufe der Zeit heraus und können bearbeitet werden. Manfred: Ansatzpunkt für Erlebnispädagogik ist zwar das Individuum mit allen Facetten der Persönlichkeit. Die Gruppe ist dann der Reso- nanzkörper für das Handeln der Einzelnen. Am Ende steht das Ziel, in der Gruppe bzw. in der Gesellschaft gut agieren zu können. Das setzt eine Grundbereitschaft des Individuums voraus, sich auf diesen Prozess einzulassen. Haben sich hier Motivationslagen verändert? Manfred: Als ich vor vielen Jahren in diesem Berufsfeld begonnen habe, hat man viel geredet und diskutiert. Erlebnispädagogik hatte dabei die Funktion, diesen Kreis zu verlassen und im wahrsten Sinne des Wortes nach draußen zu gehen. Die Bereitschaft, in die Natur zu gehen, ist ungebrochen hoch. Soziale Medien und Digitalisierung treten hinzu und rahmen dieses Grundsetting. Sandra: Da gibt es in der Tat eine bedenkliche Entwicklung. Jungen Menschen fällt es zunehmend schwerer, Stille auszuhalten, nichts zu tun und auf sich selbst zu fokussieren. Erlebnispädagogik will u.a. erreichen, dass das digitale Leben auch mal ausgeblendet werden kann. Die weitere Professionalisierung des Fachs ist also eine zentrale Herausforderung? Sandra: Eine fundierte Ausbildung ist das A und O von Erlebnispäda- gogik. Theoretische Ausbildung an der Hochschule und zusätzlich eine fachsportliche Qualifikation. Mir hat beispielsweise meine Tätigkeit als Jugendleiterin weitergeholfen. Manfred: Die Ausbildung bei der Alpenvereinsjugend ist hier übrigens hervorragend. Dort kommt der Aspekt von Nachhaltigkeit hinzu. Am Institut für Jugendarbeit bieten wir in Zusammenarbeit mit den Fachsportverbänden die ZQ Erlebnispädagogik als berufsbegleitende

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