K3 No. 2 - April 2021

Dachzeile 26 das kommt | 02 | 2021 Rassismus und Diskriminierung Schwerpunk Sprache und Diskriminierung: Menschen mit Behinderung Ich spreche für mich selbst Sprache kann auf verbaler Ebene verletzen, diskriminieren und he- rabwürdigen. Wie erleben Betroffene die Situation? Patrick Veith, der derzeit sein Praxissemester in der Fachstelle für Inklusion im KJR ableistet, erzählt … Sprache und Diskriminierung: geschlechtliche Identität/sexuelle Orientierung Mit viel Geduld In München müssen sich Menschen, die nicht dem heteronormativen Geschlechtermodell entsprechen, weniger erklären, Diskriminie- rung gibt es trotzdem. Fragen an Eva-Maria Huber von diversity München e.V. Nichts ist vielfältiger und bunter als das Leben selbst. Inwiefern kann für Dich auch Sprache diskriminierend sein? Viele Menschen sind heute bemüht, alle Geschlechter in ihre Alltags- sprache einzubeziehen. In Texten schreiben sie gendersensibel und wollen so alle abbilden. Die, die das ablehnen, sind zwar in der Min- derheit – dafür aber umso lauter. Ich unterstelle zunächst niemandem böse Absichten. Argumenten, wie „Gendern ist in der deutschen Sprache nicht vorgesehen“ und „Sprache muss bewahrt bleiben …“ halte ich jedoch für problematisch. Gedankenlosigkeit, Ignoranz oder bewusste Ausgrenzung? Es ist wohl oft Gedankenlosigkeit. Wenn man anderen Menschen erklärt, warum es eine gendersensible Sprache geben muss, erlebe ich oft Zu- stimmung. Es gibt aber weiterhin strukturelle Diskriminierung in dieser Frage – in Gesetztexten oder AGBs zum Beispiel. Unverständlich ist für mich, wenn eine Gesetzesvorlage im generischen Femininum verfasst wird und das zuständige Innenministerium dann argumentiert, dass damit nicht alle Menschen hinreichend abgebildet würden. Was tut Euer Verband? Unsere Jugendorganisation trägt das Projekt „diversity@school”. Wir gehen in Schulklassen und veranstalten Workshops, in denen wir über Sexualität, Geschlecht und verschiedene Lebensentwürfe sprechen. Die Erfahrung zeigt, dass man viel Geduld mitbringen muss, um Stereotype aufzubrechen, die schon junge Menschen entwickelt haben. Aber im Gespräch kann man durchaus Veränderungen bewirken. Wichtig ist, dass sich junge Menschen an junge Menschen wenden und die Inhalte vermitteln. Stellt Ihr auch Forderungen an die Politik? Es ist wenig sinnvoll, mit Parteien wie der AfD zu streiten, die beispiels- weise vor einiger Zeit in Thüringen gefordert hatte, Homosexuelle zu zählen. Da ist Sprache auf einer ganz anderen Ebene diskriminierend Foto: S haron McCutcheon, unsplash.com Für noch viel mehr Barrierefreiheit! Foto: Ulrike Le one , pixabay.de Patrick, erlebst Du Diskriminierung auch auf sprachlicher Ebene? Das kommt durchaus vor. Wenn jemand beispielsweise das Wort „Spast“ verwendet, muss man sich bewusst sein, was das mit Menschen machen kann. Das kann bei manchen Menschen verletzend rüberkommen, auch wenn man es vermeintlich im Spaß gesagt hat. Wörter wie „Spast“ oder „Behindi“ sind Teil der Jugendsprache. Steckt dahinter eine bewusste Diskriminierung? Ich denke, dass Jugendliche diese Wörter gedankenlos verwenden. Sie wissen oft gar nicht, was eine Spastik ist. Das Gefährliche daran ist, dass diese Art von Sprache eine Art Türöffner für Vorurteile oder Stigmata sein kann. Inwiefern kann Sprache darüber hinaus diskriminierend sein? Mich stört in diesem Zusammenhang vor allem, dass man seiner Sprach- fähigkeit und damit seiner Teilhabemöglichkeit durch Dritte beraubt wird. Ich saß neulich in einem Online-Seminar. Plötzlich meinte der Dozent, dass nun alle aufstehen sollten, um eine Geh-Meditation zu machen. Eine Kommilitonin meldete sich zu Wort und wies den Dozenten darauf hin, dass jemand im Rollstuhl unter uns sei. Ich kannte sie gar nicht – aber sie hat mir letztlich das Wort abgeschnitten und für mich gesprochen, obwohl ich das hätte selbst tun können. Das ist meiner Meinung nach übergriffig. Der Umgang zwischen Menschen mit und ohne Behinderung ist of- fenbar noch immer nicht selbstverständlich. Was muss geschehen? Grundsätzlich ist es wichtig, dass man allen Menschen mit einer offenen Grundhaltung begegnet, so kann man auch eventuell auf- kommenden Vorurteilen entgegenwirken. Beispielsweise kann man Kinder früh mit dem Thema Behinderung in Berührung bringen. So können Kinder schnell ein Verständnis für Menschen mit Behin- derung(en) entwickeln. Aber auch Barrierefreiheit verbessert den Umgang von Menschen mit und ohne Behinderung(en) untereinander und schafft Partizipationsmöglichkeiten. Dabei ist es wichtig, dass die Gegebenheiten so sind, dass eine Teilhabe unabhängig von der Einschränkung gegeben ist. Interview: Marko Junghänel

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