K3 No. 1 - Februar 2021

Dachzeile 14 das kommt | 01 | 2021 Freiheits- und K nderrechte Schwerpunk Viele Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie wurden während der „ersten Welle“ von der Politik beschlossen, ohne die Kinder und Jugendlichen einzubeziehen oder wenigstens deren Situation zu beachten. In der öffentlichen Debatte tauchten Kinder und Ju- gendliche oft nur als kindliche Virenschleudern oder Veranstalter von Corona-Partys auf. Sorgen, Ängste und Bedarfe wurden seltsam wenig thematisiert. Die Schließung von Einrichtungen der Offenen Kinder- und Jugendarbeit (OKJA) sowie von Kitas und Schulen hatte zur Folge, dass sich Bildungsbenachteiligung weiter verschärfte. Auch die Kinderrechte, über die Gestaltung von Freizeit und Spiel selbst zu entscheiden, sich zu erholen und künstlerisch tätig zu sein, waren stark eingeschränkt. Freizeiteinrichtungen sowie Spiel- und Sportplätze, die wie keine anderen Orte geeignet sind, diese Rechte auszuleben, waren geschlossen. Kindern und Jugendlichen war es nicht mehr möglich, Freunde und Freundinnen zu treffen. Aneignungs- und Selbstbildungsprozesse in der Peer Group wurden Kindern und Jugendlichen verwehrt. So waren sie einer wichtigen Entwicklungsmöglichkeit beraubt. Zusammen mit Ausgangssperren und Kontaktbeschränkungen hatte die Schließung von Einrichtungen der Jugendhilfe massive Auswir- kungen auf die gesunde Entwicklung und das Wohlergehen junger Menschen. Um diese negativen Effekte abzufedern, versuchte die OKJA vor allem über soziale Netzwerke und digitale Kommunikati- onsplattformen Kontakt zu Kindern und Jugendlichen herzustellen, virtuelle Begegnungen zwischen ihnen zu ermöglichen und kulturelle Bildungsmöglichkeiten zu schaffen. Fachkräfte waren zudem in ihren Stadtteilen unterwegs, um Kinder und Jugendliche zu treffen und sie z.B. bei der Bearbeitung schulischer Aufgaben zu unterstützen. Und jetzt? Haben Politik und Gesellschaft dazugelernt? Was ist mit der Umsetzung der Kinderrechte im zweiten Lockdown? Nur ein erster Schritt Das Recht von Kindern und Jugendlichen, bei allen Fragen, die sie betreffen, mitzubestimmen, ist nach wie vor stark beschnitten. Kinder und Jugendliche wollen mit ihrer Meinung öffentlich gehört werden. Ihre Stimmen finden jedoch bislang in der demokratischen Öffentlich- keit kaum Gehör. Junge Menschen werden in die Gestaltungsprozesse der Krise selten eingebunden. In den entsprechenden Gremien fehlen durchgängig noch immer junge Menschen zur Vertretung ihrer Inte- ressen. Für junge Menschen finden wichtige Phasen ihrer Entwicklung und Sozialisation in der Corona-Zeit statt. Dabei geht es um nichts Geringeres als die Weichenstellungen für die nächsten Jahrzehnte ihres Lebens. Auch die aktuellen Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie haben gravierende Folgen für die körperliche Entwicklung, psychische Gesundheit und Zukunftschancen vieler junger Menschen. Mit dieser Erkenntnis im Blick müssen Räume für Erfahrungen von Selbstwirksamkeit, Peer-Kontakte und Dialog geöffnet bleiben. Dabei spielt die OKJA eine zentrale Rolle. In den Einrichtungen der Offenen Kinder- und Jugendarbeit finden Kinder und Jugendliche – digital und analog – Schutz- und Freiräume, Chancen der Selbstbildung sowie Möglichkeiten der Partizipation und Teilhabe. Dies gilt es, im Hinblick auf zu erwartende (Spar-)Debatten über die Notwendigkeit Offener Kinder- und Jugendarbeit zu betonen. Da noch kein Ende der Corona-Krise in Sicht ist, braucht es – um die außerordentlich problematische Lebenssituation von Kindern und Jugendlichen in der Krise zu entschärfen – dringender denn je den politischen Willen zur Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention. Es war also an der Zeit, dem von der Bundesregierung im Koalitionsvertrag festgelegte Vorhaben, während ihrer Regierungszeit die Kinderrechte ins Grundgesetz aufzunehmen, einen wichtigen Schritt näher zu kommen. Am 12. Januar 2021 haben sich die Koalitionsparteien auf einen Textentwurf für die Aufnahme von Kinderrechten ins Grundge- setz geeinigt. Nach Einschätzung des Deutschen Bundesjugendrings bleiben jedoch die Formulierungen, z.B. zum Kindeswohl und bei Be- teiligungsrechten, weit hinter den völkerrechtlichen Verpflichtungen aus der UN-Kinderrechtskonvention zurück und müssen in wesentlichen Punkten nachgebessert werden. Mirjam Kranzmaier, Fachstelle Partizipation, KJR Freiheits- und Kinderrechte in der Pandemie: Grundschulverband Bayern Damit die Zunge nicht verwelkt „Bei allen Maßnahmen, die Kinder betreffen, gleichviel, ob sie von öffentlichen oder privaten Einrichtungen der sozialen Fürsor- ge, Gerichten, Verwaltungsbehörden oder Gesetzgebungsorganen getroffen werden, ist das Wohl des Kindes ein Gesichtspunkt, der vorrangig zu berücksichtigen ist.“ (Art. 3 der UN-Kinderrechts- konvention) Mit wirksamen Hygienekonzepten kann Schule durchaus im Präsenz­ betrieb stattfinden – vor allem Grundschulkinder brauchen den Kontakt zu Gleichaltrigen. Gilt dies auch in Zeiten von Pandemien wie Corona? Derzeit kollidieren verschiedene Kinderrechte miteinander: Einerseits haben Kinder das Recht auf Gesundheit, andererseits aber auch das Recht auf Bildung, eine gewaltfreie Erziehung, elterliche Fürsorge, besondere Fürsorge und Förderung bei Behinderung sowie das Recht auf Spiel und Freizeit. Die Grundschule ist eine staatliche Bildungsinstitution, die dafür zu sorgen hat, dass Eltern die Schulpflicht für ihr Kind in Anspruch nehmen können. Bezüglich einer Infektiosität von Kindern und Ju- gendlichen gibt es derzeit nur eine geringe Anzahl aussagekräftiger Studien. Nach augenblicklichem Kenntnisstand scheinen Kinder im Kindergarten- und im Grundschulalter weniger infektiös zu sein als Jugendliche und Erwachsene. Trotzdem werden Kinder in dieser Pandemie am deutlichsten einge- schränkt, da ihre Schulen teilweise oder ganz geschlossen sind. Gerade für Grundschulkinder ist die Schule ein Ort der sozialen Begegnungen mit anderen Kindern und ein Raum des gemeinsamen Lernens in direkter Unterstützung durch Lehrkräfte und andere Professionen. Insbesondere Kinder mit Behinderung erhalten hier eine besondere Fürsorge und Förderung. Aus diesem Grund plädierte der Grundschulverband bereits Foto: soumen82hazra, pixabay.de

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