K3 No. 6 - November 2020
Dachzeile 22 das kommt | 06 | 2020 Kooperative Ganztagsbildung Schwerpunk Ein Jahr KoGa – Herausforderungen und Highlights Da geht noch mehr In Gesprächen mit Kolleginnen und Kollegen im KJR stelle ich immer wieder fest, dass das neue Projekt noch für viele unklar ist. Die gute Nachricht: das Wortungetüm „Kooperative Ganztagsbildung“ darf ganz offiziell als KoGa abgekürzt werden … Leidenschaftliche Diskussionen gab es damals rund um die Über- legungen des KJR, in die Kooperative Ganztagsbildung einzusteigen. Bedenken wurden geäußert, Überlegungen angestellt, wie es gelingen kann, dass Jugendarbeit ihren eigenen Auftrag angesichts des Systems „Schule“ nicht verliert. Und dann war es so weit: am 2. September 2019 ging es los mit einem Team bestehend aus einer hauswirtschaftlichen Betriebsleitung, fünf Hauswirtschaftskräften, acht Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Hort, fünf im KoGa – und mit 135 Kindern in Hort und KoGa und mir. Wir bezogen mit den 80 Hortkindern das Blaue Lernhaus und mit den 55 KoGa-Kindern das Gelbe Lernhaus. Und wir haben schnell festgestellt, dass das Kollegium unseres neuen Partners Schule von unserer Anwe- senheit und unserer Diskussionsfreude fast überrumpelt war. Das war eine denkwürdige Erfahrung für das KJR-Team, das eine ausgeprägte Diskurskultur innerhalb seiner Organisation kennt. Entsprechend groß waren zu Beginn die Irritationen: Wer nutzt wann welche Räume, wer ist für was wann zuständig, wessen Regeln gelten wann und wer stellt die eigentlich auf? Es gab Diskussionen und Stolpersteine, klärende Gespräche mit und ohne Schulleitung, Kompro- misse und Lösungsideen. Und es begann sich allmählich einzurütteln: das Kollegium fand Gefallen am täglichen Mittagessen, die vielen Tür-Angel-Gespräche zwischen den Teams erwiesen sich als hilfreich für die Kinder. Allmählich entwickelte sich gegenseitiges Verstehen. Wir sehen das enorme Engagement der Lehrkräfte für ihre Klassen und die aufwändige Vor- und Nachbereitung des Unterrichts – die Lehrkräfte erkennen unseren pädagogischen Einsatz für die Kinder an, schätzen unsere Ideen und nehmen unsere Anregungen ernst. Kompetenzen zusammenbringen Es gibt inzwischen in der „Gustl“ den „Kernkompetenzwitz“: Kern- kompetenz einer Lehrkraft ist nun mal, Kindern was beizubringen, Kernkompetenz der Jugendarbeit ist, mit den Kindern Spaß zu haben. Dass beides prima zusammengeht, haben wir beim gemeinsamen Neu- jahrsfest bewiesen. Dann kam Corona. Es gibt in allem Schlechten etwas Gutes. Die Krise, vor der wir nun standen, hat Schule und KJR zusammengeschweißt. Die komplizierten Regelungen der Notbetreuung, die wechselnde Beschulung, die Hygienevorschriften, das Trennen von Kindern in Kleingruppen – wir konnten es nur gemeinsam schaffen und diesen Organisations-Irrsinn strukturieren. Mit Hochachtung haben wir das Engagement der Lehrkräfte an der „Gustl“ gesehen, wie sie telefonisch Kontakt zu ihren Kindern und Eltern hielten oder wie sie Video- und Audiobotschaften an die Kinder schickten. Wir versorgten die Kinder mit wöchentlichen „Wundertü- ten“, die kleine Spiele, Bastelideen, Geschichten, Knobeleien und Rätsel enthielten. Unser aller Sorge, dass wir Kinder in dieser Krise „verlieren“, dass es ihnen schlecht gehen könnte, dass sie emotionalen Schaden nehmen können, war groß und führte dazu, dass wir schnell eine große Gruppe an notbetreuten Kindern hatten. Gemeinsam gestalteten wir die Notbe- treuung – übrigens wieder nach dem bewährten Prinzip: die Lehrerinnen und Lehrer machten am Vormittag die Homeschooling-Aufgaben, wir gestalteten am Nachmittag die Freizeit. Noch eine große Veränderung hat uns Corona beschert. Inzwischen sind wir in allen Lernhäusern der „Gustl“ eingezogen. Zum Schuljahr 20/21 haben wir das Blaue Lernhaus an die Grundschule zurückge- geben. Dort sind jetzt die Ganztagsklassen eingezogen und wir sind im ganzen Schulgebäude verteilt. Damit haben wir eine Entwicklung vorweggenommen, die wir eigentlich erst in zwei Jahren umsetzen wollten: wir sind in jedem Lernhaus angekommen. Es bleibt spannend. Claudia Mayer, Projektleitung Hort und Kooperative Ganztagsbildung, KJR Die Lernhausmitte – Platz für Bildung, Raum zum Spielen, Gelegenheit zum Austausch Eigentlich unterscheidet sich die KoGa nicht gravierend von einem Hort: Die Kinder besuchen eine Halbtagsschule und werden an- schließend pädagogisch betreut. Eigentlich. Aber doch ganz anders: während ein Hort eigene Räumlichkeiten hat, sind die KoGa-Kinder in den Räumen der Schule. Und während in einem Tagesheim jede Klasse neben dem Klassenzimmer einen expliziten Gruppenraum hat, nutzt die KoGa die Gruppenräume zwischen den Klassenzimmern sowie die große Lernhausmitte, die am Vormittag auch dem Unterricht dienen. Lehrkräfte, die einen modernen Unterricht mit selbständiger Klein- gruppenarbeit, Lernwerkstätten, klassenübergreifenden Projekten u.ä. machen, brauchen dafür mehrere kleine Räume. Es gibt also für jeden Raum eine zweifache Nutzung. Das ist eine besondere Herausforderung bei der Gestaltung dieser Räume. Um die KoGa-Verwirrung komplett zu machen, haben wir in der Gustl-Bayrhammer-Grundschule auch mit Kindern der gebundenen Ganztagsklasse zu tun. In der flexiblen Variante der KoGa (= klassische Halbtagsschule plus Betreuung) begleiten wir derzeit ca. 100 Kinder, in der rhythmisierten Variante (= gebundene Ganztagsklasse plus additiv gebuchte Betreu- ung) sind es rund 20, im Hort 60 Kinder. Zudem sind wir für drei gebundene Ganztagsklassen (Klassenstufen 1 bis 3, jeweils einzügig) für die nicht-schulischen Angebote während der Schulzeit zuständig (derzeit 54 Kinder). Während sich unsere Aufgaben in der gebundenen Ganztagsklasse auf maximal vier Klassen ausweiten können, ist bei der flexiblen Variante eine Aufnahme von bis zu 400 Kindern möglich. Die Zahlen machen deutlich, dass der Großteil unserer Arbeit auf der Begleitung, Bildung und Erziehung der Kinder liegt, die klassischerweise einen Hort besuchen würden, und die Arbeit mit und für die gebundenen Ganztagsklassen eher eine – wenn auch arbeitsintensive – Nebenbaustelle ist. Foto: Marko Junghänel
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