K3 No. 5 - November 2020

Dachzeile 24 das kommt | 05 | 2020 Bilder (im Kopf) Schwerpunk Selbstreferenzielle Medienwelt oder kreativer Hotspot? Ich sehe was, was du nicht siehst ... Und plötzlich sind alle meiner Meinung, denken wie ich, handeln scheinbar wie ich. Besser ist es, sich selbst ein Bild von den Dingen zu machen. … und das hat (auch) mit meiner Mediennutzung zu tun. Medien prägen unser Bild von der Welt – von klein auf. Medien sind Ressource zur Bewältigung von Entwicklungsaufgaben, geben Impulse für die Ausbildung und Ausgestaltung der Identität und erlauben das Ausprobieren verschiedener (sozialer) Rollen. Als Sozialisationsinstanzen neben Eltern, Schule und anderen Instituti- onen vermitteln uns Medien Werte, Normen und verbinden uns mit der Gesellschaft. Kurzum, schon unsere Vorstellung von der Welt haben wir eben auch aus den Medien. So haben wohl fast alle eine Vorstellung von New York – ob man nun schon mal dort gewesen ist oder nicht. Serien, Filme, Nachrichten – sie alle haben uns ein Bild von diesem Ort in den Kopf gesetzt. Und je nachdem, was man gesehen hat, mag dieses Bild stark variieren. Wenn ich morgens zuerst Facebook, dann Twitter und Instagram öffne und danach am Frühstückstisch die Süddeutsche Zeitung lese, habe ich das Gefühl, in sehr unterschiedlichen Welten zu leben. Auf Twitter sind im Grunde alle meiner Meinung – schließlich folge ich bewusst Menschen, deren Input ich schätze. Auf Instagram oder Facebook wird es schon problematischer. Alte Schulkameradinnen und -kameraden posten „Kritisches“ gegen die Anti-Corona-Maßnahmen, die spanische Mitstudentin aus dem Erasmus-Jahr verbreitet nationalistisches Gedan- kengut. Auf Instagram ist das Leben einfach nur schön! Diese tollen Orte, nice! Bei der Zeitungslektüre wird das Bild von der Welt dann bestenfalls noch einmal journalistisch professionell geordnet. Aber auch hier entscheidet die redaktionelle Linie der Zeitung über meine Konstruktion der Welt. Informationsflut muss geordnet werden Um mit der schieren Masse an (neuen) Informationen umzugehen, die stets auf uns niederprasseln, greift der Mensch evolutionsbedingt auf Deutungsrahmen zurück. Wir blenden (unbewusst) Informationen aus, um – wie wir glauben – relevante Informationen zu filtern und den Sachverhalt zu verstehen. Wir könnten dabei durchaus Dinge übersehen, die unser Bild von der Welt verändern würden. Diese Deu- tungsrahmen (Frames) haben wir einerseits selbst im Laufe der Zeit entwickelt, wobei wir stets unsere bestehenden Meinungen und Werte einfließen lassen. Andererseits entwickeln und bedienen Medien selbst bestimmte Deutungsmuster. Harmonieren beide, schenken wir dem von Medien gelieferten Bild unser Vertrauen und glauben umso mehr, die dargestellten Sachverhalte verstanden zu haben. Natürlich wählen wir auch mit Vorliebe Informationen aus, die fantastisch in dieses Muster passen (selective exposure). Was dabei entsteht, ist ein trügerisches Bild von der Welt. Und als wäre dies nicht schon problematisch genug, gibt es auch noch spezifische medieninhärente Möglichkeiten, die unser Bild von der Welt zusätzlich beeinflussen können. Vor allem mit Blick auf so- ziale Medien wird häufig über die Macht der Algorithmen gesprochen, von Echokammern (wir umgeben uns nur noch mit gleichgesinnten Menschen und Meinungen) und Filterblasen (quasi die technologische Folge davon). Doch ob es diese überhaupt gibt und wie stark deren Wirkung tatsächlich ist, bleibt einstweilen unklar. Wissenschaftlich konnten Filterblasen und Echokammern bisher zumindest noch nicht nachgewiesen werden (Brotherton 2020). Bestätigt ist hingegen, dass Menschen sich am liebsten mit Meinungen, Menschen und Dingen umgeben, die ihnen gleich oder ähnlich sind. Natürlich beeinflusst es uns, wenn beispielsweise bestimmte politische Meinungen oder Themen algorithmisch so unterdrückt werden, dass wir sie gar nicht erst sehen, wie z.B. bei dem Social-Video-Portal TikTok, das Videos von Demons- trationen aus Hongkong oder von Menschen mit Behinderung einen niedrigen Sichtbarkeitsrang erteilt. Oder wenn Instagram ob unserer bisherigen Seh- und Wischgewohnheiten uns Werbung für bestimmte Produkte in die Timeline schwemmt. Natürlich beeinflussen Medien unser Bild von der Welt. So funktioniert unser Hirn und wir können uns dagegen kaum wehren. Aber wir können es uns bewusst machen und unsere eigene Beeinflussbarkeit immer wieder kritisch betrachten. Zu wissen, dass Bilder manipulieren – und zwar uns genauso wie andere. Dieser kritische Blick ist Teil der Medienkompetenz. Cornelia Walter, Fachstelle MuT, KJR Literatur Brotherton, Rob (2020): Bad News. Why we fall for Fake News Foto: geralt, pixabay.de

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