K3 No. 3 - Juli 2020

Dachzeile 24 das kommt | 03 | 2020 Widerstand Schwerpunk Die Entstehung des Bellevue di Monaco Wider und immer wider – Oder: Weshalb man Widerstand vielleicht doch mit „ie“ schreiben muss. Widerstand ist die Keimzelle des Bellevue di Monaco. Das Wohn- und Kulturzentrum ging aus dem Widerstand gegen den Leerstand städtischer Immobilien hervor. Widerstand ist Teamwork – ein breites Bündnis in der Stadtgesellschaft führte schließlich zum Erfolg des Bellevue di Monaco Erfolg hatte das Projekt nur, weil die Macherinnen und Macher über Jahre hinweg hartnäckig blieben. Die offizielle Eröffnung des Bellevue di Monaco im Sommer 2018 markierte das vorläufige Ende eines langen Weges, dessen Ziel zu Beginn noch nicht feststand. Man kann noch nicht einmal genau sagen, wann und wo dieser Weg eigentlich anfing. War es der Protest von Künstlerinnen und Künstlern gegen den Abriss der „Schwabinger Sieben“ im Jahr 2011? War es die Anti-Gentrifizie- rungs-Aktion der Gruppe „Goldgrund-Immobilien“ und ihr fiktives Bauprojekt „L’Arche de Munich“ im Frühsommer 2012? Sicher ist nur so viel, dass die städtischen Häuser in der Müllerstraße 2 bis 6 spätestens im Herbst 2012 in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt waren, als der benachbarte Bolzplatz überbaut werden sollte. Kinder und Eltern aus der Glockenbachwerkstatt riefen damals zu einer Demo für den Erhalt des Platzes auf. Geradezu beispielhaft wurde damit ein halbes Stadtviertel politisiert. Bürgerinnen und Bürger begannen, sich für ihre eigenen Belange einzusetzen. Im ersten Schritt konnten der Bolzplatz und die damit verbundene Kinderbetreuung im Bürgerhaus erhalten werden. Gleichzeitig wurde klar, dass die Stadt München lange Zeit ein paar wichtige Dinge übersehen hatte, z.B. Leerstände in eigenen Immobi- lien nutzbar zu machen. Als sich nach der medial gut dokumentierten „Gorilla-Renovierungsaktion“ einer Wohnung im Eckhaus Müllerstr. 6 eine Bürgerin eines anderen städtischen Mietshauses meldete und berichtete, dass sie dort seit Jahren allein lebe, deutete sich die ganze Dimension des Problems an. Leerstand nicht hinnehmbar Nach einem Aktionsnachmittag in diesem Haus wurde es dem Stadtrat zu bunt. Die Verwaltung wurde dazu verdonnert, regelmäßig Bericht über Anzahl und Nutzungsart leerstehender städtischer Immobilien zu erstatten. Diese Leerstände waren größer als erwartet. Der Wider- stand hatte zu einem konkreten politischen Erfolg geführt: das Haus in der Pilotystraße wurde gerettet und später zu einem Wohnhaus für minderjährige Mütter umgebaut. Das Ensemble an der Müllerstraße 2 bis 6 schien zwischenzeitlich allerdings verloren. Ein Stadtratsbeschluss verfügte 2013 einen Teil- abriss. Mit der Ankunft zahlreicher Flüchtlinge in München im Sommer 2014 und andauernden Protesten vor leerstehenden städtischen Ge- bäuden wurde das Thema jedoch immer dringlicher. Ein vergrößerter Kreis von Aktivistinnen und Aktivisten – erweitert um Profis aus Sozialarbeit und Flüchtlingspolitik – traf sich über Monate hinweg wöchentlich und entwickelte ein Projekt, das die Themen Flucht und Migration verhandeln sollte. Die Aufgabe hatte ganz praktische Di- mensionen: Schaffung von Wohnraum, Hilfs- und Beratungsangebote für Zugezogene und Etablierung eines zentralen Raumes für Debatten in der Stadtgesellschaft. Der neu gewählte Stadtrat mit einem ebenfalls neu gewählten Ober- bürgermeister ließen sich 2015 überzeugen und nahmen den eigenen Abrissbeschluss zurück; grünes Licht für das Projekt. Eine Sozialgenos- senschaft wurde gegründet und pachtete die Gebäude. Foto: Gila Sonderwald

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