K3 No. 2 - April 2020

| 02 | 2020 27 Sport Schwerpunkt Sport ist bisher meist männlich – in den Gremien der Vereine und in den Wettbewerbsarenen; das muss sich ändern! stets Männer gemeint. Für Frauen wird jeweils ein Zusatz hinzugefügt: es gibt beispielsweise die Basketball-Bundesliga und die Damen-Bas- ketball-Bundesliga. Wenn aber Sport treibende Frauen ständig geringer geschätzt werden, darf es nicht verwundern, dass junge Mädchen nicht von einer Profisport-Karriere träumen. Auch die gängige Wortwahl macht es Mädchen nicht leichter: Das Wort Mann-schafts-sport schließt streng genommen die Hälfte der Gesellschaft aus. Mädchen und jungen Frauen fehlen weibliche Vor- bilder, ob im Profisport oder in den Vorständen der Vereine. Solange Sport hauptsächlich eine Männerdomäne ist, wird sich daran nicht viel ändern. Nicht nur Männer interessieren sich für Sport, sondern auch viele Frauen und Mädchen fiebern vor dem Fernseher und im Stadion mit ihrem Team. Die Münchner Sportjugend will, dass die gesamte Jugend Münchens Sport treiben kann, in einem sicheren und fördernden Umfeld. Unsere Gesellschaft braucht dringend junge Sportlerinnen, die unsere Vereine und unsere Sportlandschaft bereichern. Je vielfältiger der Sport, desto besser für uns alle. Deshalb setzt sich die MSJ in Politik, Vereinen und unter Kindern und Jugendlichen selbst dafür ein, dass Sport treibende Mädchen zukünftig nicht mehr unsichtbar sind. Pascal Lieb, Münchner Sportjugend im BLSV Wenn Sporttreiben ungesund wird Schneller, höher, weiter In der Regel beklagen Wissenschaft und Medizin, dass sich Kinder und Jugendliche zu wenig bewegen. Doch es gibt auch den umge- kehrten Fall. Ein Gespräch mit Dr. Heiko Ziemainz vom Department für Sportwissenschaft und Sport der Uni Erlangen-Nürnberg. Ist „Sportsucht“ überhaupt eine Erkrankung? Heiko Ziemainz: Standardisierte Diagnosekriterien für ein Krankheits- bild der Sportsucht gibt es nicht. Der Begriff ist aber nicht aus der Luft gegriffen, sondern schon mehr als 20 Jahre Forschungsgegenstand. Die Antwort lautet also „jein“. Sportsucht ist noch nicht als eigenstän- dige Krankheit in den entsprechenden Handbüchern benannt, hat aber in der Praxis Relevanz. Es gibt Studien und Publikationen zu diesem Phänomen – meist in einer Reihe mit anderen verhaltensbasierten Süchten genannt, beispielsweise Spielsucht. Bleibt die Frage nach der Häufigkeit von Fällen, die wir als Sport- sucht einstufen. Hier bewegen wir uns bei unter einem Prozent der Bevölkerung. Einschränkend muss man jedoch ergänzen, dass es für die Diagnose Sportsucht bisher keine einheitlichen Untersuchungs- standards gibt. Je nachdem kann es in einer Alterskohorte auch bis zu zehn Prozent von Fällen geben. Ab wann spricht man von Suchtverhalten? Zunächst einmal muss man sagen, dass das größere Problem die man- gelnde Bewegung von Kindern und Jugendlichen bleibt. Grundsätzlich Fünftel der weiblichen Bevölkerung im Sport aktiv ist. Bereits fünf- bis zehnjährige Mädchen treiben statistisch gesehen weniger Sport als gleichaltrige Jungen. Im Teenager-Alter hängen deutlich mehr Mädchen als Jungen die Sportschuhe an den Nagel. Dies hat nicht nur körperliche Folgen. Sport formt auch den Geist, stärkt das Selbstver- trauen und soziale Strukturen in Sportvereinen lehren ihre Mitglieder zentrale Werte unseres demokratischen Miteinanders. Woran liegt es, dass Mädchen mit dem organisierten Sport aufhören? Oft wird argumentiert, dass Jungen konkurrenzorientierter seien und Mädchen sich lieber zum Sozialisieren und Beisammensein träfen als zum Sport. Wer einmal einem Mädchenteam beim Sport zugesehen hat, weiß, dass es dabei nicht an Ehrgeiz mangelt. Mit einem ausgeprägteren Bewegungsdrang von Jungen zu argumentieren, ist ganz sicher auch zu kurz gesprungen: In den Halbzeitpausen der Damen-Basketball-Bun- desliga sind es vor allem Mädchen, die sich einen Ball schnappen und es den Profis nachmachen wollen. Frage an Sportlerinnen: Passt die Figur? Sicher gibt es körperliche Unterschiede zwischen Jungen und Mäd- chen. Vielleicht liegt jedoch einer der größten Unterschiede hinsichtlich des Sporttreibens an unserer eigenen Haltung gegenüber dem Sport und dazu, wer Sport treiben sollte. Unsere Gesellschaft erwartet auch heute noch oft von Mädchen und jungen Frauen, lieber hübsch auszusehen als sportlich aktiv zu sein. Nicht umsonst treten selbst professionelle Sportlerinnen in manchen Sportarten in besonders knappen Outfits an. Fast scheint es, als gelte weiterhin der alte und anzügliche Satz „sex sells“. Über die „Pay Gap“ zwischen Frauen und Männern im Profisport – man denke nur an den Fußball – könnte man ganze Bücher schreiben. Welche Effekte haben diese verinnerlichten Einstellungen auf Mädchen und junge Frauen heute? Selbst die Spielerinnen des Fußballnationalteams müssen sich wie- der und wieder vor laufender Kamera zu ihrer sexuellen Orientierung äußern. Offenbar ist es nicht normal für junge, talentierte Frauen, ihrem Lieblingssport professionell nachzugehen. Die Stigmatisierungen beginnen bereits in der Benennung: spricht man von Bundesliga, sind Treibst Du Sport auch außerhalb des Schulunterrichts? Wenn ja, was machst Du? Ich mache HipHop-Tanz, spiele Volleyball, laufe und spiele Tischtennis. Mädchen, 15 Foto: MSJ

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