Schwerpunkt: Sexualisierung der Gesellschaft www.kjr-m.de n #BesondersAnders! n Erleichterung nach dem Speed-Dating n Der Musikmensch kommt! Das Magazin des Kreisjugendring München-Stadt 22 . JAHRGANG | AUSGABE 1 | FEBRUAR 2019
| 01 | 2019 das war Inhalt 3 kurz & knapp / 26 Impressum / 27 Termine / 28 zum Schluss Schwerpunkt: SEXUALISIERUNG DER GESELLSCHAFT Man dachte eigentlich, dass die Zeiten vorüber sind, als Auto- oder Zigaret- tenhersteller mit knapp bekleideten Frauen ihre Werbeanzeigen gestalteten. Doch diese und andere sichtbaren Formen einer weiter zunehmenden Sexualisierung der Gesellschaft finden sich bis heute – sogar in städtischen Unternehmen. Ab Seite 16 das kommt AG Personalgewinnung im KJR 13 Wir lassen uns was einfallen! Heroes München 14 Junge Helden kämpfen für Gleichberechtigung Runder Tisch Kinder- und Jugendbeteiligung 15 Aushandeln oder anklicken? KiKS 2019 15 Kinderkultursommer OBEN OHNE 15 Vorverkauf startet Seminarangebot 15 Humanitäres Völkerrecht Projekt des Freizeittreff Freimann gegen Vorurteile 6 #BesondersAnders! KJR-Herbstvollversammlung 7 Erleichterung nach dem Speed-Dating Fachtag 8 Interkulturelle Kompetenz – was ist das? 9. KJR-Hallenfußballcup 2018 9 Fußball-Leidenschaft und Fair Play KJR-MusikMobil im Einsatz 10 „Der Musikmensch kommt!“ Markante Erfahrungen bei einer Nacht ohne Strom 11 Das Intermezzo legt den Schalter um Fachkongress 11 Geschlechtsspezifische Jugendarbeit Foto: GettyImages
kurz & knapp | 01 | 2019 3 Wandschmuck fürs FEZI Einstein, Picasso oder doch Marc Aurel? Mit dieser Frage mussten sich die Kids im FEZI Ende Oktober auseinandersetzen. Die Wand der Schulsporthalle, die direkt an den FEZI-Sportplatz grenzt, sollte neu gestaltet werden. Drei junge Künstler von Graphism haben angeboten, die Wand in ein Kunstwerk zu verwandeln. Die Spray- und Gestaltungstechniken – in Anlehnung an Gerhard Richter – sowie die Farbgebung in Schwarz-Gelb waren durch die Künstler vorgegeben. Doch was sollte auf der 180 m² großen Wand stehen? In einer mehrtägigen Befragung einigten sich die Besucherinnen und Besucher des FEZI schlussendlich auf das Zitat von Albert Einstein „ Phantasie ist wichtiger als Wissen, denn Wissen ist begrenzt.“ Mit Unterstützung unseres Malerprojekts konnte das Vorhaben binnen eineinhalb Wochen realisiert werden und das Ergebnis kann sich sehen lassen! Spende für MKJZFrühstücksaktion Während im Westend noch alles zu schlafen scheint, wird jede Woche in der Küche des Multikulturellen Jugendzentrums (MKJZ) schon das Samstag-Frühstück vorbereitet. Ab 9.30 Uhr richten die Pädagoginnen und Pädagogen gemeinsam mit den Kids frische Semmeln, Käse, Wurst und Aufstriche her. Viele Kinder und deren Eltern freuen sich auf diese wöchentliche Aktion, die es seit mehr als zehn Jahren gibt. Und hinter dem Frühstück steckt auch ein großzügiger Förderer. Ein Münchner Bürger spendet dafür schon seit Anbeginn jedes Jahr 1000 Euro an das MKJZ, kurz vor Weihnachten war es wieder so weit. Dafür ist das Team sehr dankbar und weiß es sehr zu schätzen, diese langjährige Tradition aufrechterhalten zu können. Übernachtung im Museum Wie in jedem Jahr war die Übernachtungsaktion im Deutschen Museum ein großer Spaß mit 60 Kindern aus verschiedenen KJR-Einrichtungen. Beim Projekt „Kinder führen Kinder“ entdeckten und erforschten sie selbständig das Museum und stellten den anderen Kindern ihr Lieblingsobjekt vor. Abends konnten sie dann noch in der Altamira-Höhle Geschichten erfinden und im Planetarium zu Sternenforschern und -forscherinnen werden. So schön und immer wieder spannend ist es dann auch, nachts noch durchs Museum zu schleichen. Plastikfrei! Geht das? Au f we l chen Ge - genstand aus Plast ik könntet ihr am wenigsten verzichten? Eine Frage zu Beginn des Plastikfrei-Workshops für KJR-Beschäftigte am 29. November, die nicht so leicht zu beantworten ist – und bewusst macht, wo überall Plastik enthalten ist. Die beiden Referentinnen Lea Wiser und Kerstin Schwabenbauer von „rehab republic“, einem Verein, der sich für eine gerechtere und nachhaltigere Gesellschaft einsetzt, bringen gute Ideen mit, wie man zumindest große Mengen „WegwerfPlastik“ vermeiden kann: zum Beispiel unverpackte Ware kaufen bzw. in selbst mitgebrachte Behälter packen lassen, Stofftaschen dabeihaben sowie eine Wasserflasche zum Wiederauffüllen. Zu vielen Produkten gibt es Alternativen, die ohne Plastikverpackung auskommen, etwa feste Seife – die gibt’s übrigens auch für die Haare. Im praktischen Teil durften die 18 Teilnehmenden Deo und Orangen-Reiniger selber machen, Butter schütteln und Tüten aus Zeitungspapier falten. Weitere Tipps gibt’s unter www.smarticular.net Foto: Ismail Sahin
| 01 | 2019 4 kurz & knapp Fleißiges Nüssesammeln Ju like it 2018 „Deine Meinung zählt!“ Vor der Kamera! Auch beim 68. Münchner Kinder- und Jugendforum konnten Kinder wieder ihre Anträge und Forderungen für ein kinderfreundliches München an die Verwaltung und die Politik in München stellen. Alle elf Anträge wurden angenommen und nun unterstützen die Paten und Patinnen aus Politik und Verwaltung verantwortungsvoll bei der Umsetzung. Save The Date: Das nächste Forum am 24. Mai 2019 findet ausnahmsweise im Gasteig statt. YouTube ist der Dauerunterhalter der Jugendlichen, mit jedem erdenklichen Format immer und überall zur Stelle. Natürlich ist klar, dass das alles irgendwann mal irgendwo gedreht wurde. Aber wenn sich dann tatsächlich Leute mit Kamera und Mikrofon in der Hand anmelden, dann ist die Nervosität greifbar. Der Kinderkanal (KIKA) hatte Fragen zum Thema Freundschaft. So kamen im Intermezzo einige Jugendliche in den durchaus herausfordernden Genuss, selbst vor der Kamera zu stehen. Da nicht jede Szene sofort perfekt war, standen Gespräche mit dem Regisseur an und auch mal die dritte Wiederholung einer Szene. Damit es jetzt so perfekt aussieht wie im Fernsehen. Nach fast zwei Stunden Arbeit für wenige Minuten Film war dann allen klar, dass Film nicht nur schneller Konsum ist, sondern ein Handwerk. Beim Jugendleiter/innen-Kongress „Ju like it“ haben sich 70 Teilnehmende aus Münchner Jugendverbänden ein Wochenende lang fit fürs Ehrenamt gemacht. Zum Beispiel im Workshop „Veganes Kochen“ (siehe Foto), angeboten von Animals United. Aber auch viele weitere Themen standen am 24. und 25. November im Korbinianshaus der BDKJ auf dem Programm. Etwa Buchführung, Aufsichtspflicht, Rhetorik, Erste Hilfe, Medienrecht oder Outdoor-Spiele. Im dritten Jahr seines Bestehens hat sich „Ju like it“ etabliert, die Abteilung Junges Engagement des KJR arbeitet bereits an der vierten Ausgabe, die für Herbst 2019 geplant ist. Für die geflüchteten Kinder und Jugendlichen in der Freizeitstätte LOK Arrival stand am 7. Dezember alles unter dem Motto Weihnachten. Das LOK-Arrival-Team hatte zusammen mit Ehrenamtlichen in der Halle 23 auf dem Gelände der ehemaligen Bayernkaserne eine weihnachtliche Atmosphäre geschaffen und verschiedene Stationen aufgebaut, an denen die Kinder Nüsse gewinnen konnten. Die Aufgaben waren Gemüse schnippeln für die große Suppe am Abend, Plätzchen bunt verzieren, die dann anschließend an der Theke verspeist wurden, schöne Weihnachtsmänner basteln oder sich im Curling, Fußballschießen und Dreibeinlauf beweisen. Nach zwei Stunden läutete die Glocke und es gab ein Geschenk für die meisten gesammelten Nüsse sowie den schönsten Weihnachtsmann. Am Abend wurde das Tanzbein geschwungen und zum krönenden Abschluss sangen alle zusammen draußen mit Wunderkerzen zu Céline Dion.
kurz & knapp | 01 | 2019 5 Willkommen an Bord! Was macht der KJR-Vorstand? Was bedeutet die Abkürzung OE? Und auf welchen Grundlagen baut unsere pädagogische Arbeit auf? Diese und viele weitere Fragen konnten am 22. November 2018 bei der Begrüßung neuer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gestellt und beantwortet werden. Präsentiert wurden die Strukturen und Aufgaben des KJR, die verschiedenen Referate gaben Einblicke in ihre Arbeit und auch der Personalrat testete spielerisch das Wissen der Beschäftigten in Bezug auf ihre Rechte. Platz für den direkten Austausch mit Kolleginnen und Kollegen aus anderen Bereichen wurde ebenso geboten. So beispielsweise für die neuen Auszubildenden in der Geschäftsstelle, die die Pädagoginnen und Pädagogen in den Einrichtungen über ihren Alltag und Beruf befragen konnten. Wir sagen allen herzlich willkommen und wünschen einen erfolgreichen Start und viel Freude bei der Arbeit im KJR! Nikolaus mit Lodenfrey Der Nikolaus kam in unser Haus und packte seine schönen Sachen aus. Vielen Dank an das Unternehmen Lodenfrey, das Engel und Nikolaus zu den Clubmäusen schickte, um die Hasenbergl-Kinder zu beglücken. Natürlich wusste der Nikolaus einiges über die Clubmäuse zu berichten und nach der freudigen Bescherung saßen die Kinder gemeinsam mit Engeln und Nikolaus bei Plätzchen und Punsch und feierten den schönen Tag. Möglich gemacht haben dies Susanne Meesters von der Auszubildendenabteilung Lodenfrey und ihre engagierten Azubis. Wir freuen uns auf hoffentlich weitere gemeinsame Nikolausjahre. Graffiti-Aktion im MKJZ Ein tolles Graffiti verschönert seit 22. November die Wand im Saal des Multikulturellen Jugendzentrums (MKJZ) im Westend. Unter Anleitung der Mannheimer Graffiti-Künstlerin Steffi Peichal übertrugen 12 Jugendliche der Carl-von-Linde-Realschule (AGs Wallpainting und Siebdruck) ihre Ideenskizzen in Großformat auf die Wand. Den letzten Schliff bekamen die acht farbgewaltigen Bilder durch die Spraydose von Steffi Peichal. Gefördert wurde diese Aktion durch das Unternehmen BASF anlässlich einer Tagung in München.
6 das kommt | 01 | 2019 das war Projekt des Freizeittreff Freimann gegen Vorurteile Die Sprache ist roher geworden, dazu tragen nicht nur die Aussagen von Donald Trump bei. Auch in Deutschland sitzt seit der Bundestagswahl 2017 mit der AfD erstmals wieder eine Partei vom rechten Rand im Bundestag. Diese Partei fällt immer wieder durch fremdenfeindliche Äußerungen auf. Gerade im Stadtteil Freimann ist die Zahl der Nicht- bzw. Extremwähler erhöht, deshalb war es ein Anliegen des Freizeittreff-Teams, die politische Bildung in der pädagogischen Arbeit in den Fokus zu rücken. Dazu wurde das Projekt #BesondersAnders! gestartet. Insgesamt haben ca. 100 Kinder und Jugendliche daran teilgenommen, neben den regulären Besuchern und Besucherinnen des Freizeittreffs haben sich auch zwei Schulklassen der Grundschule an der Burmesterstraße und der Mittelschule an der Situlistraße beteiligt. Die Kinder und Jugendlichen haben zusammen mit einem Schreiner und zwei Assistenten eine bunte Kommode gebaut. Sie Der zweite Hauptbestandteil des Projektes #BesondersAnders! war die Fotoarbeit. Die Kinder und Jugendlichen konnten gemeinsam mit einer professionellen Fotografin Bilder zum Thema machen. Hier ging es um Vorurteile, die sie am eigenen Leib erfahren oder die sie beobachtet haben. Das Projekt hat die Arbeit des Freizeittreffs das ganze Jahr über begleitet und fand in den verschiedenen Angeboten Verwendung. Zum Beispiel sind die Jugendlichen bei einer Spätschicht (Themenabend für Jugendliche) in Teams gegeneinander angetreten. In einem Quizduell haben sie Fragen zum Thema Gleichstellung, Erdkunde, Promis und Religion beantwortet. Danach wurden die Informationen aus dem Quiz in einem Riesengedächtnisspiel in der Kommode noch Projektarbeit im KJR München-Stadt Projektarbeit wird im KJR besonders gefördert, denn projektspezifische Arbeitsformen sind in allen Arbeitsfeldern geeignet, neue Ideen und Angebote zu entwickeln. Projektarbeit unterscheidet sich von der Regel- oder Routinearbeit durch eine begrenzte Aufgabenstellung mit inhaltlich oder methodisch innovativem Charakter. Projektarbeit ist immer ein effektives Lernfeld für alle Projektbeteiligten, die Professionellen wie die Kinder und Jugendlichen. Die Verpflichtung zur Dokumentation und Präsentation der geförderten Projekte ermöglicht, dass die gewonnenen Erfahrungen in die Arbeit weiterer Arbeitseinheiten einfließen. Im K3 berichten wir regelmäßig über solche Projekte. #BesondersAnders! „Hauptschüler sind Gangster und Gymnasiasten sind klug!“ oder „Frauen, die Videospiele spielen, sind alle dick und hässlich!“ – 2018 haben sich die Kinder und Jugendlichen im Freizeittreff Freimann mit dem Thema Vorurteile beschäftigt soll eine Metapher für das Schubladendenken in unserer Gesellschaft sein. Diese Kommode ging dann auf eine Reise durch Freimann. An zwei Standorten wurde gemeinsam mit anderen sozialen Einrichtungen des Stadtteils, dem Bezirksausschuss 12 und dem Demokratiemobil ein Bildungsangebot zu den Themen Landtagswahl, Demokratie, Teilhabe und Menschenrechte angeboten. einmal abgefragt. Bei einem Mädchennachmittag wurde spielerisch und positiv auf die Unterschiede der Menschen eingegangen. Den Abschluss bildete wieder das Riesengedächtnisspiel. Beim großen Finale – der Vernissage von #BesondersAnders! – kamen ca. 100 Kinder, Jugendliche, Eltern und Interessierte. Highlights waren hier eine Feuershow und das gemeinsame Ballon-Steigenlassen. Auch wenn das Projekt jetzt abgeschlossen ist, geht die Arbeit am Thema weiter. Die aufgehängten Fotos sorgen immer wieder für Nachfragen und Diskussion im Offenen Treff. Im nächsten Jahr soll die politische Bildung wieder Thema im Freizeittreff sein. Unter anderem wird gerade eine Ferienfahrt nach Berlin, mit einem Besuch im Bundestag, geplant. Jenny Otto, Freizeittreff Freimann, KJR Selbst erlebte und erlittene Vorurteile haben 100 Kinder und Jugendliche aus Freimann in Bildern kommentiert
7 das kommt | 01 | 2019 das war KJR-Herbstvollversammlung Als die neuen Zuschussrichtlinien beschlossen sind, hält es die KJR-Vorsitzende Steffie Lux nicht mehr auf ihrem Stuhl. „Ja!“, entfährt es ihr spontan, sie springt auf und umarmt den Geschäftsführer Franz Schnitzlbaumer. Erst jetzt wird spürbar, welche Last soeben von ihr abgefallen ist. Immerhin wird seit mehr als vier Jahren um neue Verteilungsregeln gerungen. Die Diskussion begleitet Lux also schon ihre gesamte Amtszeit lang. Und das war „nicht vergnügungssteuerpflichtig“, wie sie sie schon bei der Begrüßung der 98 Delegierten erwähnt. Ab 2020 gelten im KJR also neue „Zuschussrichtlinien Jugendverbandsförderung“, wie sie offiziell heißen. Sie ersetzen die Regeln zur Jugendverbandsförderung aus dem letzten Jahrtausend. Sie sollen den heutigen Bedürfnissen gerecht werden, die Mittel möglichst fair auf die Münchner Jugendverbände verteilen und deren Vielfalt auch in Zukunft sicherstellen. Ein ebenso großes wie wichtiges Ziel. Davor war die Vollversammlung am 20. November im Karmelitersaal unaufgeregt. Grußworte, Vorstandsbericht und ein von den Delegierten beschlossener Wirtschaftsplan für 2019. Der hat ein Volumen von 33.970.000 Euro, wovon fast drei Viertel für Personalkosten vorgesehen sind. Eines der Ziele der Vollversammlung ist es, jenseits von Berichten, Anträgen und Beschlüssen in Kontakt zu kommen und sich über die Verbandsgrenzen hinaus auszutauschen. Dazu gibt es auch das „Jugendverbände-Speed-Dating“ zu Beginn. Die Delegierten sollen sich ein ihnen unbekanntes Gegenüber schnappen und sich gegenseitig befragen, als Starthilfe sind acht Fragen vorgegeben. Darunter „Was war der ungewöhnlichste Ort, an dem ihr schon eine Aktion gemacht habt“ oder „Was sind die häufigsten Vorurteile, die du über deinen Jugendverband zu hören bekommst?“. In ihrem Grußwort dankt Stadträtin Jutta Koller dem KJR für sein Engagement und ruft dazu auf, bei der Europawahl im Mai Europa zu stärken. „Es kann nicht sein, dass wir aus Deutschland Kräfte ins Europaparlament schicken, die das Gift des Nationalismus verspritzen“, ruft sie und wird mit lautem Applaus bedacht. Mit Blick auf die Kommunalwahl 2020 sagt sie, dass die Stadtpolitik sicher wieder Wahlprüfsteine vom KJR erwarten dürfe. So ist es, bestätigt Stephanie Dachsberger im Bericht des Vorstandes. Es soll vor der Wahl wieder Jugendpolitische Forderungen und einen „OB-Check“ mit aussichtsreichen Spitzenkandidat/inn/en geben. Sie berichtet auch vom Konzept zur Fachberatung für Jugendarbeit in der Migrationsgesellschaft im KJR, eine Teilzeitstelle, die mit Mitteln des Bayerischen Jugendrings neu geschaffen wird. Ein wichtiges Thema der Vorstandsarbeit war auch der Kooperative Ganztag, der ab 2025 in Bayern flächendeckend eingeführt werden soll. Die Landeshauptstadt München hat den KJR um seine Beteiligung bei den Modellprojekten fürs Schuljahr 2019/2010 gebeten, teilt Christoph Saur mit, „das ist eine Wertschätzung für unser Wissen und unser Können“. Lange hat der KJR für ein Jugend- und Ausbildungsticket imMVV gekämpft, imMai wurde die M-Zone für die Innenstadt beschlossen. Das war eine der Forderungen für ein pauschales Jugendticket. „Wir waren davon ausgegangen, dass alles in trockenen Tüchern ist“, berichtet Steffie Lux. Bekanntlich blockierten die Umlandgemeinden den Vorschlag und Ministerpräsident Markus Söder überraschte im Herbst mit der Forderung nach einem 365-Euro-Ticket für alle – ursprünglich die KJR-Forderung für das Jugend- und Ausbildungsticket. „Falls das Pauschalticket für Erwachsene zu diesem Preis kommt, fordern wir den halben Preis für Schüler und Azubis“, gibt Lux die neue Zielrichtung an. „Uns wird’s nicht langweilig, wir bleiben dran!“ Andro Scholl stellt das Positionspapier zum Umgang mit Parteien vor, das der KJR-Vorstand am 25. September beschlossen hat. Für den KJR sind Geschlechtergerecht igke i t , Multikulturalität, Inklusion, Weltoffenheit, die Europäische Idee und Respekt gegenüber anderen Religionen, Familien- und Lebensentwürfen, sexuellen und geschlechtlichen Identitäten sowie anderer Herkunft selbstverständlich. „Personen, Organisationen und Parteien, die diesen Grundsätzen widersprechen, bieten wir keinen Raum!“, sagt Scholl. „Wir laden deren Vertreterinnen und Vertreter nicht ein, nehmen nicht an deren Veranstaltungen teil und überlassen ihnen keine Räume!“. Ein klares Statement, das von den Anwesenden mit gewaltigem Applaus bedacht wird. Klare Zustimmung gibt es auch für neue Aufwandsentschädigungsregelung für den weiterhin ehrenamtlichen Vorstand. Diese soll auch kleineren Verbänden ermöglichen, die Vorsitzende oder den Vorsitzenden zu stellen. In der Praxis war dies bisher den großen Jugendverbänden vorbehalten, weil nur sie sich die teilweise Freistellung von Personal finanziell leisten konnten. Gecko Wagner, Öffentlichkeitsarbeit, KJR Erleichterung nach dem Speed-Dating Die Herbstvollversammlung hat den Wirtschaftsplan 2019, neue Vorstands-Regeln zur Aufwandsentschädigung und neue Richtlinien zur Jugendverbandsförderung beschlossen. Ein Gefühlsausbruch nach der Abstimmung zeigte, wie wichtig dies ist Austausch beim „Speed-Dating“ auf der Vollversammlung
8 das kommt | 01 | 2019 das war Fachtag Mit spannenden Fragen zum Begriff der „Interkulturellen Kompetenz“ beschäftigten sich über fünfzig Teilnehmende auf einem Fachtag am 30. November 2018 im Multikulturellen Jugendzentrum Westend, veranstaltet vom Arbeitskreis „Interkulturelle Jugendarbeit im KJR“. Hauptziel war es, vorhandenes Wissen zu interkultureller Pädagogik zu vertiefen, die eigene Haltung zu reflektieren und eine Handlungsstrategie zu entwickeln, um Ratlosigkeit und Unsicherheit im pädagogischen Alltag konstruktiv zu einem offenen Diskurs hinzuwenden, in dem unterschiedliche Interessen und Identitäten ausgehandelt werden können. In seinem Impulsvortrag ging Prof. Dr. Magnus Treiber vom Institut für Ethnologie an der LMU München zunächst aus ethnologischer Sicht auf „Interkulturelle Kompetenz“ und „Kultur“ ein. Nach seiner Einschätzung bleibt der Begriff der „Interkulturellen Kompetenz“ trotz wachsender Fachliteratur vage. Das liege nicht zuletzt an der Schwierigkeit, „Kultur“ begrifflich zu fassen, weshalb zwar auf ethnologische Kulturtheorie verwiesen werde, eine weitere Auseinandersetzung damit aber nicht stattfinde. Da Kultur ein nicht rein sprachliches Phänomen darstelle, könne sie mit sprachlichen Mitteln auch immer nur näherungsweise beschrieben werden. Um der Komplexität der Debatte zu entgehen, würden zur Vermittlung gerne vereinfachende Schaubilder von Kultur eingesetzt, die stark werten und strukturieren und mehr Probleme aufwerfen, als sie lösen. Als Folge daraus ließe sich dann Kultur dazu instrumentalisieren, Veränderung, Differenz und Nicht-Verstehen zu rechtfertigen. Umdem zu entgehen, schlägt Prof. Treiber eine pragmatische und kommunikationsbasierte Lösungsorientierung vor, die weitgehend – und jenseits kultureller Überhöhungen – auf der beruflichen Kompetenz und Erfahrung der Fachkräfte in der breiteren Sozialen Arbeit und Bildungsarbeit aufbauen kann. Wenn die unausweichliche politische Dimension des Sprechens über Kultur erkannt Interkulturelle Kompetenz – was ist das? Interkulturelle Kompetenz ist eine Schlüsselkompetenz und wichtige Grundlage für pädagogisches Arbeiten in der Jugendarbeit. Wie ist diese Kompetenz zu definieren und wie ist das überhaupt mit der Kultur? Steht dahinter mehr als ein emotional aufgeladener Begriff und wie geht man mit unterschiedlichen kulturellen Identifikationsformen um? wird, dann lasse sich damit auch angstfreier umgehen – denn nicht immer seien Konflikte etwa unter Jugendlichen in erster Linie kulturell, sondern möglicherweise einfach persönlichen Entfaltungsprozessen im jugendlichen Alter geschuldet. Im zweiten Teil des Tages wurden in vier Kleingruppen Fallbeispiele aus der pädagogischen Praxis ausführlich diskutiert und Handlungsempfehlungen erarbeitet: Umgang mit religiösen Wünschen und Bedürfnissen der Besucherinnen und Besucher; Muttersprache als Ressource, aber bitte in der Einrichtung nur Deutsch sprechen; Umgang mit ethnischen bzw. nationalistischen Konflikten der Besucherinnen und Besucher; Klassenperspektive bzw. Vorurteile aufgrund der sozialen Herkunft. Cumali Naz, Beauftragter für interkulturelle Jugendarbeit, KJR Konflikte in der Jugendarbeit sind oft nicht kulturell bedingt, sagt EthnologieProfessor Magnus Treiber
9 das kommt | 01 | 2019 das war 9. KJR-Hallenfußballcup 2018 Über diese Nachwuchskickerinnen und -kicker würde sich der Bundestrainer der Herren-Nationalmannschaft sicher freuen. Denn beim 9. KJR-Hallenfußballcup standen nicht nur die Motivation und die sportliche Leistung im Vordergrund, sondern vor allem die angenehme Atmosphäre, Fair Play und die gemeinsame Leidenschaft am Fußball. Also das, was Jogis Jungs im letzten Jahr zu oft vermissen ließen. Insgesamt 21 Teams kämpften dieses Mal in der LOK Arrival und im frei.raum um den Pokalsieg. Am Freitag, den 23. November 2018 traten die Spielklassen U14 und U16 in spannenden, umkämpften, aber stets fairen Spielen gegeneinander an. Unter den fünf U14-Teams ging im Ligamodus das Team „Zenetti I“ als Turniersieger hervor und verwies die „Afghan Boys“ aus der LOK Arrival und den „FC Abix“ auf die Plätze zwei und drei. Den Doppelsieg haben die „Zenettis“ nur knapp verpasst. Denn das Team „Zenetti II“, das in der Gruppenphase des U16-Turniers die Mannschaft GBF München (Gehörlose Bergfreunde München) noch besiegte, musste sich ihr im Finale nach einem knappen 2:3 geschlagen und sich mit dem zweiten Platz zufrieden geben. Im kleinen Finale um Platz tensweise auch außerhalb des Platzes über den begehrten Fair-Play-Preis und Sachpreise vom FC Bayern München freuen. Auch eine Woche später, am Samstag, den 1. Dezember, war die Stimmung überwältigend, diesmal im frei.raum Trudering. In einem absolut fairen Turnier mit bemerkenswert wenigen Fouls konnte sich in der Jahrgangstufe U9 die „Kindervilla Drei Eichen“ den Turniersieg sichern. Mit dem zweiten Rang mussten sich die „Ballknacker“ begnügen, deren Mitspieler Prince zum wertvollsten Spieler des Turniers gewählt wurde. Dahinter folgten der „FC Nice“ und „Erster Stern“, die durch ihre besonders faire Spielweise den Fair-Play-Pokal abräumten. In der Spielklasse U11 durften die „Marvin Ultras“ als Turniersieger nach Hause fahren. Doch auch der zweitplatzierte „FC Oly“ wurde sowohl mit der Auszeichnung ihres Mitspielers Jim zum wertvollsten Spieler als auch mit der völlig verdienten Ernennung zum Fair-Play-Sieger reich belohnt. Platz drei errang die „KIVI Theresia“. Florian Lachner, Projektkoordination Sportangebote, KJR Fußball-Leidenschaft und Fair Play Die jungen Spielerinnen und Spieler beim KJR-Hallenfußballcup glänzten mit viel Motivation und sportlicher Leistung. Und mit bemerkenswert fairen Spielen Die „frei.raum Kicker“ mussten sich trotz Heimvorteil mit dem 5. Platz in der U9 begnügen Jubel über den Turniersieg: Die „Marvin Ultras“ errangen den ersten Platz in der Spielklasse U11 Der „FC Nordstern“ von den Nordstern KIDDIES erreichte in der U11 den 6. Platz drei konnte sich das Gastgeberteam der LOK Arrival „1. FC Kurdistan“ gegen das einzige Mixed-Team in dieser Spielklasse vom „Waaghäusl“ durchsetzen. Letztere konnten sich wegen ihrer vorbildlichen Spiel- und Verhal-
10 das kommt | 01 | 2019 das war KJR-MusikMobil im Einsatz Wenn man im Laimer Jugendzentrum hört „Der Musikmensch kommt!“, dann weiß man, dass das KJR-MusikMobil mit Benedikt „Beni“ Michael anrollt. Und dann dürfen die Kinder und Jugendlichen sämtliche Instrumente testen – Akkordeon, E-Schlagzeug, diverse Gitarren, Geige, Cajons, Percussionsmaterial und vieles mehr. Die Instrumente werden ansprechend aufgebaut und, wo nötig, verkabelt. Mit viel Engagement und unendlicher Geduld widmet sich das Team vomMusikmobil den Kindern und Jugendlichen, die oft zum allerersten Mal ein Instrument in der Hand halten. Das KJR-Mobil begeistert mit seinen Musikangeboten Ein Highlight insbesondere für Jugendliche ist, dass sie selbst Beats am PC bauen können. Das ähnelt einem „kreativen Baukasten“ und benötigt somit keinerlei musikalische Vorerfahrung. Man kann aus verschiedenen Genres voraufgenommene Schlagzeug-, Synthie-, Gesangs- und Bass-Spuren zusammenmixen und somit einen ganz eigenen Soundpool entwickeln. Wer tiefer in die Materie gehen möchte, kann auch eigene Lines schreiben und im Mixing durch verschiedene Effekte wie Hall, Chorus oder Delay Verfeinerungen einstellen. Das ist sehr beliebt, weil man so in zwei Minuten einen Welthit zusammenschustern könnte, sich aber auch in detaillierter Kleinstarbeit mehrere Stunden hinter einen Track setzen kann. Auf einen „Der Musikmensch kommt!“ Seit gut einem Jahr tourt das KJR-Musikmobil mit Benedikt Michael durch die Einrichtungen. Auch im Laimer sind die Kinder und Jugendlichen begeistert von seinen Instrumenten und Angeboten Stick gespeichert, kann man es den Kids mit nach Hause geben. Dass dieses ungezwungene Herantasten an die Musik Vertrauen in sich selbst und in Benis Fähigkeiten geweckt hat, zeigt sich auch darin, dass drei Jungs mit ihm singen wollten. Regelmäßig wurden Lieder und Intonation einstudiert. Die Beharrlichkeit und Motivation der Teenager, sich der Musik zu widmen, war bewundernswert – zumal dies von den anderen Jugendlichen misstrauisch beäugt wurde. Nach einem Vierteljahr kam dann der Wunsch auf, Instrumente und Noten dazu zu lernen – und eine Boyband zu gründen. Neue Jugendl iche wurden aufgenommen, mit der Bedingung, dass die Ernsthaftigkeit im Vordergrund steht. Mal klappt es besser, mal obsiegt die Frustration, denn natürlich muss ständig wiederholt werden, was die Jungen nicht gerade motiviert. Die Gruppe trifft sich immer noch, einmal die Woche wird geübt, gesungen und auch geschmollt. Das Team ist stolz, dass die Jungen diese Kontinuität aufbringen und sich so für die Musik begeistern lassen. Fortsetzung folgt. Alexandra Krohn, Das Laimer Jugendzentrum mit AbenteuerSpielplatz, KJR Cajons, Gitarre, E-Schlagzeug und viele Instrumente mehr bringt das MusikMobil In zwei Minuten einen Welthit mixen – ganz ohne musikalische Vorerfahrung
11 das kommt | 01 | 2019 das war Markante Erfahrungen bei einer Nacht ohne Strom Symbolisch wurde der Sicherungsschalter umgelegt. Dann gab es keinen Strom mehr im Intermezzo. Die Lichter gingen aus, die Digitaluhren blieben stehen. Solarlampen brachten etwas Licht ins Dunkel, dazu handbetriebene Taschenlampen und jede Menge Kerzen. Während vor dem Haus im ersten Schnee bereits der Topf über dem Feuer pendelte, wurde in der Küche im Zwielicht Gemüse zerkleinert. Auf einem Trimm-Fahrrad konnte Strom erzeugt werden, aber ohne Speichermöglichkeit. Wer Musik hören wollte, musste nonstop in die Pedale treten. Die Gruppe saß dann dicht gedrängt ums Lagerfeuer und löffelte ihren Eintopf. Zu den großen Herausforderungen gehörten die Toiletten im Kerzenlicht, die einer sonst routinemäßig verrichteten Aktion ein gewisses Maß an Kunstfertigkeit abverlangten. Eine Fackelwanderung in den Wald dürfte der hellste Programmpunkt gewesen sein. Das Herrichten des Nachtlagers mit Isomatte und Schlafsack ließ, gemessen an den Flüchen, eine gewisse Ratlosigkeit vermuten. Interessant auch, wie die Größe des Raumes so gar nicht genutzt wurde und alle auf einer winzigen schwarzen Insel zusammenschmolzen. Da bekommt dann Gemeinschaft eine besondere Dimension. Mit dem Morgengrauen kam kostenloses Licht herein, das Frühstück verlief noch etwas düster – und für das pädagogische Personal natürlich ohne Kaffee. Etwas später wurde der Sicherungsschalter wieder Das Intermezzo legt den Schalter um In der Nacht vom 27. auf den 28. November 2018 erlebten 16 Teenies im Intermezzo eine ganz besondere Übernachtungsaktion Foto: Heiko Neumann zurückgelegt und durch das ganze Gebäude schien Energie zu fließen. Die Lichter gingen an, die Playstation meldete sich zurück, das Kaffeewasser blubberte, der Geschirrspüler pumpte Wasser ein und heizte es auf. Und Musik lag plötzlich ohne Radl-Geräusch in der Luft. Die Nacht ohne Strom war wieder im energiereichen Alltag angekommen. Für die Jugendlichen ein krasser, ein erlebter Unterschied. Heiko Neumann, Intermezzo, KJR Fachkongress Sexualpädagogin Sonja Estendorfer und Bertram Hollmann, ehemals in der Sexualaufklärung tätig, nun mit Lehrauftrag an der Hochschule München, fragten als Referierende Arbeitsfelder und Zielgruppen der Teilnehmenden ab. Eine Reise in die eigene Biografie mit Blick auf die Entwicklung zum sexuellen Wesen brachte emotionale Annäherung an die Thematik. Mit Fragen wie „Wer war auch ein „Dr. Sommer-Kind?“ wurden Erfahrungen ausgetauscht und mit der heutigen Situation Jugendlicher verglichen. „Gefühlte Wahrheiten“ dazu wurden von Ergebnissen der Jugendsexualitätsstudie der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BzgA) von 2015 bestätigt oder widerlegt. Die Methode „Sex ABC“ – gut mit jungen Zielgruppen anwendbar – sorgte für Heiterkeit. Zu jedem Buchstaben des Alphabets soll ein Wort gefunden werden, das im weitesten Sinne mit Sex zu tun hat. Etwas ungewohnt, mit sexuellen Begriffen um sich zu werfen – aber es gibt dem Thema eine Sprache und baut Hemmungen ab. Nachmittags rundeten zwei Workshops den Fachkongress ab. „Sexualpädagogik im interkulturellen Kontext“ bot Methoden, die sich besonders in der Arbeit mit jungen Geflüchteten eignen, da sie verschiedene Wertevorstellungen berücksichtigen und mit wenig Sprache auskommen. Kontrovers diskutiert wurde, ob es in einem parteilichen Ansatz sinnvoll ist, Mädchen* und jungen Frauen* über künstliche Hymen mit EchtGeschlechtsspezifische Jugendarbeit Um Sexualpädagogik und genderspezifische Aspekte ging es am 6. Dezember in den Räumen der AidsHilfe e.V. für interessierte KJR-Mitarbeitende, die in der geschlechtsspezifischen Arbeit mit Kindern und Jugendlichen tätig sind blutimitat zu informieren und damit den Mythos Jungfernhäutchen und im weitesten Sinne patriarchale Strukturen zu fördern. Im Workshop „Sexualpädagogik mit Teenies“ wurde u.a. eine Methode vorgestellt, bei der Heranwachsende einen männlichen* bzw. weiblichen* Körperumriss malen und Veränderungen der Pubertät einzeichnen. Ziel ist es, ihnen Informationen über bevorstehende Veränderungen zu geben und den Bezug zum anderen Geschlecht herzustellen. Aber wie gehen wir mit Kindern und Jugendlichen um, die sich nicht eindeutig einem Geschlecht zuordnen wollen oder können? Auch diese Frage wurde praxisnah diskutiert. Katharina Fertl, Bernhard Rutzmoser, KJR Ein bisschen Strom gab es doch – aber nur, wenn die Pedale des Trimm-Fahrrads getreten wurden
12 das war | 01 | 2019 Täglich besuchen viele Kinder und Jugendliche die KJR-Einrichtungen. Was ist eigentlich im Laufe der vielen Jahre aus ihnen geworden? Welche Wirkung hatte der Kontakt mit den Pädagoginnen und Pädagogen in den Einrichtungen, die Teilnahme an einer Ferienfahrt oder einem Bildungsangebot? In dieser Serie berichten ehemalige Besucherinnen und Besucher über ihre Erlebnisse und wie sie auf dem Weg zum selbstbestimmten Leben gut begleitet und individuell unterstützt wurden. » Zum ersten Mal in der Aubinger Tenne war ich 2011, mit meinem damaligen besten Freund. Ich war 15. Er war schon öfter in der Tenne gewesen und hat gemeint, ich soll einfach mal mitkommen. Jugendzentren hatten für mich damals einen unangenehmen Beigeschmack, da ich noch nie in einem war. Doch ich wurde positiv überrascht. Man wird so herzlich empfangen und alles ist so liebevoll und gemütlich gestaltet, dass man sich gleich wohl fühlt. Am Billard-Tisch habe ich auch gleich gegen meinen besten Freund gewonnen. Da es mir so gut gefallen hat, bin ich dann fast jeden Tag vorbeigekommen. Es gab sehr viele Angebote, z.B. den Mädels-Nachmittag, an dem wir eigene Projekte wie Basteln oder alles rund um Beauty gemacht haben. Irgendwann war dann die Wahl zur Jugendrätin und man hat mich tatsächlich gewählt. Später habe ich noch die Jugendleiterschulung gemacht. Auch an einem Kochwettbewerb haben wir teilgenommen. Wir haben andere Jugendzentren bekocht und uns bekochen lassen. Man musste sich immer ein Menü überlegen. Ich weiß noch, dass wir ein „Black and White“-Menü und ein „Bunter Frühling“-Menü ausgerichtet haben. Wir waren im Team sehr kreativ mit den verschiedenen Gerichten. So haben wir gleichzeitig kochen und auch arbeiten im Team gelernt. Die Aufgaben waren unter uns aufgeteilt und wir haben wirklich viel alleine gemacht. Die Betreuer haben uns nichts abgenommen, sondern nur unterstützt, falls es ein Problem gab. Zu guter Letzt haben wir diesen Kochwettbewerb sogar gewonnen. Unser Preis war ein Abendessen im Hilton. Wir wurden mit einer Stretch-Limousine abgeholt. Im Hotel wartete schon eine große gedeckte Tafel auf uns. Auch so haben wir manchmal zusammen etwas gekocht oder ganze Nachmittage lang „Activity“ gespielt. Neben der Tenne befindet sich eine Art Museum bzw. Kultur-Zentrum. Dort gab es auch öfter Projekte oder Konzerte von ehemaligen Besuchern der Tenne mit anschließender Grillparty, bei der natürlich viele freiwillig mitgeholfen haben. Es war einfach immer ein schönes Miteinander und falls es mal Unstimmigkeiten gab, wurden die sofort geklärt. In der Tenne habe ich auch meinen ersten richtigen Freund kennengelernt. Wir waren anderthalb Jahre zusammen und schauten immer wieder mal im Jugendzentrum vorbei. Leider war unsere Trennung nicht ganz einfach, deswegen habe ich Hilfe bei zwei Betreuern in der Tenne gesucht. Sie haben mich sehr lieb unterstützt und mir und ihm einen Raum gegeben, um zu sprechen. Danach haben sie sich Zeit genommen, mit ihm zu sprechen und sich um mich zu kümmern. Das war mir eine Riesen-Hilfe und ich weiß nicht, was ich ohne sie gemacht hätte. „Immer ein schönes Miteinander“ Alina war von 2011 bis 2014 Besucherin der Aubinger Tenne und erinnert sich immer noch gerne an diese Zeit ... Das ist aus mir geworden Danach habe ich länger nicht vorbeigeschaut, da ich durch neue Freundschaften anderweitig in München unterwegs war. Zudem bin ich 2014 aus Aubing weggezogen und habe meine Ausbildung angefangen. Das letzte Mal war ich bei einer Oldschool-Reunion-Party da und es war so schön, alle wieder zu sehen. Total spannend, was aus den anderen so geworden ist. Ich habe eine Ausbildung zur Kauffrau für Büromanagement absolviert und habe jetzt einen festen Job bei einem kleinen aufstrebenden Unternehmen in der Schulungsorganisation. Dabei bin ich München stets treu geblieben und denke auch nicht daran, je von hier wegzuziehen. Auch wenn ich selbst nicht mehr in die Tenne gehe und sehr selten vorbeischaue, finde ich es gut zu wissen, dass es einen Ort gibt, an dem Kinder und Jugendliche so willkommen sind. Alle Betreuer der Tenne kümmern sich einfach so herzlich um alle, dass man sich nur wohlfühlen kann. Das Team der Tenne war „eine Riesen-Hilfe“ für Alina. „Ich weiß nicht, was ich ohne sie gemacht hätte.“
13 das kommt | 01 | 2019 AG Personalgewinnung im KJR Qualifizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zeichnen den KJR aus. Aufgrund der Arbeitsmarktsituation ist es jedoch seit vielen Jahren zunehmend schwierig, gut ausgebildetes Personal zu finden. Das zeigte sich zuerst in den Kindertageseinrichtungen, inzwischen betrifft es den gesamten pädagogischen Bereich. Um diesem Umstand entgegenzuwirken und den KJR als attraktiven Arbeitgeber noch bekannter zu machen, gibt es die AG Personalgewinnung, einen Kreis von derzeit fünf Mitarbeiterinnen, die mit viel Engagement Ideen entwickeln und umsetzen. Manche Maßnahmen sind für alle sichtbar, andere auf bestimmte Anlässe und Zielgruppen ausgerichtet. Was die AG Personalgewinnung macht – einige Beispiele Auf der KJR-Homepage sind zahlreiche Interviews mit Beschäftigten aus unterschiedlichen Bereichen veröffentlicht, die Fragen zu ihrer Tätigkeit und zum KJR als Arbeitgeber beantworten. Ihre Stimmen sind besonders wertvoll für Bewerberinnen und Bewerber. Beim „Actionbound“, einer Schnitzeljagd mit Tablets, lernen Praktikantinnen und Praktikanten – und damit künftiges pädagogisches Personal – die vielseitigen Tätigkeitsfelder des KJR kennen. Auf einer Erkundungstour durch verschiedene Einrichtungen lösen sie kleine Aufgaben, z. B. mit Hilfe von Interviews. Am Ende des Tages treffen sich alle zu einem Austausch wieder. Studierende der Sozialen Arbeit können sich inzwischen ab dem 5. Semester auf bestimmte Stellen beim KJR bewerben. Dadurch erhalten sie die Möglichkeit, schon während ihres Studiums beim KJR tätig zu sein und ihr Beschäftigungsverhältnis über das Studienende hinaus fortzuführen. Viele haben diese Möglichkeit schon genutzt. Zudem präsentiert sich der KJR als Arbeitgeber auf verschiedenen Messen, an Infoständen von Fachhochschulen (Career Day) und auf dem OBEN OHNE Open Air. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus den Einrichtungen oder der Geschäftsstelle stellen dort die verschiedenen Einsatzmöglichkeiten beim KJR vor und beantworten die Fragen der Interessierten. Aktuell wird ein Banner (s.o.) für die Außenbereiche der Kindertageseinrichtungen gestaltet, um auf diesem Weg für neues Personal zu werben. Wir lassen uns was einfallen! Im sozialen Bereich gibt es mehr offene Stellen als Bewerberinnen und Bewerber. Hier sind Ideen und Engagement gefragt, um nachhaltig pädagogisches Personal für den KJR zu gewinnen. Genau damit beschäftigt sich die AG Personalgewinnung Offenes AG-Treffen 2018 Im vergangenen Sommer wurden alle KJR-Mitarbeitenden zu einem offenen AG-Treffen eingeladen, um gemeinsam neue Ideen zur Personalgewinnung zu entwickeln. Bei dem Treffen am 25. Oktober 2018 fand dann ein lebhafter und konstruktiver Austausch mit Beschäftigten aus der Verwaltung und der OKJA statt. Neben anderen Aspekten wird als zentraler Engpass die Ausbildung an den Hochschulen angesehen. Der Schwerpunkt Jugendarbeit ist dort sowohl seitens der Studierenden als auch der Lehrkräfte unterrepräsentiert. Die Lehrinhalte sind darüber hinaus zu wenig an der Berufspraxis ausgerichtet. Hier ist geplant, in nächster Zeit zusätzliche Kontakte an den Hochschulen zu knüpfen, um mehr Präsenz zu zeigen und fachlichen Input anzubieten, z. B. durch weitere Gastvorträge und Lehraufträge von KJR-Beschäftigten. Alle sind gefragt … Die AG Personalgewinnung wird weiterhin mit viel Engagement Maßnahmen entwickeln und umsetzen. Auch über das offene AG-Treffen 2018 hinaus sind Anregungen aus dem KJR wertvoll. Die Mitarbeitenden sind eingeladen, ihre Ideen zur Personalgewinnung zu beschreiben und an personalentwicklung@ kjr-m.de zu senden. Aussichtsreiche Einfälle werden gerne aufgegriffen. Sabine Drebes, Personalentwicklung, KJR
14 das kommt | 01 | 2019 Heroes München Junge Männer mit Migrationshintergrund zwischen 16 und 23 Jahren werden bei Heroes zu Workshop-Leitern ausgebildet. Anschließend gehen sie in Schulklassen und Jugendeinrichtungen, um über Gleichberechtigung, Ehre, Menschenrechte und Homophobie zu sprechen. Diese Workshops sind theaterpädagogisch aufgebaut und für alle Jugendlichen ab 14 Jahren geeignet. Ilker ist ein Hero aus der ersten Gruppe und engagiert sich seit 2012 für das Projekt. Durch Freunde wurde Ilker auf Heroes München aufmerksam. Daraufhin kam er regelmäßig zu den Trainings am Donnerstagabend, wo in einer gelassenen und familiären Atmosphäre über die Heroes-Themen diskutiert wird. Heroes bietet den Jugendlichen nicht nur wöchentliche Treffen an, sondern auch Freizeitaktivitäten. Gemeinsam geht man wandern, essen, zum Bowling oder macht Filmabende und vieles mehr. Auch mehrtägige Fahrten werden angeboten. Ilker durfte in seinem ersten Jahr bei der Abschlussfahrt in die Türkei teilnehmen. In den Herbstferien 2018 war die ganze Heroes-Gruppe in Wien. Junge Helden kämpfen für Gleichberechtigung Heroes ist ein Peer-to-Peer-Projekt in Deutschland und Österreich. 2007 gegründet, besteht es seit 2011 auch in München und kooperiert auch immer wieder mit dem KJR. Was genau wird bei diesem Projekt gemacht und wie können sich junge Männer dabei engagieren? Heroes in Wien Ilker von Heroes München Da Heroes inzwischen weit verbreitet ist, besteht auch eine enge Kooperation zwischen den verschiedenen Projekten in Deutschland und Österreich. Es finden regelmäßige Netzwerk- und Family-Treffen statt und die Jungs tauschen sich bei gegenseitigen Besuchen aus. Auf seiner Abschlussfahrt wurde Ilker nochmal intensiv auf seine Workshop-Arbeit vorbereitet. Nach etwa neun Monaten, in denen er regelmäßig am Training teilgenommen hat, bekam er sein Zertifikat als ausgebildeter Hero. Dieses Zertifikat hilft vielen Heroes bei ihrer Ausbildungs- und Arbeitssuche. Gleich nach seiner Zertifizierung Anfang 2013 durfte Ilker gemeinsam mit anderen Heroes seinen ersten Workshop durchführen. Bei jedem Workshop bekommen die Heroes eine Aufwandentschädigung von 50 Euro. Bis heute war Ilker bei über 100 Workshops dabei, die auch in verschiedenen KJR-Einrichtungen durchgeführt wurden. 2018 wurden zehn neue Heroes zertifiziert, die inzwischen Workshops geben können. Bei allen Workshops werden die Jungs von den Gruppenleitern unterstützt und begleitet. Heroes München bietet Workshops für Schulklassen, Jugendzentren und Fachkräfte an. All die Jahre dabeigeblieben ist Ilker wegen dem guten Gruppenzusammenhalt und dem Spaß an der Sache. Obendrein konnte er sich durch die Workshop-Arbeit selbst weiterentwickeln, Vorurteile abbauen, Selbstbewusstsein gewinnen und sich weiterbilden. Die Workshops bieten den Jugendlichen einen Raum, um über Themen zu reden, über die sonst nicht gesprochen wird. Ihre Meinung frei sagen zu können und darüber zu diskutieren, macht den Jugendlichen Spaß und stärkt nicht nur ihr Selbstwertgefühl, sondern auch den Klassenzusammenhalt. Christian Borchart und Svenja Schüürmann, Heroes München
15 das kommt | 01 | 2019 Runder Tisch Kinder- und Jugendbeteiligung Seminarangebot Humanitäres Völkerrecht Das Münchner Rote Kreuz bietet am 16. März 2019 das Seminar „Humanitäres Völkerrecht für Einsteiger/innen“ an. Es richtet sich an junge Menschen von 16 bis 26 Jahren, die noch keine oder geringe Vorkenntnisse haben. Die Verbreitung des Humanitären Völkerrechts (also der zwischenstaatlichen Vereinbarungen zum Schutz der Opfer bewaffneter Konflikte, vor allem der Genfer Abkommen) ist eine der Aufgaben, mit denen die Bundesrepublik Deutschland das Deutsche Rote Kreuz beauftragt hat. In diesem Seminar wird ein gemeinsames Verständnis vom Humanitären Völkerrecht geschaffen und in Kleingruppen werden mit konkreten Fragestellungen Fallbeispiele bearbeitet. Das Seminar findet am Samstag, 16. März von 9 bis 17 Uhr in der Geschäftsstelle des Münchner Roten Kreuzes, Perchtinger Straße 5, statt. Die Teilnahme ist kostenlos. Nähere Informationen und Anmeldung über Gabriel Bücherl, Konventionsbeauftragter des Münchner Roten Kreuzes: gabriel.buecherl@brk-muenchen.de OBEN OHNE Vorverkauf beginnt Noch i s t da s Line-up des diesj ähr i gen OBENOHNE-Open-Ai r - Festivals am 20. Juli 2019 auf dem Königsplatz nicht bekannt, doch die Anfragen nach Tickets häufen sich schon. Deshalb startet am 14. Februar bereits der Vorverkauf. Das Open Air der Kreisjugendringe München-Stadt und München-Land ist nicht nur das größte nicht-kommerzielle Festival im süddeutschen Raum, sondern auch Garant für frische Musik von aufstrebenden Bands. Tickets zu 3 Euro gibt es ab dem14. Februar entweder im Jugendinformationszentrum (JIZ) in der Sendlinger Straße 7 oder über Eventbrite, dort zuzüglich der Vorverkaufsgebühr. Neu in diesem Jahr ist, dass neben den schön gelayouteten Hardtickets, die man im JIZ erwerben kann, aus Gründen der Nachhaltigkeit E-Tickets und Print@ Home-Tickets über Eventbrite erhältlich sind. Die Tickets sind auf 20.000 Stück begrenzt. Schnell sein lohnt sich, erfahrungsgemäß ist das Festival rasch ausverkauft. KiKS 2019 Kinderkultursommer startet wieder Das KiKS-Festival wird in diesem Jahr von 6. bis 10. Juni stattfinden, der KiKS-Reiseführer mit dem ausführlichen Programm zur Kulturellen Bildung für Kinder erscheint wieder Ende Mai und wird dann auf dem Festival der Öffentlichkeit vorgestellt. Die Anmeldung für das KiKS-Festival und den KiKS-Reiseführer ab ist sofort möglich über www.kiks-muenchen.de. Dort sind auch alle Ansprechpersonen für die jeweiligen Schwerpunkte zu finden. Der Redaktionsschluss für Festival und Reiseführer ist der 3. März 2019. Aushandeln oder anklicken? Um junge Methoden der Kinder- und Jugendbeteiligung in der Stadt geht es am Dienstag, den 2. April 9.30 bis 13 Uhr in der Pasinger Fabrik (August-Exter-Str. 1) beim Runden Tisch Kinder- und Jugendbeteiligung. Zum Einstieg in das Thema analoge versus digitale Partizipation bietet ein Impulsvortrag Anstoß zu folgenden Fragen: Eröffnen digitale Methoden neue Möglichkeits- und Handlungsräume für die Partizipation junger Menschen an der Stadtgestaltung? Wie digital sollte Kinder- und Jugendbeteiligung sein? Wie kann eine sinnvolle Verknüpfung von „offline“ und „online“ aussehen? Anschließend werden in Workshops verschiedene Tools und Methoden vorgestellt und anhand von Beispielen Anknüpfungspunkte für die eigene Praxis konkretisiert. Anmeldung beim Münchner Kinder- und Jugendforum, info@ak-kinderundjugendbeteiligung.de Ein Impulsvortrag, Workshops und viel fachlicher Austausch zum Thema Partizipation warten auf die Teilnehmenden am Runden Tisch Foto: Katy Spichal Partizipation „offline“ und „online“ sinnvoll verknüpfen – eins der Themen beim nächsten Runden Tisch
Dachzeile 16 das kommt | 01 | 2019 Sexualisierung d r Gesellschaft Schwerpunk Sexualkundeunterricht an Grundschulen 17 Wissen schützt Die Zeit, in der Kinder beginnen, ihre Körperlichkeit zu entdecken, ist voller Spannungen, Widersprüche und Missverständnisse. Aufklärung ist dringend notwendig. Von Marko Junghänel Sexualerziehung – Rolle der Schulsozialarbeit 18 Wie geht gute Aufklärung? Jugendliche verbringen heute einen großen Teil ihres Alltags in der Schule. Mit die Pubertät beginnt eine Phase voller Umbrüche und Herausforderungen. Von Vanessa Gittner Einblick in die Arbeit des Freizeittreffs Freimann 19 Sexualität – Thema im offenen Treff Als wir die Anfrage erhielten, ob wir einen Artikel für den „K3“ über Entwicklungen und mögliche Veränderungen beim Thema Sexualität und Aufklärung schreiben wollten, war unser erster Impuls abzusagen. Von Jennifer Otto Schutzkonzepte und Sexualisierung der Gesellschaft 20 Hilfen – für wen? Schutzkonzepte folgen der Erkenntnis, dass Kinder auch in pädagogisch betreuten Institutionen vor physischen, psychischen und sexuellen Übergriffen geschützt sein müssen. Von Bianca Wallenta, Petra Kutzner Pädagogen zwischen Idealisierung und Vorbehalten 21 Positive und negative Diskriminierung Noch immer bestimmen soziale Zuschreibungen die gesellschaftlichen Rollen von Männern und Frauen. Von Bernhard Rutzmoser Kinder und Jugendliche sind bereits im frühesten Alter Menschen, die Sexualität persönlich erleben. Es kann also kein „zu früh“ geben, um Heranwachsende über Anatomie, körperliche Veränderungen, Liebe und Sexualität aufzuklären. Immer offen und ohne Scham – nie in einem belehrenden Ton und mit erhobenem Zeigefinger. Sexualität und Behinderung? Ein Tabuthema 22 Sexuelle Selbstbestimmung Die Pubertät stellt alle Menschen vor eine Herausforderung: In dieser Zeit entwickelt sich ein (individuelles) Verständnis von Sexualität, das nicht zuletzt durch Erfahrungen geprägt wird, die nicht vorrangig sexueller Natur sind. Von Lena Schreiber, Mia Rohrbach Sexismus in der Jugendkultur zwischen Verbot und Gespräch 23 Grenzen erkennen – Grenzen setzen Populäre Musik ist nicht frei von Sexismus, verbaler Gewalt und Rassismus. Bei Jugendlichen wird damit unter Umständen ein hoch problematisches Weltbild entworfen. Pädagogische Intervention ist deshalb sinnvoll und notwendig. Von Marko Junghänel Workshop (sexuelle) Gewalt im Rap 24 Da geht was Der Jugendtreff Neuhausen wurde 2017 mit dem Zertifikat „Offen für ALLE“ ausgezeichnet. Im Rahmen dieser Zertifizierung setzte sich das Team intensiv mit dem Thema LGBTIQ auseinander. Von Christian Kurzweil Sexualisierung des Sports in den Medien 25 Keine medialen Geschlechterstereotype! „Vorbei sind die Zeiten, wo die Sportlerhose kurz unter dem Knie endete“, stellte schon 1971 „Die Zeit“ fest. Der Sport wird immer stärker sexualisiert. Und das vor allem in und durch die Medien. Von Pascal Lieb Foto: Photolyric Stock Productions /GettyImages
| 01 | 2019 17 Sexualisierung der Gesellschaft Schwerpunkt Sexualkundeunterricht an Grundschulen Wissen schützt Die Zeit, in der Kinder beginnen, ihre Körperlichkeit zu entdecken, ist voller Spannungen, Widersprüche und Missverständnisse. Aufklärung über Anatomie und Funktionsweise bereits im Grundschulalter ist dringend notwendig, weiß Cornelia Schade, ausgebildete Hebamme, Autorin und Verfechterin einer Enttabuisierung von Sexualität bei Kindern und Jugendlichen. Bereits in dieser Stufe merkt man, wie groß der Informationsbedarf der Kinder ist. Die Eltern haben dagegen oft das Gefühl, dass wir zu früh mit dieser Aufklärung beginnen, und sind dann ganz erstaunt, welche Fragen ihre Kinder beschäftigen. Das Problem, das sich darin zeigt, ist, dass es ihnen auch heute noch peinlich ist, offen mit ihren Kindern darüber zu sprechen. Aber Kinder wollen wissen, woher die Babys kommen, warum es eine Monatsblutung gibt und viele Dinge mehr – übrigens ganz unabhängig von ihrer Herkunft und sozialen Prägung. Müssten ein solches Angebot nicht die Schulen machen? Wenn ich mit dem Aufklärungsunterricht in den 4. Klassen beginne, ist es höchste Zeit dafür. Ich hatte neulich einen „Notfall“ in einer dritten Klasse. Dort hatten Klassenkameraden einen Mitschüler gezwungen – gewissermaßen als Mutprobe – sich Pornos der übelsten Sorte anzusehen. Das Kind war danach völlig verstört, vertraute sich aber dem Lehrer an. Der wiederum informierte mich und wir haben unmittelbar eine Aufklärungsstunde angeboten. Die Schule allein ist wohl mit solchen Themen überfordert bzw. die Lehrkräfte nicht genügend ausgebildet. Die Hemmschwelle der Kinder, über Sexualität zu reden, ist also eher gering? Man muss nur das richtige Setting schaffen und Vertrauen aufbauen. Dann vertrauen sich die Kinder einem mit fast jeder Frage an. Die reichen dann von künstlicher Befruchtung über Transsexualität bis zu Verhütungsmethoden. Diese Aufklärung schafft ganz nebenbei Toleranz für andere Lebens- und Liebesentwürfe. Den Kindern wird klar, was wirklich wichtig ist im Leben. Noch einmal zurück zu diesem Porno-Fall. Anatomische Aufklärung allein würde nicht genügen. Ich gehe weiter und – wie im Fall dieses verstörten Kindes – spreche darüber, dass Sexualität mehr ist als ein technischer Vorgang. Diese Pornografie hat nichts mit dem echten Leben zu tun – und das spüren die Kinder dann auch, wenn man es ihnen erläutert. Die Kinder sollen erfahren, dass allein sie darüber bestimmen, welche Bilder sie in ihre Köpfe lassen und welche nicht. Das Internet ist dabei Fluch und Segen zugleich. Ich bin überzeugt davon, dass die weltweite Vernetzung der Menschen viel Positives für uns bringt. Andererseits werden dort Kinder mit Inhalten konfrontiert, die sie nicht einordnen und die sie aus der Bahn werfen können, wenn es eben keinen Aufklärungsunterricht gibt. Übrigens zeigt meine Erfahrung, dass alle Kinder – wirklich alle – Pornos anschauen. Hier sind Eltern oft sehr naiv und denken, dass ihr Kind das ja nie tun würde … Wie erleben Sie die Eltern in diesen Prozessen? Es gibt fast nur zwei Alternativen – entweder sehr offene Eltern oder ganz extreme. Extrem in dem Sinne, dass sie ihre Kinder völlig fern vom Thema Sexualität halten wollen. Die meisten Eltern sind tolerant und offen – die Extremen haben aber deutlichen Zuwachs. Es gibt beispielsweise Eltern, die ihre Kinder allein schon davor bewahren wollen, dass sie das Wort „Sex“ hören. Noch schlimmer wird es bei Aspekten wie Homosexualität oder Abtreibung. Man kann natürlich verschiedener Meinung sein und den Kindern eigene Werte vermitteln. Aber zumindest, was die anatomischen Voraussetzungen anbelangt, muss Klarheit herrschen. Muslimische Eltern erlebe ich da übrigens sehr aufgeschlossen, weil nicht zuletzt sie selbst etwas hinzulernen. Gibt es einen Zusammenhang zwischen altersgerechter Aufklärung und Verhinderung von Schwangerschaften im Kindesalter? Den gibt es ganz sicher. Eine solche Kinder-Schwangerschaft war der Auslöser dafür, dass ich diese Kurse anbiete. Die Kinder und Jugendlichen vergessen vielleicht das eine oder andere aus dem Angebot – sie handeln aber im Zweifel überlegter. Was bedeutet es inhaltlich und methodisch, Grundschulen Aufklärungsunterricht anzubieten? Cornelia Schade: Mein Konzept, das ich verfolge, ist sehr offen angelegt. Nicht zuletzt deshalb, weil man auf unterschiedliche Konstellationen und verschiedene Kinder reagieren können muss. In jedem Fall richtet sich dieses Angebot an den konkreten Bedürfnissen und Fragen der Kinder aus. Es muss eine vertrauensvolle Atmosphäre entstehen, in der sich alle trauen, teilzuhaben und mitzureden. Nichts soll irgendjemanden peinlich oder gar unangenehm sein – alle Fragen, die die Kinder beschäftigen, sollen zur Sprache kommen. Was bedeutet das konkret? Die Lehrkräfte rufen mich regelmäßig an, um meine Unterstützung anzufordern. Meist passiert das im Frühjahr. Bis zum Schuljahresende besuche in dann Woche für Woche andere Schulen und mache mein Aufklärungsangebot – in der Regel für 4. Klassen. Es gibt aber auch Mittelschulen, die ich betreue. Im zweiten Schritt müssen die Eltern darüber informiert werden, was geplant ist und welche Inhalte konkret besprochen werden. Ohne deren Zustimmung können die Kinder nicht teilnehmen. Danach finden offene Info-Abende für die Eltern statt, bei denen ich konkret berichte, was wir vorhaben. In kleinen Schulen kommen manchmal nur sieben oder acht – in großen bis zu 70 Eltern. Die Vorstellung der Themen visualisiere ich mit Zeichnungen, die ich auch später bei den Kindern einsetze. Für Mädchen und Jungs ist das Angebot gleich – ich mache diese Aufklärungskurse aber getrennt für die beiden Geschlechter. Die Basis bilden Informationen zur Anatomie des weiblichen und des männlichen Körpers. Ich erkläre, wie die Befruchtung der Eizelle stattfindet und was danach geschieht. Schließlich sprechen wir auch über die Veränderungen, die in der Pubertät durchlaufen werden. Zwischenfragen sind ausdrücklich und zu jeder Zeit erlaubt. Vertrauen ist alles beim Sexualkundeunterricht an Grundschulen, wie die Rückmeldungen der Kinder zeigen. Foto: privat
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